Seitennavigation & Suche

Recruiter lieben Linkedin

    Social-Media-Netzwerke mausern sich zunehmend zum Rekrutierungstool. Treiber für die Entwicklung sind die hohe Präsenz der Berufstätigen auf Linkedin und Xing sowie das Aufkommen von Matching-Apps.

    Dass die Schweizer Wirtschaft in Zukunft ihre Stellen nicht mehr nur auf Jobbörsen platziert oder für Kaderstellen einen Headhunter engagiert, sondern stärker Linkedin und Xing nutzt, ist laut Andreas Koloska wahrscheinlich: «Social-Media-Kanäle sind bei der Rekrutierung die Zukunft», ist der Inhaber der Basler Firma Socialmediacoach überzeugt. Koloska berät zum einen KMU bei der Implementierung und Schärfung ihrer Social-Media-Aktivitäten. Andererseits schult er Arbeitslose beim Erstellen ihrer Online-Profile. «Schon als ich vor ein paar Jahren noch in der Leitung einer Marketingagentur tätig war, fiel auf, dass der Erstkontakt bei Kaderstellen fast immer über Linkedin zustande kam», so Koloska. In der Zwischenzeit habe die Nutzung von Linkedin und Xing weiter zugelegt, und seit wenigen Wochen offeriert auch Facebook eine Jobbörse. Besonders mittelgrossen Firmen rät der Coach, ihre Stellen auf Linkedin zu posten und dort auch aktiv nach potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten zu suchen.

    Obwohl er Social Media als Revier für die Kandidatensuche für unverzichtbar hält, vollumfänglich auf spezifische Jobportale und Inserate verzichten könnten nur Firmen in IT-affinen Branchen, so Koloska. Für Wirtschaftszweige in einem weniger technischen Umfeld sei die digitale Durchdringung noch ungenügend. Ansonsten laufe man Gefahr, den Wunschkandidaten zu verpassen. «Die Schweiz hinkt dem Umland diesbezüglich noch zwei Jahre hinterher, mittelfristig wird sich aber immer mehr auf diesen Social-Media-Plattformen abspielen.» Erst recht eine rosige Zukunft prognostiziert er Matchingportalen wie Yooture (siehe auch weiter unten) oder dem US-Pendant Ziprecruiter.

    «Schon als ich vor ein paar Jahren noch in der Leitung einer Marketingagentur tätig war, fiel auf, dass der Erstkontakt bei Kaderstellen fast immer über Linkedin zustande kam»
    Andreas Koloska

    Ehrlichkeit zahlt sich aus

    Stellensuchenden empfiehlt Koloska, mit Linkedin zu starten, das in der Schweiz mit 2,1 Millionen Nutzern gegenüber Xing (0,9 Millionen) klarer Marktführer ist. Grund für den deutlichen Vorsprung des US-Portals hierzulande ist die starke Stellung von globalen Playern wie Novartis und UBS mit zahlreichen Beschäftigten aus dem angloamerikanischen Raum. Menschen mit Lust auf Neues rät der Experte, kontinuierlich am Profil zu feilen und private Postings nicht mit beruflichen zu mischen.

    Ein Vorteil der Profile gegenüber einem konventionellen Lebenslauf sei, dass das eigene Netzwerk die Kompetenzen bestätigen könne – «die Schwarmintelligenz wird so zur Referenz». Wichtig sei auch, das Profil aktuell zu halten und berufliche Meilensteine zu vermerken. Lücken im Lebenslauf sollten aus Sicht von Koloska selbstbewusst benennt werden: «Heute sind solche Brüche nicht mehr so unüblich und Umschreibungen wie ‚Reise‘ oder ‚Sabbatical‘ werden meist akzeptiert.» Flunkereien oder Aufschneidereien hingegen haben im elektronischen Zeitalter kurze Beine. Neidische Kollegen oder der ehemalige Chef lesen mit – und können mit einem Klick eine erfolgversprechende Bewerbung zunichtemachen.

