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«Man sollte sich auf Veränderungen einlassen»

Mit regelmässigen Weiterbildungen können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die steigenden Anforderungen der Arbeitswelt meistern, sagt Thomas Kölliker.

Welche Trends beobachten Sie in der Weiterbildung?

Thomas Kölliker: Die Pandemie hat der Bildung einen enormen Digitalisierungsschub verliehen. Ob gewollt oder nicht, alle Beteiligten entwickelten ihre digitalen Kompetenzen beim Lehren und Lernen weiter. Heute ist daher in diesem Bereich vieles möglich und wird von den Kundinnen und Kunden akzeptiert oder sogar gewünscht. Sie schätzen die Flexibilität, orts- und zeitunabhängig zu lernen. Präsenzveranstaltungen verschwinden aber nicht von der Bildfläche, und die Erwartung an die Qualität dieser Veranstaltungen wird zunehmen. Kunden überlegen sich in Zukunft genau, bei welchen Themen sie noch vor Ort lernen wollen.

Welche Weiterbildungsnachfrage nehmen Sie wahr?

Die Nachfrage nach individueller, modularer und kürzerer Weiterbildung ist stark vorhanden. Interessierte wünschen sich eine Weiterbildung, die auf ihre aktuelle berufliche Situation zugeschnitten ist. Heute sind kürzere Weiterbildungen gefragt. Dies hat mit der schnellen Veränderung der Arbeitswelt zu tun. Wissen ist schnell einmal überholt; Berufsbilder verändern sich, es werden in immer kürzeren Abständen neue Kompetenzen verlangt. Das zeigte uns Corona eindrücklich auf. Dies hat zur Folge, dass Berufsleute regelmässig kompakte Weiterbildungen absolvieren, im Sinne des lebenslangen Lernens. Eine weitere Veränderung stellen wir zunehmend bei den Weiterbildungstagen fest. Früher besuchten Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorwiegend Abendkurse, oft auch samstags. Heute konstatieren wir einen steigenden Bedarf an Tageskursen.

Womit hat das zu tun?

Das Privatleben soll weniger tangiert werden, Weiterbildungswillige wollen bei der Freizeit keine Abstriche machen. Sie können sich dies offenbar auch leisten.

Sind längere Weiterbildungen ein Auslaufmodell?

Nein. Nach der Grundbildung benötigt es heutzutage einen weiteren Kompetenzaufbau in der Breite. Zum Beispiel an einer höheren Fachschule oder einer Fachhochschule. Die Kombination mit dem Berufsleben ermöglicht es, dass man aus Wissen Können generiert. Mit diesen erweiterten Grundkenntnissen, gekoppelt mit längerer Berufserfahrung, besucht man später punktuelle Weiterbildungen, welche für die aktuelle Tätigkeit im Job gefragt sind. Arbeitskräfte übernehmen zum Beispiel Projektverantwortung und bereiten sich vorgängig in einem spezifischen Kurs darauf vor.

«Heute sind kürzere Weiterbildungen gefragt. Dies hat mit der schnellen Veränderung der Arbeitswelt zu tun. Wissen ist schnell einmal überholt.»
Thomas Kölliker

Welche Weiterbildungen sind an der WKS besonders gefragt?

Im Moment verzeichnen wir einen Aufschwung des dreijährigen Studiums an der Höheren Fachschule für Wirtschaft, einer klassischen, praxisorientierten Generalistenausbildung. Beliebt sind auch die Vorbereitungskurse auf den Fachausweis Sozialversicherung oder Technische Kaufleute, weitere traditionelle KV-Weiterbildungen. Nach wie vor sind Fachausweise in vielen Spezialisierungen gefragt. Wie das in Zukunft sein wird, ist allerdings schwer abzuschätzen, weil sich die Berufswelt und auch die Weiterbildungslandschaft aufgrund der digitalen Transformation zurzeit stark verändert. Die höheren Fachprüfungen wiederum haben abgesehen von wenigen Ausnahmen bereits heute einen schweren Stand, da sie in Konkurrenz zu den Fachhochschulen stehen.

Wie reagieren Sie als Weiterbildungsanbieter auf die schnellen Veränderungen der Arbeitswelt?

Wir sind in Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, ziehen bei der Konzeption von Weiterbildungen Beiräte bei und sind präsent an Veranstaltungen von KMU. Zudem können wir mit unseren Zertifikatsweiterbildungen schnell auf Veränderungen reagieren. Diese Abschlüsse sind zwar nicht gleichermassen anerkannt wie eidgenössische Diplome, dafür entsprechen sie genau den Bedürfnissen der Wirtschaft und fokussieren eine konsequente Umsetzungsphilosophie – tun, tun, tun. Schliesslich garantieren unsere Referentinnen und Referenten einen hohen Praxisbezug – mehrheitlich Berufsleute mit grosser Erfahrung. Grundsätzlich gilt: Wir müssen auf die massiven Veränderungen der Berufswelt reagieren, und zwar in der Grund- und in der Weiterbildung. Denn es sind zunehmend erweiterte Kompetenzen gefragt.

Eine Reform der kaufmännischen Grundbildung steht an.

