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Sinn-Ökonomie: Orientierung und Wertschätzung führen zum Erfolg

    Menschen suchen einen Sinn in der Arbeit. Fehlt Feedback und Wertschätzung, kündigen sie. Gerade in Zeiten von hybriden Arbeitsmodellen brauchte es ein neues Führungsverständnis, Orientierung und eine gemeinsame Identität, um erfolgreich zu sein. Die Sinn-Ökonomie bietet Lösungen auf die aktuellen Herausforderungen.

    Zu Beginn der Corona-Pandemie mussten Unternehmen in kürzester Zeit auf hybride und virtuelle Arbeitsformen umstellen. Dies hat in zahlreichen Branchen die Digitalisierung beschleunigt. Remote Work und Homeoffice gehört in vielen Firmen zum Alltag, und Mitarbeitende wie Führungskräfte und Geschäftsleitung haben sich an neue Arbeitsformen gewöhnt oder schlicht gewöhnen müssen.

    Der Wert der Arbeit

    Doch Homeoffice-Pflicht und die Auswirkungen weiterer Massnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie bringen zutage, was sich schon länger abzeichnet: Menschen suchen einen Sinn in der Arbeit. Lohn, Sozialleistungen oder Vergünstigungen alleine reichen nicht mehr, um Arbeitnehmende zu halten. Jüngere Generationen haben ein anderes Verhältnis zu Geld und Wohlstand und verabschieden sich teilweise vom klassischen Arbeitsmarktmodell.

    Die Werte der Arbeit

    Menschen brauchen Wertschätzung, eine gemeinsame Identität, zwischenmenschliche Begegnungen, persönliche Interaktionen. Das zeigen auch die Zahlen zur Freiwilligenarbeit: In der Schweiz leisteten im Jahr 2020 41 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahren institutionalisierte oder informelle Freiwilligenarbeit. Doch der Mensch braucht nicht nur sinnstiftende Tätigkeiten im Privatleben, sondern auch im Beruf. Bekommen Arbeitnehmende dies nicht, kündigen sie ihren Job.

    So viele Kündigungen wie nie zuvor

    In den USA haben seit April 2021 über 24 Millionen Arbeitnehmende ihre Stelle gekündigt – so viele wie nie zuvor. Mit einschneidenden Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Gemäss einer aktuellen McKinsey-Umfrage gaben 40 Prozent der 5'774 befragten Angestellten aus 5 Ländern an, in den nächsten drei bis sechs Monaten kündigen zu wollen – über alle Branchen hinweg.

    Die Hauptgründe? Sie fühlen sich vom Unternehmen (54 Prozent) oder den Vorgesetzten nicht wertgeschätzt (52 Prozent) oder fühlen sich am Arbeitsplatz nicht zugehörig (51 Prozent). Die 250 befragten Führungskräfte hingegen vermuteten, dass Mitarbeitende in erster Linie wegen dem Lohn, schlechter Work-Life-Balance oder aus gesundheitlichen Gründen kündigen würden. Eine gewaltige Diskrepanz, die adressiert werden müsse, so die Autoren der Umfrage. Wird Feedback ignoriert und werden Mitarbeitende nicht in Entscheidungsprozesse miteinbezogen, ist es wahrscheinlicher, dass sie kündigen, bestätigt eine weitere Studie.

    «Gemäss einer aktuellen McKinsey-Umfrage gaben 40 Prozent der 5'774 befragten Angestellten aus 5 Ländern an, in den nächsten drei bis sechs Monaten kündigen zu wollen – über alle Branchen hinweg.»

    Arbeitgeber:innen können nicht nachvollziehen, warum ihre Mitarbeiter:innen kündigen

    Auch in Japan und Deutschland sind ähnliche Tendenzen zu beobachten. Für die Schweiz liegen keine aktuellen Zahlen zu den Kündigungsabsichten von Arbeitnehmenden vor. Doch auch hier hat die Corona-Pandemie den Arbeitsmarkt aufgewühlt. Der Fachkräftemangel hat sich verschärft. Besonders gross ist der Mangel in den Bereichen Ingenieurwesen, Technik, Informatik sowie Humanmedizin und Pharmazie (Fachkräftemangel Index Schweiz).

    In einem Arbeitnehmermarkt können sich gut qualifizierte Mitarbeitende ihre Stelle aussuchen – und sie legen zunehmend Wert auf sinnstiftende Tätigkeiten und Firmen mit Purpose, einem klaren Ziel oder Zweck.

    Zufriedene Mitarbeitende leisten mehr

    In der sich rasant verändernden Arbeitswelt sind zufriedene Mitarbeitende ein zentraler Faktor für den Unternehmenserfolg. «Mitarbeitende brauchen Wertschätzung und Beziehungen, die tragen», sagt Andrea Kuhn-Senn, die Gründerin von CYP, dem Ausbildungszentrum der Banken. Denn wenn Angestellte einen Sinn in der Arbeit sehen, wahrgenommen werden und sich am Arbeitsplatz wohlfühlen, leisten sie mehr.

    Sinn statt Gewinn

    Und Unternehmen mit einem klaren Purpose (engl. «purpose-driven organizations») – verschaffen sich mittel- bis langfristig einen Wettbewerbsvorteil. Sie sind produktiver, wachsen schneller, sind innovativer, erzielen eine bessere Kundenzufriedenheit und können Mitarbeitende länger halten als ihre Konkurrenz.

