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«Die Lernenden erlebten das Homeoffice als positiv.»

Der Schritt nach der Lehre ins Berufsleben war im Jahr 2020 besonders schwierig. Die Lehrabgänger/innen mussten sich innert kurzer Zeit an neue Rahmenbedingungen anpassen, sagt Nina Meier, Projektmitarbeiterin Grundbildung & Jugendberatung beim Kaufmännischen Verband.

Die diesjährigen Lehrabgänger/innen stiegen während einer schwierigen Zeit, der Covid-19-Pandemie, in das Berufsleben ein. Gestaltete sich die Stellensuche für die jungen Berufsleute anders als in den Vorjahren?

Unsere Befragung zeigt deutlich auf, dass der Berufseinstieg für die Lehrabgänger/innen 2020 im Vergleich zu den Vorjahren schwieriger und mit mehr Aufwand verbunden war. So liegt nicht nur der Anteil an Erwerbstätigen im Vergleich zum Vorjahr um ungefähr 5% tiefer, es wurden beispielsweise auch deutlich mehr Bewerbungen verfasst als 2019, und mehr Lehrabgänger/innen haben für die Suche nach einer Arbeitsstelle Hilfe benötigt. Auch die Absolventinnen und Absolventen selbst bewerten den Berufseinstieg mehrheitlich als schwierig und rechnen der Pandemie einen grossen Einfluss auf ihre Chancen bei der Stellensuche zu. Trotz der erschwerten Bedingungen bleibt festzuhalten, dass die Mehrheit den Berufseinstieg mittlerweile erfolgreich gemeistert hat.

Weshalb ist es beachtenswert, wenn Lehrabgänger/innen vermehrt in reduzierten Pensen und befristeten Stellen tätig sind?

Viele der Lehrabgänger/innen in befristeten Anstellungsverhältnissen sind noch bei ihrem Lehrbetrieb tätig. Das ist ein Ergebnis, welches wir auch in den Vorjahren jeweils beobachten konnten und sehr positiv zu werten ist, da es darauf hinweist, dass viele Betriebe «ihre» Lehrabgänger/innen auch über die erfolgreiche Ausbildung hinaus zu unterstützen versuchen, indem sie ihnen ermöglichen, erste Arbeitserfahrungen ausserhalb des Ausbildungssettings zu sammeln, was ihnen die spätere Stellensuche vereinfacht.

Zudem ist eine befristete Tätigkeit der erfolglosen Suche nach einem Arbeitsplatz sicherlich vorzuziehen. Dasselbe gilt auch für die Arbeit in einem reduzierten Pensum, was in den letzten Jahren immer mehr zugenommen hat und meistens mit der besseren Vereinbarkeit mit einer Weiterbildung begründet wird. Der deutliche Anstieg an reduzierten Pensen und Teilzeitstellen unter den Abgänger/innen 2020 ist aber auch ein klares Zeichen für den durch die wirtschaftlich schwierige Situation erschwerten Berufseinstieg, im Besonderen da auch viele der Befragten angeben, dass sie lieber in einem Vollzeitpensum respektive unbefristet angestellt wären. Langfristig kann dies negative Folgen mit sich bringen wie beispielsweise niedrigere Löhne, aber auch eine Beeinträchtigung der Karrierechancen.

«Trotz der erschwerten Bedingungen bleibt festzuhalten, dass die Mehrheit den Berufseinstieg mittlerweile erfolgreich gemeistert hat.»
Nina Meier

Es gibt auch solche, die keine Stelle finden konnten.

Ja, dies wird schon alleine durch den hohen Anteil an Stellensuchenden deutlich, welcher rund 3% höher liegt als im Jahr 2019. Es zeigt sich aber auch darin, dass nicht nur deutlich mehr Abgänger/innen für die Stellensuche Hilfe benötigten, sondern diese auch in Anspruch genommen haben. Zudem geben im November 2020 mehr Absolventinnen und Absolventen als in den vergangenen Jahren an, eine Aus- oder Weiterbildung begonnen zu haben. Aus offenen Fragen in der Erhebung wird klar, dass dies in einigen Fällen auch als Alternative zur Erwerbstätigkeit gewählt wurde.

Homeoffice war für viele Lehrabgänger/innen eine neue Erfahrung. Wie wurde diese Herausforderung angenommen?

