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Homeoffice als Neuland für KV-Lernende

Wenn Lernende im Homeoffice arbeiten, fehlen ihnen die sozialen Kontakte, aber sie lernen auch, selbstständiger zu arbeiten.

Gemeinsame Mittagessen, Pausen oder schnell über den Schreibtisch hinweg eine Frage stellen – dies alles fehlt im Homeoffice. Besonders betrifft dies auch die Lernenden, von denen viele erstmals in ihrem Leben von Zuhause arbeiten. Auch wenn sie an täglichen Onlinemeetings teilnehmen und klare Aufträge erhalten: Sie arbeiten ohne ihre gewohnte Arbeitsumgebung und persönlichen Kontakte und sehen Gleichaltrige nur in der Berufsschule oder im überbetrieblichen Kurs.

Der beiläufige und regelmässige Austausch mit den Arbeitskolleginnen und -kollegen ist auch der Punkt, den die zwei von Context befragten Lernenden am meisten vermissen. Zwar gibt es virtuelle Kaffeepausen mit dem ganzen Team, aber es ist nicht dasselbe, wie sich in echt zu sehen. «Homeoffice für Lernende stellt sicher nicht die idealste Form der Ausbildung dar, da soziale Beziehungen, der Austausch und die Begleitung der Lernenden von zentraler Bedeutung sind», sagt Nina Meier, Projektmitarbeiterin Jugendberatung des Kaufmännischen Verbandes Schweiz.

Gerade im kaufmännischen Bereich sei die Arbeit im Homeoffice für Lernende aber zumutbar und praktikabel, sofern die nötige Infrastruktur dafür vorhanden ist. Eine Herausforderung dieses Ausbildungssettings ist gemäss Nina Meier jedoch die Begleitung und Betreuung der Lernenden: «Aus der Distanz ist es schwierig für einen Berufsbildner oder eine Berufsbildnerin festzustellen und zu bemerken, wenn ein Lernender oder eine Lernende Schwierigkeiten mit einer Aufgabe oder einem Auftrag hat.» Zudem hätten die Lernenden möglicherweise Hemmungen nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstehen.

Selbstmanagement üben

Die individuelle Situation der Lernenden sei dabei relevant. «Für leistungsschwächere Jugendliche ist die Gefahr von Lerndefiziten grösser als für andere», so Nina Meier. Sie weist auch darauf hin, dass der benötigte Betreuungs- und Unterstützungsbedarf zwischen Lernenden im ersten und im dritten Lehrjahr unterschiedlich gross ist. Das heisst: je weiter die Ausbildung vorangeschritten ist, desto selbstständiger sind die jungen Berufsleute. «Ein besonderer Vorteil für die Lernenden liegt sicherlich in der Möglichkeit, sich im selbstständigen Arbeiten und im Selbstmanagement zu üben», erklärt Nina Meier.

«Homeoffice für Lernende stellt sicher nicht die idealste Form der Ausbildung dar, da soziale Beziehungen, der Austausch und die Begleitung der Lernenden von zentraler Bedeutung sind.»
Nina Meier

Das selbstständige Arbeiten schätzt auch Katarina Zabarac (18): Sie erlebt den Wechsel ins Homeoffice in ihrem 3. Lehrjahr als kaufmännische Angestellte bei der Firma Geberit in Rapperswil-Jona. Für dringende Arbeiten geht sie gezielt ins Geschäft, aber der grösste Teil ihrer Arbeit erledigt sie von zu Hause aus. Den Aufwand dabei empfindet sie als etwas höher, als wenn immer eine Person daneben stehen würde.

«Die Arbeit im Homeoffice ist dieselbe», sagt Katarina Zabarac. Da der Arbeitsweg entfällt, spart sie Zeit. Noch viel mehr Zeit spart Luca Abbühl (17), weil das Pendeln zwischen seinem Wohnort im Zürcher Oberland nach Zürich wegfällt. Dort absolviert er bei der Amag Group AG eine Lehre als kaufmännischer Angestellter im 2. Lehrjahr. Durch die neu gewonnene Zeit geht er gern etwas mit seinem Hund raus, um in Bewegung zu bleiben. Auch Katarina Zabarac geht über Mittag gerne an die frische Luft.

