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Ein betriebliches Altersmanagement und regelmässige Standortbestimmungen stärken die Arbeitsmarktfähigkeit und gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Viele reden von der Situation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, wenige vom Altersmanagement im Unternehmen. Was tun Betriebe, um den Bedürfnissen erfahrener Fachkräfte gerecht zu werden? Wie etabliert sind Standortbestimmung und Karriereplanung? Welches sind die Erwartungen von Angestellten?

Die plattform, die politische Allianz unabhängiger Angestellten- und Berufsverbände (Kaufmännischer Verband, Angestellte Schweiz, Schweizer Kaderorganisation SKO, Zürcher Gesellschaft für Personal-Management ZGP, veb.ch sowie Verkauf Schweiz) hat im letzten Jahr mit einer Umfrage bei ihren Mitgliedern aufgezeigt, wie wichtig es ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer für diese Themen sensibilisiert werden. Weil die Arbeitswelt sich rasant wandelt. Weil vor allem ältere Fachkräfte Gefahr laufen, auf der Strecke zu bleiben. Und weil nur eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der eigenen Laufbahn sowie Weiterbildung die Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten vermag.

Ursula Häfliger ist Geschäftsführerin der plattform und Verantwortliche Politik beim Kaufmännischen Verband. Sie beobachtet die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt seit Jahren und sagt: «Bei älteren Arbeitnehmenden ist die Dringlichkeit des Themas noch zu wenig präsent.» Tatsächlich haben sich viele in ihren Jobs bequem eingerichtet. Tenor – und die vielen Jahre mit fester Anstellung geben ihnen recht: Es geht auch ohne Weiterbildung. Doch eine solche Haltung kann sich rächen. Wer den Job verliert, hat möglicherweise Mühe, wieder eine Stelle zu finden. Gerade in Wirtschaftskrisen, wie in der aktuellen Covid-19 Pandemie, haben es Arbeitnehmende, die noch nicht oder nicht mehr den Anforderungen des Arbeitsmarkts entsprechen, also Berufseinsteiger und ältere Arbeitnehmende, potenziell schwerer, eine Stelle zu finden. Oftmals dauert die Suche bis ein Jahr und länger.

«Bei älteren Arbeitnehmenden ist die Dringlichkeit des Themas noch zu wenig präsent.»
Ursula Häfliger

In Szenarien denken

Ursula Häfliger und andere Experten der plattform plädieren für eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der eigenen Laufbahn – und zwar nicht erst für die Generation 45plus, sondern über die gesamte Karriere hinweg. «Es braucht regelmässige Boxenstopps.» Sich immer wieder fragen: Wo stehe ich? Wie entwickelt sich die Arbeitswelt, insbesondere meine Branche? Wie geht es mir im Job? Welche kurz- und langfristigen Pläne hege ich? Welche Weiterbildungen sollte ich absolvieren, damit ich mit der Entwicklung der Arbeitswelt Schritt halten kann? Und: Was will ich überhaupt? «Man muss aktiv sein, in Szenarien denken und die eigene Karriere in die Hand nehmen.»

Der herkömmliche Karrierebegriff beschreibt eine kontinuierliche Laufbahn. «Heute denkt man vermehrt in Lebensabschnitten. Berufseinsteiger oder Young Professionals etwa legen immer grösseren Wert auf vielseitige Erfahrungen und Flexibilität. In der mittleren Berufsphase ist Planbarkeit oft wünschenswert. Dazu gehören ein gesichertes Einkommen, eine planbare Karriereentwicklung und Weiterbildungen. Im letzten Drittel des Berufslebens geht es dann mehr um die Kür. Menschen entscheiden sich für neue Herausforderungen, wenn diese spannend sind und mehr Zufriedenheit bringen. Hier können auch ganz radikale Karrierewechsel stattfinden», so Ursula Häfliger. 

In der Pflicht stehen aber nicht nur die Arbeitnehmenden. «Auch Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten», sagt Ursula Häfliger. «Firmen sollten Mitarbeitende zur Standortbestimmung motivieren, ihnen aufzeigen, wie wichtig ein regelmässiges Innehalten ist: für eine mögliche Entwicklung innerhalb des Betriebs oder für die nächsten Karriereschritte bei einem anderen Arbeitgeber.» Und sie sollten ein Altersmanagement im Unternehmen etablieren. So könnten sie die Arbeitsmarktfähigkeit ihrer Mitarbeitenden unterstützen: durch Standortbestimmungsangebote, flexible Organisations- und Arbeitsformen sowie eine langfristige Planung der letzten Berufsjahre. Noch wenig verbreitet seien Massnahmen, die den letzten Karriereschritt betreffen, wie zum Beispiel Reduktion der Verantwortung, des Pensums oder des Salärs. «Ein aktives Altersmanagement führt zu gegenseitiger Verbindlichkeit zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden und ist Ausdruck einer wertschätzenden Kultur. Das schafft Vertrauen und fördert Motivation, Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden.»

«Firmen sollten Mitarbeitende zur Standortbestimmung motivieren, ihnen aufzeigen, wie wichtig ein regelmässiges Innehalten ist.»
Ursula Häfliger

Was Betriebe tun müssen

Studien zur Alterung der Gesellschaft und Beschäftigungspolitik zeigen: In der Schweiz besteht dringender Handlungsbedarf im Umgang mit älteren Arbeitnehmenden. Neben der Reform der Sozialwerke sollten Arbeitgebende und Arbeitnehmende dafür sorgen, dass Arbeitskräfte über ihre gesamte Erwerbsbiografie hinweg bis zum Altersrücktritt für die Zukunft gerüstet sind und ihren Altersrücktritt flexibel gestalten können. «Mehr Weiterbildung und betriebliche Massnahmen für ältere Arbeitnehmende sind wichtig», sagt Ursula Häfliger vom Kaufmännischen Verband.

