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Keine Angst vor dem öffentlichen Auftritt

Viele Menschen meiden öffentliche Auftritte aus Angst vor Versagen. Doch mit etwas Übung und Grundlagenwissen kann man die eigene Wirkung deutlich verbessern.

Einen Vortrag halten, in einer grösseren Runde das Wort ergreifen oder gar im Fernsehen auftreten – für viele bedeutet dies Stress pur. Sie bekommen feuchte Hände, zittern, haben Schweissausbrüche und ein flaues Gefühl in der Magengegend, beginnen hektisch zu atmen und verhaspeln sich bereits bei der Begrüssung. Das Problem ist sehr verbreitet: In einer Umfrage gaben 41 Prozent der Befragten an, dass ihnen das Auftreten vor einer grösseren Anzahl Menschen am meisten Angst bereite.

Doch von dieser Angst sollte man sich nicht lähmen lassen. «Auftreten kann man lernen», sagt Dominik Widmer. Der 35-Jährige ist Moderator bei Radio 24 und kennt das Problem aus eigener Erfahrung. «Vor meinen ersten öffentlichen Auftritten konnte ich oft kaum schlafen und war total nervös», erzählt Widmer. Weil er unbedingt zum Radio und Theater spielen wollte, musste er sich zwangsläufig mit seiner Not auseinandersetzen. Heute gibt der Kommunikationswissenschaftler seine Erkenntnisse in Coachings und Kursen weiter – unter anderem an der KV Business School Zürich, wo er Seminare zum Thema selbstsicheres Sprechen hält*.

Vor anderen üben oder aufzeichnen

Das A und O sei eine minutiöse Vorbereitung, sagt Widmer. Er empfiehlt, die Rede mehrmals vor dem Spiegel zu üben, einer vertrauten Person zu halten oder mit der Kamera aufzunehmen, sich selber zu beobachten und sich dann stetig zu verbessern. Bei einem längeren Vortrag kann es helfen, Stichworte aufzuschreiben, damit man den Faden nicht verliert und in der Aufregung nichts vergisst. Ablesen oder auswendig lernen seien aber nicht zielführend, mahnt Widmer. Vielmehr gehe es darum, die Aussagen zu verinnerlichen, damit man auch bei Fragen oder Unterbrechungen nicht aus dem Konzept gerät. «Man muss sich gut überlegen, was man wirklich mitteilen will.» Eine sinnvolle Übung ist es, die Kernbotschaft in einem einzigen Satz zu kondensieren. Dies lernt man auch in Medientrainings, die zum Beispiel für Politikerinnen und Lobbyisten angeboten werden. Denn je kürzer und präziser sie sich ausdrucken können, desto grösser ist die Chance auf ein Zitat oder Statement.

Diese Regel gelte generell auch für Vorträge, betont der Trainer. «Viele reden zu lang und gehen zu sehr ins Detail.» Gerade Fachpersonen, die ihr Gebiet bestens verstehen, neigen oft dazu, viel zu weit auszuholen und vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen. Es fällt ihnen schwer, sich ins Publikum hineinzuversetzen und ihr breites Wissen dem Level anzupassen, der für die  Zuhörenden relevant, interessant  und verständlich ist. Ein häufiger Stolperstein ist auch, dass man seine Kompetenz demonstrieren will.

«Vor meinen ersten öffentlichen Auftritten konnte ich oft kaum schlafen und war total nervös.»
Dominik Widmer

Aufmerksamkeit gewinnen

Wie gut man die Aufmerksamkeit der Zuhörenden erregen kann, hängt zudem stark von der Struktur des Vortrags ab. Vor allem der Einstieg ist wichtig. Wer mit einer langweiligen Einleitung beginnt oder das Inhaltsverzeichnis herunterleiert, hat einen Teil des Publikums bereits verloren. Der erste Satz sollte ein Knaller sein, etwas Packendes und Emotionales.

Dafür bietet sich etwa die sogenannte Schmerz-Aspirin-Methode an. Ein Beispiel findet sich am Anfang dieses Artikels: Ein Problem wird skizziert (Angst vor dem Auftreten) und eine Lösung in Aussicht gestellt (man kann es lernen). Bei einem mündlichen Referat könnte man den Ansatz sogar noch interaktiv gestalten, indem man fragt: «Wer war noch nie nervös bei einem Vortrag? Wer litt schon unter Herzrasen?»   Damit stelle man gleich eine Verbindung her, erklärt Dominik Widmer. Eine weitere Möglichkeit für einen fesselnden Einstieg sei, eine persönliche Geschichte oder eine Anekdote zu erzählen. «Dadurch wird man als Person greifbar, wirkt authentisch und das Publikum kann sich identifizieren.» Besonders schön sei, wenn man am Schluss nochmals auf diese Geschichte zurückkommt und sie zu Ende erzählt.

