Seitennavigation & Suche

Anpassungsfähigkeit und Zukunftspläne in herausfordernden Zeiten

Lernende meisterten 2020 trotz Corona die letzten Monate ihrer Ausbildung erstaunlich gut. Es gelang ihnen mehrheitlich, sich auf die unsichere Situation einzustellen. Dies zeigt eine Umfrage des Kaufmännischen Verbands.

Bereits zum dreizehnten Mal in Folge hat der Kaufmännische Verband die Lehrabgänger/innen-Umfrage (LAU) durchgeführt. Die KV-Lehre ist die beliebteste Berufsausbildung der Schweiz. Mit über 14'000 Absolvent/innen sind ihr ungefähr ein Fünftel aller Berufsabschlüsse zuzuschreiben. Der Schwerpunkt der diesjährigen Umfrage lag auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Die Ergebnisse zeigen, dass die jungen Fachkräfte sich an die schwierigen Umstände anpassten und positiv gestimmt in die Berufswelt eintraten. Dennoch bekundeten die Lehrabgänger/innen deutlich mehr Mühe bei der Stellensuche als in den Vorjahren. Dies kann auf die angespannte wirtschaftliche Lage aufgrund der Pandemie zurückgeführt werden. 

Ab ins Homeoffice

Die LAU besteht jeweils aus zwei Befragungsrunden. Die erste erfolgt im Juli, kurz nach den Abschlussprüfungen, die zweite im November. Viele Lehrabgänger/innen arbeiteten im Frühjahr zum ersten Mal im Homeoffice. Etwas über die Hälfte der Befragten gaben an, Homeoffice genutzt zu haben. Dabei fällt auf, dass lediglich 22.3% den ungewohnten Arbeitsort negativ bewerten. Dem gegenüber stehen 49.1%, welche sich im Homeoffice wohlfühlen und die Arbeit von zuhause als positiv empfinden. Der Befund ist erfreulich, da Lernende normalerweise eng mit ihren Berufsbildner/innen zusammenarbeiten und dies in einem klassischen Bürosetting sicherlich einfacher umzusetzen ist.

Lehrabgänger/innen-Umfrage (LAU)
Der Kaufmännische Verband befragt seit mehr als vierzehn Jahren die KV-Abgänger/innen in der Schweiz. Die Umfrage 2020 legt den Fokus auf die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie.

Aus den Ergebnissen der Studie lässt sich ein grosses Engagement der Berufsbildner/innen ablesen. Es ist auch ihnen zu verdanken, dass die Lernenden Homeoffice als positive Erfahrung erlebten. So gaben knapp drei Viertel der Lehrabgänger/innen an, dass sie ihre Aufgaben auch während dieser Zeit als sinnvoll empfanden. Hinzu kommt, dass 76.4% der Befragten zufrieden mit der Betreuung im Unternehmen sind. «Nicht nur die Lernenden, sondern auch die Berufs- und Praxisbildner/innen haben in dieser Zeit eine ausgeprägte Anpassungsfähigkeit bewiesen», ist Nina Meier, Projektmitarbeiterin Grundbildung & Jugendberatung beim Kaufmännischen Verband, überzeugt. «Es ist unter anderem diesem Umstand geschuldet, dass für viele die letzten Monate der Berufsausbildung reibungslos verliefen.» Dennoch ist anzumerken, dass beide Werte für die gesamte Lehrzeit höher sind als für den kurzen Abschnitt im Frühjahr 2020. Dieser Rückgang der Zustimmungswerte ist aber mit Rücksicht auf die Umstände vernachlässigbar. Die Zeit im Homeoffice wird von den Lehrabgänger/innen nicht als verloren angesehen. So sind sieben von zehn Befragten der Meinung, dass sie dank Homeoffice mehr Verantwortung in ihrem Arbeitsalltag übernehmen konnten. Auch die Ausbildung der Lernenden kam im Homeoffice nicht zu kurz. So gaben über 50% der Befragten an, im Homeoffice Neues gelernt zu haben und führten dies explizit auf die neue Arbeitsumgebung zurück.

Berufseinstieg trotz Pandemie

Die LAU bietet wichtige Einblicke in den Prozess des Berufseinstiegs der Lehrabgänger/innen während einer Pandemie. Im November waren 64.8% der befragten Personen berufstätig. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Reduktion von 5%. Hinzu kommt, dass weit mehr Lehrabgänger/innen lediglich eine befristete Stelle erhalten haben oder Teilzeit arbeiten. Ist eine solche Anstellung nicht aufgrund des Lebensentwurfs, einer geplanten Weiterbildung zum Beispiel, freiwillig gewählt, birgt sie für Arbeitnehmer/innen deutlich mehr Unsicherheit als eine ordentliche Anstellung. Ein Viertel der Befragten, welche sich in einem befristeten Anstellungsverhältnis befinden, würden eine unbefristete Stelle bevorzugen. Dieser Anteil ist hoch und bietet den jungen Arbeitnehmenden nicht ausreichend Planungssicherheit für die Zukunft.

Die Ergebnisse der LAU zeigen dennoch auf, dass der Berufseinstieg der meisten Lehrabgänger/innen als gelungen bezeichnet werden darf. Viele von ihnen konnten sich eine Stelle ergattern, welche ihnen gefällt. Während der KV-Lehre haben sich die jungen Berufsleute wertvolles Wissen angeeignet. Arbeitgeber schätzen die bewährte Ausbildung und stellen trotz der im Vergleich zu anderen Arbeitnehmer/innen geringen Berufserfahrung Lehrabgänger/innen gerne an. Es bleibt jedoch der Wehrmutstropfen, dass nicht alle Anstellungen, die von den befragten Personen präferierten Konditionen bieten und es vermehrt zu befristeten Stellen und unfreiwilligen Teilzeitpensen kommt.

