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Erste Pilotrunde für «KV Berufsmaturität Fokus»

    Die Schülerinnen und Schüler der neuen «KV Berufsmaturität Fokus» sind hoch motiviert. Zwei von ihnen äussern sich über ihre ersten Erfahrungen.

    Good Morning. Es ist kurz nach elf Uhr. Die Lehrerin Manon Geimer begrüsst jede Schülerin und jeden Schüler mit einem Händedruck. Es ist ein Montagmorgen im September an der KV Zürich Business School. «Please sit in pairs.» Das Klassenzimmer füllt sich rasch. «Are you ready?» Die Lektion beginnt. Auf die Frage, wer der Besucherin kurz Auskunft geben möchte, warum er oder sie sich für die «KV Berufsmaturität Fokus» entschieden hat und welches seine oder ihre ersten Eindrücke sind, melden sich praktisch alle.

    Mit dem Schuljahr 2019/20 begann im August an der KV Zürich Business School ein neuer Ausbildungstyp. Bei der «KV Berufsmaturität Fokus» handelt es sich um ein neues Modell für die KV-Lehre mit Berufsmaturität, das schweizweit erstmals erprobt wird. Das erste Lehrjahr absolvieren die Lernenden dabei voll und ganz an der Berufsschule, das zweite und dritte überwiegend im Betrieb. In der Pilotklasse sind je 12 Lernende der Credit Suisse und der UBS.

    Erste Prüfungen

    Eine von ihnen ist die 15-jährige Lea Pozarko. Sie hat eben die Resultate ihrer ersten beiden Prüfungen in Deutsch und Französisch erfahren und ist glücklich. Die Noten sind gut, eine davon sehr gut. «Einer der Unterschiede gegenüber vorher ist, dass man sich nicht mehr so selbstverständlich zu den Besten zählen darf, denn in dieser Klasse befinden sich nur gute Schülerinnen und Schüler.» Die Prüfungen hat sie auf ihrem Tablet geschrieben. «Ich war sehr gespannt, wie das funktionieren würde», denn auch das ist neu: «Bring your own device». Das bedeutet: Die Lernenden sind verpflichtet, ihr eigenes Tablet mitzubringen und während des Unterrichts in allen Fächern damit zu arbeiten. Ihre ersten Prüfungsergebnisse hat Lea Pozarko denn auch nicht von der Lehrerin erfahren, sondern konnte diese auf der Lernplattform Moodle abrufen.

    «Nun freue ich mich auf unseren ersten Auslandsaufenthalt», sagt sie. Im ersten Semester geht es für zwei Wochen nach England, im zweiten Semester für ebenso lange nach Frankreich. Die Lernenden besuchen dort eine Sprachschule, und sie wohnen – einzeln oder zu zweit – in einer Gastfamilie. Organisiert wird das alles von der Schule. Die Kosten teilen sich der Lehrbetrieb und die Lernenden untereinander auf.

    Assistenten für Fremdsprachen  

    Sprachen sind einer der Schwerpunkte im ersten Ausbildungsjahr. Je sechs Lektionen pro Woche stehen auf dem Stundenplan.  «Das erfordert eine andere Unterrichtsgestaltung als bei zwei Lektionen pro Woche. Und aus diesem Grund beschäftigen wir in diesen beiden Fächern Sprachassistenten», sagt Christian Wölfle, Rektor an der KV Zürich Business School. Dabei handelt es sich um Personen, die zwar keine Lehrerausbildung haben, aber in Englisch beziehungsweise Französisch verwurzelt sind. Diese arbeiten jeweils mit der Hälfte der Klasse und fokussieren auf Hören und Verstehen, während sich die Fachlehrer mehrheitlich auf Grammatik konzentrieren. In den beiden Fremdsprachen sowie im Fach Information, Kommunikation, Administration (IKA) legen die Lernenden die Abschlussprüfung bereits nach dem ersten Lehrjahr ab.

    Für die vorgezogene IKA-Prüfung brauchte es laut Christian Wölfle eine Bewilligung der Schweizerischen Konferenz der kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen (SKKAB). Die Prüfungen in Französisch und Englisch nach dem ersten Lehrjahr seien gemäss den Rahmenbedingungen kein Problem. Ausserdem legen die Absolvierenden dieselben Prüfungen ab wie diejenigen der herkömmlichen Lehre mit Berufsmaturität, einfach zu einem anderen Zeitpunkt. «Mit der <KV Berufsmaturität Fokus>» fahren wir kein Sonderzügli», betont Christian Wölfle.

    Grosses Interesse

    Was versprechen sich die Banken von der neuen Lehre? Laut Sabine Balmer, verantwortlich für die Nachwuchsförderung bei der Credit Suisse, fallen durch die Digitalisierung viele einfache Arbeiten an der Front, aber auch in den Backoffices weg. «Gleichzeitig erfahren die übrigen Tätigkeiten eine höhere Komplexität und benötigen andere Kompetenzen.» Das erste Lehrjahr an der KV Zürich Business School bereite die Lernenden in Zusammenarbeit mit dem Bankenausbildungsinstitut CYP auf diese neue Welt vor.