    Es gibt auch Vorbehalte

    Fachärzte, Psychotherapeutinnen oder Consultants in der Entwicklungszusammenarbeit: Beim Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) müssen immer wieder Nischenfunktionen besetzt werden. Die ungenügenden Möglichkeiten einer Spezialisierung seien mit ein Grund, warum die HR-Abteilung des SRK weder Xing noch Linkedin nutzt, um an potenzielle Kandidaten zu kommen, sondern auf brancheninterne Plattformen wie Cinfo.ch und Fachzirkel setzt. «Es kommt aber vor, dass unsere Mitarbeitenden in ihrem eigenen sozialen Netzwerk auf vakante Stellen aufmerksam machen», so SRK-Sprecherin Katharina Schindler. Generell böten die hinterlegten Profile gegenüber den Bewerbungen, die im Rahmen von Ausschreibungen eingingen, keinen Vorteil. Denn bei Online-Profilen erweise sich der Aufwand für Recherche und gezielte Rückfragen an die Interessentinnen und Interessenten als zu gross. Vorläufig verzichtet das SRK auch darauf, das Matching-Portal Yooture zu nutzen, und begründet dies mit dem hohen Bekanntheitsgrad des SRK: «Als prominente Non-Profitorganisation geniessen unsere Ausschreibungen auf den Stellenportalen hohe Beachtung.» Im Allgemeinen erhalte man deshalb – Fachkräftemangel hin oder her – genügend qualifizierte Bewerbungen.

    Online-Recherche braucht Zeit

    Martina Boron, Vorsteherin des kantonalen Personalamts des Kantons Thurgau, ist hingegen angetan von den Optionen, die Social Media beim Recruiting bieten. Eine kantonale Verwaltung sei heterogen und komplex. Entsprechend vielfältig präsentierten sich die Stellenprofile. «Gerade in Nischenberufen ergeben die elektronisch hinterlegten Profile Sinn.» Bei herkömmlichen Ausschreibungen sei der Rücklauf häufig mager. «Gleichzeitig verstreicht viel Zeit und es kann zu langen Vakanzen kommen», so die Amtsleiterin. Würde man sich selbst aktiv in den Netzwerken auf die Suche machen, könnte das teilweise das Inserieren ablösen. «Allerdings setzt ein solches Vorgehen voraus, sich intensiver digital zu vernetzen und für diese Online-Recherche bewusst Arbeitszeit einzusetzen.»

    Alpiq pflegt zwar eine Linkedin-Präsenz und postet dort auch offene Stellen. Der Energiekonzern setzt die Plattform aber insbesondere zur Unternehmens- und Markenkommunikation ein. «Zudem nutzen wir den Eintrag, um den Traffic auf die firmeneigene Webseite zu erhöhen», erklärt Alpiq-Sprecher Guido Lichtensteiger. Die Einträge in Linkedin hätten gegenüber konventionellen Bewerbungen den Vorteil, dass die Profile einheitlicher gestaltet und deshalb besser vergleichbar seien.

    Werbung kann ins Geld gehen

    Ein Bremsklotz für den Siegeszug der Berufsportale ist möglicherweise nicht nur ihre zu geringe Präsenz im Alterssegment ab 45, sondern auch die hohen Kosten, wie das Beispiel des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) zeigt: Eine der beiden erwähnten Plattformen hatte dem Verband vor einigen Monaten offeriert, alle offenen Stellen zu einem Pauschalpreis von jährlich 25 000 Franken auf ihrem Stellenmarkt auszuschreiben. Das hätte für das SRK eine Verdoppelung der Online-Ausschreibungskosten bedeutet. SRK-Personalleiter Kurt Buntschu hatte denn auch dankend abgelehnt: «Es ist für uns finanziell nicht interessant, zusätzlich zum Standardauftritt auf jobs.ch weitere Online-Kanäle zu eröffnen und damit wahrscheinlich keine nennenswert grössere Reichweite zu erzielen.»

    • Eine Matching-App macht Furore

      Wie gross sind meine Chancen auf dem Stellenmarkt? Auch Berufstätige, die nicht aktiv nach einer neuen Herausforderung suchen, dürften sich diese Frage mitunter stellen. Nach dem Vorbild von Partnervermittlungsplattformen können sie dies jetzt mit der App des Matching-Portals Yooture überprüfen: Sie hinterlegen ein Profil, das ähnlich aufgebaut ist wie jenes von Xing oder Linkedin, und warten darauf, dass sie von personalsuchenden Firmen kontaktiert werden. Selbstverständlich können sie sich auf der Plattform auch selbst auf die Suche machen. «Nach einer Pilotphase mit 40 ausgewählten Firmen sind wir jetzt daran, neue Unternehmen zu gewinnen», erklärt Martin Scherrer, einer der drei Gründer und Inhaber des Zürcher Unternehmens. Der Vorteil des Jahresabos: Die offenen Stellen dieser Firmen werden prominenter dargestellt als die gut 100 000 übrigen Anzeigen, die Yooture von anderen Plattformen übernimmt. Vor allem aber schlägt Yooture den Firmen Kandidaten vor, deren Profil sich mit dem ausgeschriebenen Job möglichst deckt. Die drei Firmeninhaber haben offenbar eine Marktlücke entdeckt: 300 000 Mal wurde die App bereits heruntergeladen.

    • Pieter Poldervaart

    Beliebte Inhalte