    Sinn-Ökonomie als Antwort auf die Herausforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft

    Im wirtschaftlichen Diskurs wird die Sinn-Ökonomie als neue Wirtschaftsepoche nach der Informationstechnologie bezeichnet. Unternehmen sollen dabei Investitionen in wirtschafts- und gesellschaftsrelevante Werte fördern, auf Ethik und Nachhaltigkeit setzen und Sinn statt Gewinn ins Zentrum ihrer Tätigkeit stellen.

    Der Begriff der Sinn-Ökonomie (engl. «Purpose Economy) wurde durch Aaron Hurst geprägt, Geschäftsführer von Taproot Foundation, der grössten gemeinnützigen Beratungsfirma in den USA. Sinn-Ökonomie ist ein Dachbegriff, der verschiedene Ansätze einer neuen Wirtschaftsform zusammenfasst. Das Zukunftsinstitut definiert Sinn-Ökonomie wie folgt: «Neue Dimensionen der Wertschöpfung abseits des Denkens in Wachstum und Profitmaximierung rücken in den Vordergrund: sozialer Mehrwert, Nachhaltigkeit, eine glückliche Mitarbeiterschaft, gesellschaftlicher Fortschritt.» Darunter fallen Bezeichnungen wie Next Economy und Postwachstumsökonomie. Sharing Economy, Smart Economy und Kreislaufwirtschaft sind Ausdruck dieser Bewegung des nachhaltigen Wirtschaftens.

    «Mitarbeitende brauchen Wertschätzung und Beziehungen, die tragen.»
    Andrea Kuhn-Senn, Gründerin von CYP, dem Ausbildungszentrum der Banken

    Mehr als CSR und ESG

    Die Sinn-Ökonomie ist Teil des Megatrends der Neo-Ökologie, welche den Veränderungsprozess weg vom unbegrenzten Wachstum hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften beinhaltet. Für Unternehmen bedeutet dies mehr als einzelne Massnahmen im Bereich Corporate Social Responsibility (CSR), Diversity & Inclusion, Employer Branding oder Investments nach ESG-Kriterien. Unternehmen, so der Ansatz, müssen konkrete Lösungen für gesellschaftliche und ökologische Probleme bieten.

    Kollaboratives Führungsverständnis

    Neben dieser aktiven Rolle nach aussen sollen Unternehmen einen Sinn nach innen vermitteln. Sind Vision und Zweck des Unternehmens klar, können sich Mitarbeitende mit dem Unternehmen identifizieren.

    Doch auch bei Unternehmen mit Purpose bleiben grosse Herausforderungen an Führung und Unternehmenskultur – gerade in Zeiten von Remote Work, Homeoffice und New Work. «Unternehmen sind auf der Suche nach ihrer geeigneten Form von kollaborativem Führungsverständnis. Sie müssen ihre HR-Praktiken grundlegend überdenken» sagt Sybille Sachs, Leiterin des Instituts für Strategisches Management an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. In ihrem Buch «Beyond Leadership» plädiert sie für Zusammenarbeit auf Augenhöhe, den Abbau von Hierarchien und eine Unternehmenskultur geprägt von Vertrauen, Respekt und Wertschätzung.

    Beziehungen pflegen verbessert die Leistung

    Das kollaborative Führungsverständnis gibt Mitarbeitenden mehr Freiraum für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Gleichzeitig müssen Führungskräfte soziale und zwischenmenschliche Beziehungen pflegen und besonders auch in Zeiten von Remote Work Wünsche und Bedürfnisse von Mitarbeitenden einschätzen können. Fühlen sich Mitarbeitende ernst genommen, sicher und wertgeschätzt, trägt dies zu einem Gefühl des Zusammenhalts und der Zugehörigkeit bei – und steigert die Leistungsfähigkeit.

    Sybille Sachs ergänzt: «Die Forschung zeigt vier Effekte von psychologischer Sicherheit auf, das sogenannte psychologische Kapital der Menschen: Mitarbeitende sind effektiv, optimistisch, hoffnungsvoll und vor allem resilient.»

    Wertschätzung, Orientierung, Autonomie

    Die Erfolgsfaktoren für Führung in der Sinn-Ökonomie? Die heutigen Führungskräfte müssen in der Lage sein, die richtigen Rahmenbedingungen zu bieten: Sicherheit, Wertschätzung und das richtige Mass an Autonomie.

    New Leadership ist gefragt, besonders in Unternehmen mit hybriden Arbeitsformen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die richtigen Führungskräfte an den richtigen Stellen einsetzen.

    Führungskräfte, die über wenig oder keine Erfahrung in der digitalen und hybriden Arbeitswelt verfügen, brauchen entsprechende Begleitung und Trainings – und zwar über alle Stufen, vom CEO und der Geschäftsleitung bis zu den Mitarbeitenden an der Front.

    Eine gute Unternehmenskultur

    In Zeiten der Sinn-Ökonomie ist eine gute Unternehmenskultur entscheidender denn je. Es braucht Wertschätzung, gelebte Beziehungen, eine direkte Feedbackkultur, Offenheit für Veränderung und transparente Kommunikation auf allen Ebenen. Dann sind Unternehmen gut gerüstet, um auch im hybriden Arbeitsumfeld und in unsicheren Zeiten Orientierung zu bieten, einen Sinn in der Arbeit zu vermitteln und ihre Mitarbeitenden zu halten und weiterzuentwickeln.

    «Die Forschung zeigt vier Effekte von psychologischer Sicherheit auf, das sogenannte psychologische Kapital der Menschen: Mitarbeitende sind effektiv, optimistisch, hoffnungsvoll und vor allem resilient.»
    Sybille Sachs, Leiterin des Instituts für Strategisches Management an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich

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