Nicht im Trainer arbeiten

Welche Tipps haben die beiden für andere Lernende im Homeoffice? Katarina Zabarac: «Wichtig für eine gute Arbeitsatmosphäre ist, dass man gut eingerichtet ist, auch mit funktionierendem Internet, und einem ruhigen Platz zum Arbeiten hat.» Luca Abbühl hat gute Erfahrungen mit einem selbstgeschriebenen strukturierten Arbeitsplan gemacht, den er mit den Vorgesetzten laufend aktualisiert. Zudem sei es wichtig, auch im Homeoffice am Morgen zur gleichen Zeit anzufangen wie im Büro und nicht gerade im Trainer am Laptop zu sitzen.

Einig sind sich die jungen Berufsleute, dass sie von ihren Arbeitgebern gut für das Homeoffice ausgerüstet wurden, etwa mit einem Geschäfts-Laptop, Headset sowie Tastatur und Maus. Gemeinsam ist ihnen auch, dass beide mehr arbeiten, weil sie am Abend oft nochmals kurz die Mails checken oder eine dringende Arbeit erledigen. Luca Abbühl begrüsst das, weil er die Überzeit später gerne kompensiert. Auch Katarina Zabarac vergisst am Abend manchmal die Zeit und fand es besonders am Anfang schwierig zu sagen: Jetzt ist wirklich Feierabend.

Auf das Zeitmanagement sollte man gemäss Nina Meier ein besonderes Augenmerk legen: «Es ist wichtig, dass die Arbeitszeiten und die Erreichbarkeit klar geregelt sind.» Am meisten freuen sich die beiden Lernenden darauf, irgendwann wieder mit ihren Kolleginnen und Kollegen vor Ort zusammenzuarbeiten. Oder wie es Luca Abbühl ausdrückt: «Allen Mitarbeitenden guten Morgen sagen, wenn ich ins Geschäft komme.»

«Wichtig für eine gute Arbeitsatmosphäre ist, dass man gut eingerichtet ist, auch mit funktionierendem Internet, und einem ruhigen Platz zum Arbeiten hat.»
Katarina Zabarac

Luca Abbühl, kaufmännischer Lernender im 2. Lehrjahr, Amag Group AG, Zürich

«Wenn ich im Homeoffice arbeite, ist die Türe zu meinem Zimmer zu und das private Handy weit weg. Mit meinen Vorgesetzten spreche ich jeden Tag über Videocalls oder normale Calls zu zweit oder zu dritt, wo ich gerade stehe bei der Arbeit. Es ist ein tolles Gefühl, dass die Vorgesetzten einem vertrauen, dass man auch zu Hause gut arbeitet. Aktuell arbeite ich in der HR-Abteilung. Das finde ich sehr spannend, da ich auch die Bewerbungsunterlagen von zukünftigen Lernenden sichten kann. Damit ich die Arbeit im Homeoffice gut erledigen kann, halte ich mich an die abgesprochenen Arbeitszeiten. Oft höre ich über Kopfhörer klassische Musik, um in den Konzentrationsmodus zu kommen. Da meine Eltern ebenfalls im Homeoffice arbeiten, kann ich mit ihnen zu Mittag essen. Durch das Homeoffice spare ich täglich zwei Stunden Arbeitsweg und habe dadurch mehr Freizeit. Im Homeoffice vergesse ich jedoch oft, vom Arbeits- in den Feierabendmodus zu wechseln und einfach meinen Laptop herunterzufahren.»

Katarina Zabarac, kaufmännische Lernende im 3. Lehrjahr, Geberit, Rapperswil-Jona

«Am Anfang war das Homeoffice schon eine Umstellung: Der Arbeitsalltag ist ganz anders. Ich kann etwas später aufstehen und teile das Büro mit meiner jüngeren Schwester, die auch eine kaufmännische Lehre absolviert. Für Online-Sitzungen wechseln wir einfach in einen anderen Raum. Meine Arbeit in der Personalabteilung kann ich gut zuhause machen: Das Telefon wird auf mein Handy umgeleitet, ich bekomme die elektronische und physische Post zugeschickt und habe Zugriff auf alle Onlinedaten. Einmal am Tag tausche ich mich mit meiner direkten Vorgesetzten per Videocall über alle Aufgaben aus. Im Homeoffice überlegt man es sich aber zweimal, bevor man jemanden etwas fragt, weil der Aufwand per Telefon oder E-Mail ein bisschen höher ist. Dies hat den Vorteil, dass man selbständiger arbeitet und zuerst versucht, ein Problem selber zu lösen.»

Veröffentlicht am 11.03.2021

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Autorin

  • Susanne Wagner

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