Eine Umfrage der plattform hat allerdings gezeigt, dass die Mehrheit der Unternehmen bis jetzt kein Altersmanagement führt. Die Notwendigkeit eines Altersmanagements ist in der Schweiz offenbar noch nicht erkannt, vor allem bei mittleren und kleinen Firmen.

Die plattform empfiehlt Unternehmen, ob Grossbetrieb oder KMU, ein Altersmanagement einzuführen. Dies kann durchaus kosteneffizient gestaltet werden und ist je nach Bedürfnis und Betriebsgrösse anpassbar. Damit könnten Betriebe ihre Mitarbeitenden beim Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit unterstützen. Die plattform hat dafür den Leitfaden «Smartes Altersmanagement für das Unternehmen 2.0» erarbeitet. Drei Handlungsebenen sind zentral:

Kulturwandel und Werte

Unternehmen müssen ihre Mitarbeitenden und Führungskräfte gleichermassen zum Thema Altersmanagement sensibilisieren. Das Einrichten eines verbindlichen Altersmanagements ist Ausdruck einer wertschätzenden Kultur, was Vertrauen schafft und Motivation, Zufriedenheit sowie die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden fördert.

HR- und Management-Massnahmen

Unternehmen müssen eine diskriminierungsfreie und vorurteilslose Rekrutierung sowie eine gezielte Workforce- und Nachfolgeplanung fördern. Nur so kann einem Verlust von Know-how durch ungewollte Abgänge vorgebeugt und eine gezielte Nachfolgeplanung eingeleitet werden.

Rahmenbedingungen

Unternehmen müssen für eine flexible Arbeitsorganisation und -gestaltung sowie eine bessere Vereinbarkeit von Job und anderen Lebensbereichen sorgen. Auch für das Gesundheitsmanagement sowie eine gemeinsame Planung und Gestaltung des Altersrücktritts sollten individuelle Lösungen entwickelt werden.

Pocketguide «Zweite Halbzeit im Berufsleben»

Wie kann man im mittleren Lebensalter das Berufsleben nachhaltig gestalten? Wie kann ich in der sich rasant verändernden Arbeitswelt die Arbeitsmarktfähigkeit erhalten? Und was heisst: selbstwirksam unterwegs zu sein? Der Pocketguide «Zweite Halbzeit im Berufsleben» des Kaufmännischen Verbands ist Ratgeber, Orientierungshilfe und Arbeitsmittel zugleich. Er soll den Leserinnen und Lesern Denkanstösse geben – bei der beruflichen Orientierung, bei Weiterbildungsentscheiden und bei der Planung der folgenden Berufsjahre.

Aus dem Inhalt: die Multioptionsgeneration 45plus, die Bedeutung der Arbeit in unserer Gesellschaft, die VUCA-Welt: veränderte Anforderungen, Standortbestimmung und Arbeitsmarkt, Nachhaltigkeit in der zweiten Berufshälfte, Bewerbungsstrategien, Netzwerk und Selbstmarketing, Reality-Check, Pensionierung, flexibles Rentenalter und Arbeitslosigkeit im Alter.

Veränderungen antizipieren

Flexibilität ist der Schlüssel zur Gestaltung des Berufslebens. Hilfreich ist, wenn man Veränderungen antizipiert und offen für neue Erfahrungen ist. Wer sich vorstellen kann, wo er oder sie in fünf bis zehn Jahren stehen möchte und entsprechende Massnahmen formuliert, ist im Vorteil. Weil man sich auf ein Ziel hinbewegt. Die plattform empfiehlt älteren Arbeitnehmenden eine kontinuierliche Karriereplanung, zielgerichtete Weiterbildung und eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Altersrücktritt.

Ausführliche Empfehlungen und Tipps für Arbeitnehmende sowie den Leitfaden «Smartes Altersmanagement für das Unternehmen 2.0» findet man auf: die-plattform.ch/altersmanagement

Für eine starke Generation 45plus

Das Berufsleben ab 45 Jahren gestaltet sich für viele Arbeitnehmende schwierig. Ältere Arbeitnehmende sind zwar nicht häufiger arbeitslos als jüngere, sie sind aber überdurchschnittlich lange ohne Job, wenn sie ihre Arbeitsstelle verlieren. So hört man von Betroffenen immer wieder, wie mühsam es für sie ist, eine Stelle zu finden oder sich beruflich neu zu orientieren. Oftmals dauert die Suche bis ein Jahr und länger. Das ist hart, geht an die Substanz und nagt am Selbstvertrauen. Gerade in besonders unsicheren und herausfordernden Zeiten wie Covid-19.

Auch 2021 fokussiert der Kaufmännische Verband deshalb auf Mitglieder, die sich im mittleren Lebensalter befinden und führt sein Jahresthema «work 45plus» fort. Ziel ist es, dass sich ältere Erwerbstätige frühzeitig mit ihrer Karriereplanung auseinandersetzen und sich regelmässig weiterbilden, um für Unternehmen attraktiv zu bleiben oder den Mut zu fassen, nach langer Berufserfahrung nochmals ganz neue Wege zu gehen. Der Kaufmännische Verband bietet bereits heute zahlreiche Produkte und Dienstleistungen speziell für ältere Arbeitnehmende an (Laufbahn- und Karriereberatung, Standortbestimmungen, spezifische Ratgeber, Seminare) und wird sein Angebot nächstes Jahr entsprechend ergänzen.

Veröffentlicht am: 15.09.2020

Aktualisiert am: 19.01.2021

Zur Person

  • Ursula Häfliger

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