Eine Reform ist unerlässlich. Gerade im kaufmännischen Bereich sind aufgrund der digitalen Transformation viele einfachere Jobs gefährdet. Die Berufe werden anspruchsvoller und setzen andere Kompetenzen voraus. Verschiedene Studien zu den Auswirkungen der Digitalisierung haben ja gezeigt, in welche Richtung sich die Jobs entwickeln und welche Kompetenzen künftig zunehmend gefragt sein werden: Problemlösekompetenzen, agiles Projektmanagement, Kommunikationsfähigkeit, Sozialkompetenzen, insbesondere Kollaborationskompetenzen, Selbstkompetenzen wie Veränderungskompetenz, Resilienz oder der Umgang mit neuen Technologien. Auch wenn die Diskussion in den Medien zum Teil etwas alarmistisch abläuft und man beim besten Willen nicht voraussagen kann, ob nun im Zuge der digitalen Transformation mehr Jobs vernichtet als geschaffen werden, so ist es wichtig, dass Anpassungen in Aus- und Weiterbildung möglichst schnell weiter fortschreiten. Erschwerend ist, dass die Reformprozesse etwas träge sind. Veränderungen benötigen Zeit, weil viele Player und Interessen involviert sind.

«Wir müssen auf die massiven Veränderungen der Berufswelt reagieren, und zwar in der Grund- und in der Weiterbildung. Denn es sind zunehmend erweiterte Kompetenzen gefragt.»
Thomas Kölliker

Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf den Weiterbildungsalltag?

Die Digitalisierung ist Mittel zum Zweck. Es geht nicht darum, Weiterbildung komplett ins Netz zu verlagern. Aber die Inhalte müssen online verfügbar sein. Nach Corona wird der Bedarf an hybriden Settings bleiben. Die Menschen wollen jederzeit und von überall her darauf zugreifen können. Sie entscheiden sich bewusster, ob sie anreisen oder an einem Abend von zu Hause den Unterricht mitverfolgen.

Wissen eignen sie sich vermehrt individuell und online an. Hier kommen zunehmend andere Kanäle und Medien zum Einsatz. Denken wir nur an die vielen Lern- und Erklärvideos oder an die attraktive Wissensaufbereitung durch Gamification. Wir müssen dadurch unsere Unterrichtsformen weiterentwickeln hin zu konsequenten Blended-Learning-Settings. Im Präsenzunterricht haben wir dann mehr Zeit für den Austausch, die Vertiefung von Lerninhalten und die Besprechung von Cases. Lernen bleibt ein sozialer Akt, muss aber selber konstruiert werden. Auf dem Rückzug ist der klassische Frontalunterricht.

Weiterbildung zeigt dann Wirkung, wenn Teilnehmerinnen und Teilnehmer motiviert sind.

Ein wichtiger Punkt. Wir versuchen unsere Angebote so zu gestalten, dass wir die Motivation von Weiterbildungsabsolventen stärken können. Lernen ist bei vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aufgrund der schulischen Erfahrungen mit negativen Gefühlen, Angst zum Beispiel, behaftet. Lernen soll aber Freude bereiten und nicht nur als Pflicht wahrgenommen werden. Dies ist besonders wichtig, weil lebenslanges Lernen unterdessen unerlässlich ist. Zudem wollen wir die Veränderungskompetenz von Berufsleuten stärken. Sie ist zentral, um in der Arbeitswelt 4.0 zu bestehen. Viele Menschen übernehmen in relativ kurzen Abständen neue Aufgaben, arbeiten in anderen Teams zusammen oder müssen sich auf neue Systeme einlassen. Das ist nur möglich, wenn sie sich nicht gegen Veränderungen sträuben und auf neue Situationen einlassen.

Wie fördern Sie die Veränderungskompetenz?

Mit Angeboten, bei denen die Transformation im Zentrum steht. Die digitale Transformation schreitet unablässig voran und hat Auswirkungen auf die Berufe. Dies löst bei Arbeitnehmern teilweise Ängste aus, auch weil Arbeitsplätze tatsächlich verschwinden. Andererseits birgt die Digitalisierung auch Chancen: Langweilige Arbeiten fallen weg und werden durch spannende Aufgaben ersetzt. Wir zeigen das auf und bieten Weiterbildungen an, die es den Arbeitnehmern ermöglichen, die gestiegenen Anforderungen zu meistern, sofern sie sich auf den Wandel einlassen. Mit unserem Angebot Orientierung und Begleitung unterstützen wir Personen bei Bedarf individuell, um in diesen herausfordernden Zeiten Klarheit zu gewinnen respektive Möglichkeiten gemeinsam zu finden, die ihren Interessen entsprechen.

Was ist wichtig bei der Wahl einer Weiterbildung?

Ich muss wissen, welches meine Bedürfnisse und Ziele sind. Welchen Nutzen will ich aus einer Weiterbildung ziehen? Und kann ich das Gelernte im Job dann auch anwenden? Zudem ist das Zeitmodell wichtig. Wie kann ich Beruf, Weiterbildung und Freizeit vereinbaren? Schliesslich würde ich darauf achten, welchen Ruf ein Bildungsunternehmen hat, wie modern es ist und was die Referentinnen und Referenten auszeichnet. Ein bewährtes Mittel, dies zu erfahren, ist der Kontakt zu ehemaligen Lehrgang- und Seminarteilnehmenden.

Veröffentlicht am: 01.06.2021

«Nach Corona wird der Bedarf an hybriden Settings bleiben. Die Menschen wollen jederzeit und von überall her darauf zugreifen können. Sie entscheiden sich bewusster, ob sie anreisen oder an einem Abend von zu Hause den Unterricht mitverfolgen.»
Thomas Kölliker

Zur Person

  • Thomas Kölliker

    Leiter Weiterbildung der WKS KV Bildung in Bern.

Weitere Informationen

Autor

  • Rolf Murbach

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