Seitennavigation & Suche

Sabine Claus ist Beraterin, Erwachsenenbildnerin, Teamleiterin in einer Privatklinik und Autorin. In ihrem neuen Buch erkundet sie die Lebenskunst des Spazierens.

Die Kunst des Spazierens. Das ist ihre Passion. Sabine Claus hat ein Buch darüber geschrieben – über eine scheinbar belanglose, unspektakuläre Tätigkeit. Gehen, das kennt doch jeder, ist allen vertraut. In ihrem Buch erfährt man, was alles dahintersteckt, was es bei Menschen bewirkt, weshalb wir es pflegen sollten und wie es Kultur und Geschichte prägt.

Sabine Claus arbeitet in der Psychiatrischen Privatklinik Hohenegg. Sie ist Leiterin der ärztlichen Administration, Projektverantwortliche und unterstützt die ärztliche Direktion. Vor einiger Zeit hat sie, selber leidenschaftliche Spaziergängerin, begonnen, mit Patientinnen und Patienten halbstündige Morgenspaziergänge zu unternehmen. Und sie sah: «Das bewirkt bei den zum Teil schwer erkrankten Patienten viel Gutes. Sie fühlen sich markant besser, starten zuversichtlicher in den Tag.» Das brachte sie auf die Idee, sich vertieft mit der Lebenskunst Spazieren zu befassen und ein Buch zu schreiben, ihr zweites. Sie recherchierte, las alles, was sie zum Thema fand und begann zu schreiben. Fast jedes Wochenende zog sie sich in ihr kleines Chalet im Bündnerland zurück und arbeitete an ihrem Buchprojekt. «Es war eine beglückende Erfahrung», erinnert sie sich. «Auch eine intensive.»

Leidenschaft Schreiben

Sabine Claus blickt auf eine erfolgreiche Berufslaufbahn zurück. Sie ist in Süddeutschland aufgewachsen, hat in Karlsruhe das Gymnasium absolviert, später Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Handel studiert. Eigentlich wollte sie an der Uni Germanistik und Französisch belegen, denn Sprachen waren schon immer ihre Leidenschaft. Als Jugendliche hat sie viel geschrieben. Sie mag es, sich im Schreiben zu verlieren und zu finden. Aber man hat ihr von einem Sprachstudium abgeraten; es gebe schon zu viele Lehrkräfte, hiess es. Also Ökonomie. Im Nachhinein war das eine gute Wahl, denn es ermöglichte der jungen Frau eine Karriere in Wirtschaft und Handel.

Ein Praxissemester absolvierte sie in Paris, ihrer Lieblingsstadt. Auch da war das Spazieren schon angelegt. Sie durchstreifte die Stadt, im Geiste von Literaten und Flaneuren, entdeckte das Labyrinth der Metropole, begegnete Menschen, liess sich treiben: eine, wie sie sagt, prägende Erfahrung.

Später: Und auch war da der Wunsch zu unterrichten, mit Menschen Wissen zu erarbeiten, Erfahrung zu teilen, sie zu begleiten. Also bildete sich Sabine Claus zur innerbetrieblichen Ausbildnerin weiter. «Ich merkte, Didaktik und Methodik faszinierten mich zunehmend – die Frage, wie man Inhalte gut vermittelt.» Dieses Interesse merkt man im Gespräch. Sie berichtet lebendig, anschaulich. Und sie hört gut zu, bringt das Gegenüber zum Erzählen.

«Ich merkte, Didaktik und Methodik faszinierten mich zunehmend – die Frage, wie man Inhalte gut vermittelt.»
Sabine Claus

Transparenz und Vertrauen

In ihrem ersten Job beim grössten Drogerieunternehmen in Europa durfte Sabine Claus in frühen Jahren bereits viel Verantwortung übernehmen. Sie war zuständig für die Entwicklung einer ökologischen Marke, führte die Linie zu Erfolg. Später verantwortete sie verschiedene Einkaufsbereiche mit Budgets in dreistelliger Millionenhöhe. «Ich lernte verhandeln und Menschenkenntnis, das war wichtig, um ein Geschäft gut abzuschliessen», sagt Sabine Claus, die damals noch keine 30 war. Das Gute für die junge Frau: Das Unternehmen lebte Werte, die ihr wichtig sind: Transparenz, Respekt, flache Hierarchie, Vertrauen, Zutrauen. «Ich lernte: Je fairer ich Verhandlungen führte, desto mehr Goodwill erfuhr ich und desto erfolgreicher war ich.»