«Nicht nur die Lernenden, sondern auch die Berufs- und Praxisbildner/innen haben in dieser Zeit eine ausgeprägte Anpassungsfähigkeit bewiesen.»
Nina Meier

Schwierige Stellensuche während einer Pandemie

Rund 9.1% der Befragten befanden sich im November 2020 noch auf Stellensuche. Dies entspricht einem Anstieg von 3% zum Vorjahr. Im Vergleich mit früheren Lehrabgänger/innen-Umfragen wird deutlich, dass es sich dabei um einen besonders hohen Wert handelt. «Die Situation auf dem Arbeitsmarkt für Lehrabgänger/innen ist angespannt. Es war im Jahr 2020 deutlich schwerer eine Anstellung nach dem Lehrabschluss zu finden, als in den Vorjahren», fasst Nina Meier die Erlebnisse der frischgebackenen Kaufleute zusammen. Darüber hinaus lässt sich sagen, dass ein früher Start der Stellensuche die Erfolgsaussichten erhöht. Wer bereits vor April beginnt, hat eine höhere Chance im Zeitraum der Umfrage eine Stelle gefunden zu haben. Doch auch diese Zahl hat sich im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Als Interessensvertretung von Angestellten beobachtet der Kaufmännische Verband die Situation der Wirtschaft in der Schweiz genau. Es ist wichtig, auch in den kommenden Jahren dafür zu sorgen, dass Lehrabgänger/innen und alle anderen kaufmännischen Angestellten auf dem Arbeitsmarkt gut positioniert sind. Insbesondere 2021 wird aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung ein noch herausforderndes Jahr, als das Vorjahr bereits gewesen ist.  

Es gibt aber auch positive Entwicklungen im Bereich der Stellensuche. So geben viele Befragte an, für die Stellensuche Hilfe in Anspruch genommen zu haben. Die ersten Anlaufstellen bei Problemen sind Familie und Freundinnen und Freunde. 55.6% der Befragten, die im November noch auf Stellensuche waren, erhielten Hilfe von Verwandten. Ein Drittel von Ihnen konsultierte auch eine Beratungsstelle. Die Lehrabgänger/innen erkannten die erschwerten Rahmenbedingungen und adaptierten ihr Verhalten entsprechend.

«Die Situation auf dem Arbeitsmarkt für Lehrabgänger/innen ist angespannt. Es war im Jahr 2020 deutlich schwerer eine Anstellung nach dem Lehrabschluss zu finden, als in den Vorjahren.»
Nina Meier

Erwartungen an eine Arbeitsstelle

Ansprüche an Arbeitgeber wandeln sich im Gleichschritt mit einer Gesellschaft. Dies wirkt sich auch auf junge Menschen aus. So geben über 42% der Lehrabgänger/innen an, dass ihnen die Vereinbarkeit von Weiterbildung, Familie oder Freizeit wichtig ist bei der Wahl einer Stelle. Einen beinahe gleich hohen Stellenwert hat das Arbeitsklima unter Kolleginnen und Kollegen. Mit knapp über 30% Zustimmung schneidet das Kriterium sinnstiftende Arbeit noch leicht besser als ein angemessener Lohn ab. Junge Berufsleute berücksichtigen also viele unterschiedliche Aspekte während sie auf der Suche nach einer für sie geeigneten Anstellung sind. Dabei sind nicht nur harte Kriterien wie der Lohn ausschlaggebend, sondern auch zwischenmenschliche Aspekte.

Ebenfalls scheint es den Lehrabgänger/innen wichtig zu sein, bei ihrer ersten Stelle Entfaltungspotenzial zu erkennen. So ist es für über 32% wichtig, Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten vorzufinden. Den jungen Kaufleuten ist bewusst, dass sie gerade den ersten Schritt ihres Werdegangs hinter sich haben. Während den kommenden Jahrzehnten wird sich der Arbeitsmarkt verändern und es werden neue Herausforderungen auf sie zukommen. Das vergangene Jahr ist das beste Beispiel dafür. Dabei sind die Befragten mehrheitlich davon überzeugt, dass die KV-Lehre eine gute Grundlage für ebenjene ersten Schritte darstellt. Ganze 85.9% stimmen dieser Aussage zu. Ihnen ist jedoch bewusst, dass sie sich trotz ihrer fundierten Grundbildung stets den neuen Anforderungen des Arbeitsmarkts anpassen müssen. Daher wollen 9 von 10 Befragten ihr Profil mit Weiterbildungen schärfen. Diese Zahl überrascht Nina Meier nicht. «Die Bereitschaft unter den Lehrabgänger/innen, eine Weiterbildung zu starten, ist hoch», führt sie aus. «Trotz Krise zeigen sich die jungen Kaufleute zielstrebig und wissbegierig. Sie wissen genau, was es braucht, um auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein und zeigen sich besonders agil und kreativ im Umgang mit der Krise.» Die ehemaligen Lernenden werden so nach und nach zu den Spezialisten und Spezialistinnen, auf welche die Wirtschaft in der Schweiz angewiesen ist. Die KV-Lehre bietet dafür nach wie vor eine hervorragende Grundlage.

Veröffentlicht am: 13.04.2021

«Trotz Krise zeigen sich die jungen Kaufleute zielstrebig und wissbegierig. Sie wissen genau, was es braucht, um auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein.»
Nina Meier

Weitere Informationen

Autor

  • Andri Rizzi

Beliebte Inhalte