    «Mit dem neuen Modell können wir die Lernenden in der Berufsfachschule alters- und entwicklungsmässig weiter reifen lassen», sagt Eliska Vogt, Leiterin Junior Talent Schweiz bei der UBS.  Zudem werde das selbstständige Lernen gefördert. «Mit dem schulischen Rüstzeug im Rucksack und der grösseren Präsenz am Arbeitsplatz im zweiten und dritten Lehrjahr können die Lernenden in der Bank anspruchsvollere Aufgaben übernehmen.» Laut Eliska Vogt ist es zunehmend schwieriger, in allen Regionen geeignete Ausbildungsplätze für das erste Lehrjahr anzubieten. «Mit der <KV Berufsmaturität Fokus> ist es besser möglich, diese Entwicklung abzufedern.»

    Das Interesse sei sehr gross gewesen, sagt Sabine Balmer. «Fast alle Kandidaten und Kandidatinnen, welche das Profil mit Berufsmaturität gewählt hatten, bevorzugten dieses Zeitmodell.»

    «Mit der neuen Lehre schaffen wir eine attraktive Alternative zum Gymnasium», ist Eliska Vogt überzeugt. Sie richte sich vor allem an leistungsstarke Schülerinnen und Schüler mit einer hohen Eigenmotivation und einer positiven Schuleinstellung.

    «Mit dem schulischen Rüstzeug im Rucksack und der grösseren Präsenz am Arbeitsplatz im zweiten und dritten Lehrjahr können die Lernenden in der Bank anspruchsvollere Aufgaben übernehmen.»
    Eliska Vogt, Leiterin Junior Talent Schweiz, UBS

    Positiv überrascht

    Pablo Vonder Mühll ist im Rahmen seines Vorstellungsgesprächs von seinem neuen Arbeitgeber auf die «KV Berufsmaturität Fokus» aufmerksam geworden. Die Idee überzeugte ihn, und als guter Schüler in Mathematik und in den Sprachen verfügte der 16-Jährige über die nötigen Voraussetzungen. «Es ist eine Superklasse, ich bin sehr positiv überrascht», lautet sein Fazit. Er hat Kollegen, welche die herkömmliche Lehre mit Berufsmaturität absolvieren, und er empfindet es als Vorteil, dass er sich voll und ganz auf die Schule konzentrieren kann und sich nicht gleichzeitig auch noch in ein völlig neues Umfeld am Arbeitsplatz einleben muss. Etwas gewöhnungsbedürftig ist für ihn noch, dass er es hier mit viel mehr verschiedenen Lehrpersonen zu tun hat, und wie für Lea Pozarko ist für ihn das Tablet als wichtigstes Arbeitsinstrument neu.

    Notizen auf Papier: Geht das gar nicht mehr? «Das überlassen wir den einzelnen Lehrern. Einige sind da ganz konsequent, andere weniger», sagt Christian Wölfle. Aber das Tablet gehöre zwingend immer dazu. «Es gibt denn auch immer mehr Lehrmittel, die für Tablet-User konzipiert sind.»

    Ausbau möglich

    Wird das Modell im nächsten Jahr ausgebaut? «Ja, das ist gut möglich», sagt Christian Wölfle, auch wenn er nicht davon ausgeht, dass inskünftig alle KV-Lernenden zunächst einmal ein Jahr lang zur Schule gehen werden. «Es wird inskünftig einfach beide Modelle nebeneinander geben.»

    Dieser Meinung ist auch Eliska Vogt. «Junge Talente mit einem KV-Abschluss sind auch künftig auf dem Markt sehr gefragt. Am klassischen Modell der Lehre mit Berufsmaturität, welches bei den Grossbanken seit langem erfolgreich verankert ist, halten wir auch künftig fest.» Anderseits: Sich zuerst schulisch fit zu machen und dann sein Wissen gezielt in der Praxis umsetzen, ist ihrer Meinung nach ein zukunftsträchtiger Ansatz. «Wir werden das neue Modell auch im nächsten Jahr wieder anbieten und sind bereits daran, junge Talente zu rekrutieren.»

    Für Sabine Balmer ist auch ein Ausbau denkbar: «Falls erfolgreich, soll das Modell im nächsten Jahr auf mehr Lernende ausgedehnt werden.» Es können sich auch weitere Banken und andere Branchen beteiligen. Ausserdem sei eine Öffnung in andere Regionen denkbar. Das neue Modell – darin ist sie mit Eliska Vogt einig – werde aber nicht zum Standard werden.

    «Falls erfolgreich, soll das Modell im nächsten Jahr auf mehr Lernende ausgedehnt werden.»
    Sabine Balmer, Verantwortliche für die Nachwuchsförderung, Credit Suisse

    Autorin

    • Therese Jäggi

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