Sabine Claus lässt sich gerne auf Neues ein. Am Alten festhalten ist ihre Sache nicht. Als sie ihren Mann, einen Schweizer, kennenlernte, stellte sich nach einem Jahr Fernbeziehung die Frage, wo leben. Die beiden wollten einen fairen Neustart, niemand sollte durch Heimvorteil – er lebte in Bern, sie ihn Karlsruhe – die besseren Chancen haben. Also vereinbarten sie: Wer zuerst eine spannende Anstellung findet, der bestimmt den gemeinsamen Wohnsitz. Sie war die erste. Bei einem globalen Hersteller und Detailhändler von ethisch produzierten Produkten in der Schweiz wurde sie in die Geschäftsleitung gewählt, verantwortete die Unternehmenskommunikation und führte ein Team. Berufsbegleitend absolvierte sie am Medienausbildungszentrum MAZ in Luzern eine Kommunikationsweiterbildung.

Eine Zeitlang lief es gut, Sabine Claus sammelte viel Erfahrungen in Unternehmenskommunikation. Als eine Umstrukturierung anstand, eine neue, vornehmlich gewinnorientierte Kultur Einzug hielt und die im Unternehmen gelebten Werte ihr nicht mehr entsprachen, wurde Sabine Claus klar: Lange mache ich das nicht. Ihr Leistungsausweis und etwas Glück kamen der Berufsfrau zugute. Sie bekam von einer namhaften Kommunikationsagentur ein attraktives Stellenangebot.

Neue Jobs stossen Entwicklungen an. Sabine Claus, inzwischen Mutter von zwei Kindern, war neben ihren Aufgaben im Corporate Publishing zunehmend in der Beratung tätig und entdeckte bei der Leitung von Firmentrainings ein neues Talent. Sie begleitete Menschen bei Auftritten, gab Coachings, unterrichtete – und konnte sich dadurch das Trainer-Handwerk aneignen. «Ich merkte zunehmend: Menschen beraten, das liegt mir und gelingt, das mache ich unheimlich gerne.»

«Ich lernte: Je fairer ich Verhandlungen führte, desto mehr Goodwill erfuhr ich und desto erfolgreicher war ich.»
Sabine Claus

Den sicheren Hafen verlassen

Mutige lassen Sicherheit hinter sich. Sabine Claus lernte einen selbständigen Trainer und Coach kennen, der mit ihr zusammenarbeiten wollte. Sie überlegte, wog Vor- und Nachteile ab und wagte den Sprung in die dynamische Zweipersonen-Firma. Das zahlte sich aus. Sabine Claus zog schnell viele Aufträge an Land, gab Trainings und Coachings in Verhandlungstechnik, Mitarbeiterführung, Kommunikation und Konfliktmanagement. Sie begleitete Menschen aus unterschiedlichsten Branchen und Hierarchiestufen: Kaufleute, Kader, Vorstandsvorsitzende. Schliesslich wollte sie noch genauer verstehen, wie sich Entwicklung von Menschen und Teams anstossen lässt. Berufsbegleitend bildete sie sich innerhalb von fünf Jahren am Institut für Angewandte Psychologie in Zürich weiter und schloss mit einem Master in Coaching und Organisationsberatung ab. Für ihre Masterthesis durfte sie einen Preis entgegennehmen.

Diese Erfahrungen spiegeln sich im Gespräch mit Sabine Claus. Sie hört zu, stellt Fragen, denkt nach, antwortet prägnant und bringt überraschende Zusammenhänge auf den Punkt. Wo andere viele Worte benötigen, um etwas zu erklären, formuliert die Kommunikationsfachfrau und Beraterin in wenigen Sätzen. Man weiss dann, was Sache ist. Und auch bei ihren Auftritten, wenn sie zum Beispiel die Anlässe der Privatklinik Hohenegg moderiert und vor mehreren Hundert Personen spricht, wird man gewahr: Da ist ein Profi am Werk. Sie spricht ruhig, souverän und mit viel Sachverstand. Ihr Prädikat: Wertschätzung.

Sabine Claus sagt: «Wir sollten das Schweigen nicht unterschätzen.» Also nicht immer gleich reden, sich bei wichtigen Entscheiden Zeit lassen – und klar: hinhören. Schliesslich die Reflexion: In der Kommunikation, in Verhandlungen, beruflichen und privaten Gesprächen sei es wichtig, sich die eigenen Motive bewusst zu machen und diejenigen des Gegenübers zu respektieren. «Erfolgsfaktoren in der Kommunikation sind Selbstklärung, Rollenbewusstsein und Aufrichtigkeit bei seinen Zielen und der eigenen Gefühlslage. Ich muss wissen, was ich will und welche Rolle ich innehabe. Und ich sollte in der Lage sein, meine Emotionen zu regulieren und mit offenem Gesprächsausgang zu leben.» Schliesslich seien Verbindlichkeit und Verlässlichkeit, Respekt, Geduld und Wohlwollen unerlässlich für ein gelingendes Miteinander.

