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Ein Büro Zuhause – modern oder veraltet?

    IBM will seine im Homeoffice tätigen Mitarbeiter ins Büro zurückrufen. Und wie ist es hierzulande? Welche Erfahrungen machen grosse Unternehmen mit flexiblen Arbeitsformen?

    Im Frühling erhielten die Mitarbeitenden von IBM eine Videobotschaft, welche das Ende von Homeoffice ankündigte. Die Zukunft der Arbeit finde «Schulter an Schulter» statt, Nähe schaffe Kreativität – das waren die Kernbotschaften, mit denen die Marketing-Chefin Michelle Peluso hunderte von Homeoffice Workern ins Büro zurückrief. In den USA will IBM die rund 2600 Mitarbeiter umfassende Marketingabteilung inskünftig an sechs Standorten konzentrieren. Und es ist geplant, die Massnahme später auch auf andere Unternehmensbereiche und Länder auszudehnen. Diese Absichtserklärung ist insofern erstaunlich, als IBM seit Beginn der 90er-Jahre zu den ersten Verfechtern von mobilen Arbeitsplätzen gehörte. Die Abkehr von Homeoffice propagierte aber bereits ein paar Jahre zuvor Yahoo, und zwar mit ganz ähnlichen Argumenten. Gute Ideen entstünden, wenn Menschen physisch zusammen seien, verkündete Marissa Mayer, die Chefin des Internetkonzerns. Doch reichen zwei prominente Beispiele schon als Beweis für einen neuen Trend? Wie halten es grosse Firmen in der Schweiz mit Homeoffice? Und welche Erfahrungen machen sie damit?

    Entlastung der Umwelt

    Swisscom zum Beispiel: Der Telekom-Anbieter hält es für wichtig, seinen Mitarbeitenden moderne und flexible Arbeitsmodelle anzubieten, die eine gute Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Interessen ermöglichen. Dazu gehört unter anderem auch Homeoffice. «Damit wollen wir einen Beitrag zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit leisten, haben aber auch die Entlastung von Umwelt und Infrastruktur im Auge», sagt Mediensprecherin Sabrina Hubacher. Flexibles Arbeiten entspreche der Firmenphilosophie von Swisscom und stehe den Mitarbeitenden überall dort offen, wo es ihre Tätigkeit zulasse. Mit der Möglichkeit, über alle Hierarchiestufen hinweg flexible Arbeitsformen und -modelle zu gewähren, reagiere Swisscom als Arbeitgeber auf ein zunehmendes Bedürfnis der Mitarbeitenden nach Selbstbestimmung und Flexibilität, welches vor allem bei den jüngeren Generationen einen hohenStellenwert habe. Swisslife hat Anfang 2016 eine für den Standort Schweiz geltende Regelung für regelmässiges Mobile Office eingeführt. Demzufolge können Mitarbeitende einen Teil ihrer Arbeit regelmässig von zu Hause aus oder unterwegs erledigen. Bisher haben laut Mediensprecherin Barbara Störi sechs Prozent eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Sporadisches Arbeiten im Mobile Office sei aber schon länger und auch weiterhin ohne formelle Vereinbarung möglich, das heisst gemäss individueller Absprache zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten.

    Damit wollen wir einen Beitrag zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit leisten, haben aber auch die Entlastung von Umwelt und Infrastruktur im Auge
    Swisscom Mediensprecherin Sabrina Hubacher

    Vorteil bei der Rekrutierung

    Bei PwC sind alle Mitarbeiter mit Laptops ausgestattet und können sich von zu Hause aus oder unterwegs ins System einloggen. Die Soft-Telefonie stellt auch die mündliche Kommunikation sicher. Einen Vorteil von Homeoffice sieht man bei PwC darin, dass die Reisezeiten für Berater im Aussendienst verkürzt werden, wenn sich eine Rückkehr ins Büro nicht mehr lohnt, sagt Sadi Brügger von PwC. Einen weiteren Vorteil von Homeoffice zeigt sich laut der Bank Cler bei der Mitarbeiterrekrutierung. «Wir sind überzeugt, dass Massnahmen wie Homeoffice, Vaterschaftsurlaub oder auch Teilzeitarbeit auf allen Führungsstufen wichtig sind, um qualifizierte Mitarbeitende zu bekommen und langfristig auch zu halten», sagt Natalie Waltmann, Leiterin Kommunikation. Auch bei Canon ist Homeoffice üblich. Neben dem Mitarbeiterbedürfnis stünden dabei auch ökonomische und ökologische Aspekte im Vordergrund, sagt Fabienne Braunschweiler von Cannon Schweiz AG. Das Unternehmen verstehe Homeoffice aber klar als Ergänzung zur Arbeit im Büro. «Der persönliche Austausch im Unternehmen bleibt nach wie vor wichtig», betont sie. «Wir machen sehr positive Erfahrungen mit Homeoffice», sagt Fabienne Braunschweiler. Ein Fazit, das so oder ähnlich alle anderen angefragten Unternehmen bestätigen.