Körper und Stimme einsetzen

Doch so gut man sich auch inhaltlich vorbereitet haben mag: Die Worte bilden nur einen kleinen Teil des Auftritts. Denn in der zwischenmenschlichen Kommunikation spielen nonverbale Elemente die weitaus grössere Rolle. Dies hat unter anderem der amerikanische Psychologe Albert Mehrabian aufgrund seiner Studien eindrücklich nachgewiesen. Gemäss der nach ihm benannten Mehrabian-Pyramide sollen ganze 55 Prozent durch die Körpersprache und weitere 38 Prozent durch den stimmlichen und mimischen Ausdruck bestimmt werden. Bleiben also noch ganze 7 Prozent für den Inhalt. Besonders schwierig haben es Botschaften, bei denen die drei Ebenen nicht zusammen passen. Deshalb sei es so wichtig, Ängste abzubauen, erklärt Dominik Widmer. «Nervosität und Unsicherheit lenken vom Inhalt ab. Authentizität hingegen wirkt unterstützend.» Und um dies zu erreichen führe nichts am stetigen Üben vorbei.

«Nervosität und Unsicherheit lenken vom Inhalt ab. Authentizität hingegen wirkt unterstützend.»
Dominik Widmer

7 Tipps für den gelungenen Auftritt

Gut vorbereiten

Üben Sie den Vortrag mehrmals mit Publikum oder Kamera, aber ohne ihn auswendig zu lernen.

Aufwärmen

Lockern Sie ihren Körper, klopfen Sie mit den Händen die Arme, die Beine und die Wangen ab. Bereiten Sie die Stimme mit Lauten wie «blablablabla» und «hähähähä» vor. Machen Sie Grimassen und tasten Sie mit der Zunge Ihre Zähne und Mundhöhle ab. Ist dies unmittelbar vor dem Auftritt nicht möglich, machen Sie diese Übungen früher.

Publikum visualisieren

Schliessen Sie die Augen, spüren Sie den Boden unter den Füssen und atmen Sie ruhig durch. Stellen Sie sich vor, wie ihnen die Leute gespannt zuhören. Sagen Sie sich, dass das alles interessierte, liebenswürdige Menschen sind. Einige Coaches raten bei grosser Auftrittsangst dazu, sich das Publikum splitternackt vorzustellen. Dabei besteht aber die Gefahr, dass man überheblich wirkt.

Klarer Beginn

Wenn Sie bereit sind, gehen Sie nach vorne. Nehmen Sie sich ein paar Sekunden Zeit um anzukommen und Ihren Platz einzunehmen. Finden Sie einen festen Stand und richten den Blick ins Publikum. Suchen Sie der Reihe nach Blickkontakt zu einzelnen Personen – am besten zu jenen, die freundlich und sympathisch wirken. Lächeln Sie.

Dynamisch oder starr?

Einige Redner gehen hin und her und gestikulieren lebhaft, andere verhalten sich eher ruhig. Feste Regeln dazu gibt es nicht. Wichtig ist, dass Sie sich selber bleiben. Wenn Sie bei einer Kamera-Aufnahme feststellen, dass Sie stark fuchteln oder unruhig wirken, versuchen Sie einen Gang runterzuschalten. Wirken sie eher starr, versuchen Sie, Ihre Haltung etwas zu lösen.

Wohin mit den Händen?

Auch hier gibt es kein Richtig oder Falsch. Wenn es passt, darf man sie mal kurz in die Hosentaschen schieben oder in der Taille aufstützen. Hilfreich finden viele, einen Stift in der Hand zu halten.

Powerpoint ja oder nein?

Eine gute Präsentation als Blickfang kann die Aufmerksamkeit unterstützen. Auf keinen Fall sollte man aber den ganzen Inhalt auf die Folien schreiben, sondern höchstens nummerierte Stichworte, welche die Struktur des Vortrags angeben. Besonders hilfreich sind ergänzende Bilder oder humorvolle Comics. Attraktiv wirkt auch, wenn man eine Grafik spontan auf einem Flipchart aufzeichnen kann.

Veröffentlicht am 01.06.2021

Weitere Informationen

Autorin

  • Andrea Söldi

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