Das Homeoffice wurde im Allgemeinen positiv erlebt. Nur wenige Lehrabgänger/innen scheinen mit diesem neuen Arbeits- und Ausbildungssetting unglücklich gewesen zu sein. Zudem geben viele der Teilnehmenden an, dass sie durch die Arbeit im Homeoffice mehr Eigenverantwortung übernehmen und auch Neues dazulernen konnten. Besonders positiv bewertet wird die Stimmung unter den Mitarbeitenden während dieser Zeit wie auch die Betreuung durch die Berufsbildner/innen und Praktikumsbetreuer/innen. Sowohl die Absolventen/innen wie auch ihre Ausbildungsverantwortlichen haben demzufolge viel Anpassungsfähigkeit bewiesen in dieser Zeit.

Im Jahr 2020 fanden weder schulische noch betriebliche Abschlussprüfungen statt. Sind die Lehrabgänger/innen dennoch zufrieden mit der KV-Lehre?

Auch dieses Jahr bewerten die Lehrabgänger/innen die KV-Lehre rückblickend sehr positiv. Überrascht hat uns gerade angesichts der Umstände der doch eher grosse Anteil an Jugendlichen, welche den Ausfall der Abschlussprüfungen als negativ erlebt haben oder aber der Erfahrung einfach neutral gegenüberstehen. Unter Berücksichtigung der langen Ungewissheit und dem hohen Leistungsdruck und Lernstress, der mit den Abschlussprüfungen einhergehen, hätten wir hier eine viel klarer positive Bewertung erwartet. In Gesprächen mit Lehrabgänger/innen hörten wir aber auch, dass sie gerade diese strenge Zeit gerne mit den Abschlussprüfungen, als eine Art Krönung der Lehrzeit, beendet hätten. Eine Erfahrung, welche sie aufgrund der Pandemie nun nicht machen konnten.   

«Das Homeoffice wurde im Allgemeinen positiv erlebt. Nur wenige Lehrabgänger/innen scheinen mit diesem neuen Arbeits- und Ausbildungssetting unglücklich gewesen zu sein.»
Nina Meier

Aus den Ergebnissen der Umfrage lässt sich ablesen, dass die Lehrabgänger/innen sich gut mit der Situation arrangieren konnten. Wie kann diese erstaunliche Anpassungsfähigkeit erklärt werden?

Im Gesamten lassen sich die Ergebnisse der Umfrage 2020 gut unter  Stichwort Anpassung zusammenfassen. Sicherlich hängt die jeweilige Anpassungsfähigkeit stark mit der individuellen Persönlichkeit der Lernenden zusammen. Klar ist aber auch, dass der Förderung der sogenannten Selbstkompetenz in der kaufmännischen Grundbildung eine wichtige Rolle zukommt. Selbstkompetenz weist dabei verschiedene Facetten auf. Unter anderem gehört es dazu, Neuem offen gegenüberzustehen, flexibel auf Veränderungen reagieren zu können sowie schwierige Situationen zu erkennen und mit ihnen zurecht zu kommen. Die Ergebnisse der Umfrage machen deutlich, dass die Abgänger/innen über diese Kompetenzen verfügen. Für ihre weitere Zukunft stellt dies eine gute Grundlage dar, da diese Fähigkeiten und Einstellungen weiter an Bedeutung gewinnen werden.

Der Wille, sich weiterzubilden, ist auch im Jahr 2020 ausgeprägt. Weshalb planen viele Lehrabgänger/innen nach der Lehre direkt den nächsten Schritt?

Berufliche Karrieren verlaufen heute nicht mehr geradlinig, sondern sind von Wechseln und Unterbrüchen gezeichnet, zudem verändert sich das zur Ausübung eines Berufes notwendige Wissen ständig. Sich weiterzubilden wird daher heute als sehr wichtig angesehen. Gerade unter dem Stichwort des lebenslangen Lernens wird dies immer wieder diskutiert. Die kaufmännische Grundbildung stellt einen ersten Schritt in der beruflichen Karriere dar und bietet eine gute Grundlage für den weiteren Werdegang. Der Besuch von Weiterbildungen ist allerdings unerlässlich um langfristig auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich bestehen zu können. Die Ergebnisse der Umfrage machen deutlich, dass den Lehrabgänger/innen diese hohe Bedeutung von Aus- und Weiterbildungen sehr bewusst ist.

Veröffentlicht am: 13.04.2021

«Die kaufmännische Grundbildung stellt einen ersten Schritt in der beruflichen Karriere dar und bietet eine gute Grundlage für den weiteren Werdegang.»
Nina Meier

Zur Person

Nina Meier ist beim Kaufmännischen Verband als Projektmitarbeiterin Grundbildung & Jugendberatung tätig. Zu ihrem Aufgabenbereich gehört die Erarbeitung der Lehrabgänger/innen-Umfrage 2020.

Weitere Informationen

Autor

  • Andri Rizzi

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