    Unbürokratische Regelungen

    Für Homeoffice gibt es keine gesetzlichen Regelungen. Ob diese spezifische Arbeitsform erlaubt wird oder nicht, hängt von der Firmenkultur sowie von der Tätigkeit und Funktion des jeweiligen Mitarbeitenden ab. Bei Diskussionen zwischen den Beteiligten geht es häufig um die Entschädigung beziehungsweise um die Frage, wie die Benützung der privaten Infrastruktur abgegolten wird. Der Kaufmännische Verband geht in seinen «Empfehlungen zu Homeoffice»  umfassend auf alle möglichen Fragen rund um Homeoffice ein. Bei Swisscom werden die Erlaubnis zu mobilem Arbeiten, die Inhalte und die Dauer formlos zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden vereinbart. «Die Vorgesetzten entscheiden über die Zweckmässigkeit von mobilem Arbeiten. Dabei berücksichtigen sie die Anforderungen der Aufgabenstellung, Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation, die Teamsituation sowie individuelle Verhaltensanforderungen», sagt Sabrina Hubacher. Zur Vereinbarung gehöre die Regelung von Ansprechzeiten, Zuständigkeiten bei Problemen, fixe Teammeetings und Team-Tage). Swisscom stellt den Mitarbeitenden die notwendige Infrastruktur (Laptop, Diensthandy, Mobile ID/VPN, Konferenzdienste) zur Verfügung. Canon hat ein Reglement, welches die Rahmenbedingungen definiert. Bei PwC gibt es kein spezifisches Reglement, jedoch müssen die Bedingungen des Personal-, Arbeitszeit- und Spesenreglements berücksichtigt werden. Die einzelnen Teams stellen in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Bedürfnisse individuelle Regeln auf, wobei es um einzelne Aspekte wie zum Beispiel die Anzahl der Homeofficetage pro Woche beziehungsweise Monat sowie die Erreichbarkeit geht.

    Empfehlungen zu Homeoffice
    In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Arbeitsmodelle entstanden. Dabei fällt auf: Der klassische Achtstundentag kommt immer seltener vor. Treiber dafür ist die Digitalisierung, wobei es auch in der vordigitalen Zeit bereits Ansätze zu einer freieren Arbeitsgestaltung gab.

    Steigende Nachfrage

    Können die befragten Unternehmen die von IBM und Yahoo propagierte Abkehr nachvollziehen, oder ist Homeoffice weiterhin im Trend? «Unserer Meinung nach wird in einer mobilen und zunehmend digitaler werdenden Arbeitswelt der Trend zum Arbeiten ausserhalb des Büroarbeitsplatzes zunehmen», sagt Natalie Waltmann von der Cler Bank. Auch bei Swiss Life werde sich der Trend zu flexibleren Arbeitsformen weiterentwickeln, sagt Barbara Störi. «Die Anzahl der Mitarbeitenden, die regelmässig Mobile Office nutzten ist seit der Einführung leicht gestiegen.» Und Fabienne Braunschweiler von Canon bestätigt: «Wir sehen eine klar steigende Nachfrage und erwarten, dass die Anzahl Mitarbeitende, die Homeoffice nutzen wollen, weiter zunehmen wird. Swisscom wird Homeoffice und andere flexible Arbeitsmodelle laut eigenen Angaben weiterhin fördern, und auch bei PwC sieht man einen Trend zu «tendenziell mehr Homeoffice».

    Modernisierung Arbeitsgesetz

    Die neue Arbeitswelt erfordert eine Modernisierung des Arbeitsgesetzes. 2016 wurden verschiedene Vorstösse im Parlament eingereicht, die mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten fordern. Der Kaufmännische Verband setzt sich in der politischen Diskussion dafür ein, dass diese im Sinne der Angestellten erfolgt. Sie sollen von mehr Flexibilität, mehr Rechtssicherheit und einem besseren Gesundheitsschutz profitieren. Angestellte sollen mit der Revision des Arbeitsgesetzes nicht mehr arbeiten müssen, sondern flexibler entscheiden können, wo und wann sie ihre Arbeit erbringen wollen.

    Unserer Meinung nach wird in einer mobilen und zunehmend digitaler werdenden Arbeitswelt der Trend zum Arbeiten ausserhalb des Büroarbeitsplatzes zunehmen
    Natalie Waltmann von der Cler Bank

    Autorin

    • Therese Jäggi

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