«Wir sollten das Schweigen nicht unterschätzen.»
Sabine Claus

Keine Lust auf Ausbeutung

Nach 10 Jahren Tätigkeit im Kleinstunternehmen wünschte sich Sabine Claus neben der beraterischen Arbeit wieder ein grösseres Team, auch um fachlich nochmals etwas Neues kennenzulernen. Sie heuerte bei einem Unternehmen an, das auf Personaldiagnostik spezialisiert war und Assessments durchführte. Später wechselte sie zu einer internationalen Consultingfirma, doch nur für kurz, denn sie merkte: «Hier hätte ich mich ausgebeutet, zudem wäre meine personenbezogene Beratungstätigkeit kaum möglich gewesen.» Die wollte sie auf keinen Fall aufgeben, weil es ihr gut lief und sie die Arbeit als erfüllend erlebte. Zudem wünschte sie sich eine Arbeit im Team in einem sinnstiftenden und fairen Umfeld.

Seit fünf Jahren arbeitet Sabine Claus nun in der Psychiatrischen Privatklinik Hohenegg. Ein Glücksfall. «Der Job ist abwechslungsreich, ich kann die Festanstellung gut mit meinen freien Beratungsmandaten und der Seminar- und Coachingtätigkeit, neuerdings auch online, kombinieren. Ausserdem habe ich das Privileg, in einer Organisation zu arbeiten, die Werte lebt, die mir wichtig sind.» Sie arbeite mit Kolleginnen und Kollegen zusammen, die sich durch hohe Fachexpertise und ausgeprägte soziale Kompetenz auszeichneten. Zudem sei die Klinik, die von einer Stiftung getragen wird, nicht gewinnorientiert unterwegs, sondern setze auf Nachhaltigkeit und qualitatives Wachstum. «Natürlich müssen wir die Finanzen im Griff haben», sagt Sabine Claus. Gerade in Zeiten von Corona seien auch sie in jeder Hinsicht extrem gefordert: medizinisch, organisatorisch, menschlich und finanziell.

Unter einem Hut

In ihrem Job muss Sabine Claus vieles unter einen Hut bringen. Als Leiterin der ärztlichen Administration führt sie ein neunköpfiges Team, das den medizinischen Bereich der Klinik verwaltet. Zudem assistiert sie dem ärztlichen Direktor und seinem Stellvertreter, engagiert sich in der Organisationsentwicklung und hat das Veranstaltungsmanagement der Klinik inne. So organisiert und moderiert sie Fachsymposien sowie die traditionellen Hohenegg Gespräche mit namhaften Referentinnen und Referenten aus Medizin, Psychologie, Literatur und Gesellschaft.

Und dann ist sie eben Spaziergängerin und Autorin. Wer mit Sabine Claus über Spazieren als Lebenskunst spricht, wird sich bewusst, wie bedeutungsvoll, erholend und heilend das Spazieren sein kann. «Ein einfacher Spaziergang kommt uns so selbstverständlich vor, dass wir oft vergessen, welch regenerierende Kraft, Inspiration und kleines Glück uns auf dem Weg erwartet», sagt sie. In ihrem Buch «Auf dem Weg» nimmt die Autorin die Leserinnen und Leser mit auf Streifzüge durch Psychologie, Medizin, Literatur und Geschichte. Dabei erkundet sie die positive Wechselwirkung von Gehen, Denken und Fühlen. Man erfährt, warum wir beim Spazieren kreativer werden, einfacher Probleme lösen können und achtsamer sind. «Spazieren ist zugleich ein Gang in die Welt und ein Gang nach innen.» In Zeiten von Digitalisierung und Erlebnissport wirke Spazieren fast schon anachronistisch. Und genau deshalb sei die Zeit reif, es wieder zu entdecken. In Zeiten von Corona erst recht.

«Ein einfacher Spaziergang kommt uns so selbstverständlich vor, dass wir oft vergessen, welch regenerierende Kraft, Inspiration und kleines Glück uns auf dem Weg erwartet»
Sabine Claus

Weitere Informationen

Autor

  • Rolf Murbach

Beliebte Inhalte