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Bereits während der obligatorischen Schulzeit wird es für Jugendliche ernst: Sie müssen die verschiedenen Berufsbilder kennenlernen und benötigen dafür ausreichend Zeit. Schnupperlehren sind dabei eine grosse Hilfe. Doch werden solche während der Corona-Pandemie überhaupt durchgeführt? Nina Meier vom Kaufmännischen Verband empfiehlt die Durchführung von Schnupperlehren, auch wenn diese in ungewohnter Form stattfinden. Der Nutzen für Jugendliche und Unternehmen überwiegt.

Ein Jahr vor Lehrbeginn startet die heisse Phase der Lehrstellensuche. Am 1. August des letzten Schuljahres beginnt die offizielle Lehrstellenausschreibung für den Abschlussjahrgang. Es gilt sich dann auf die Wunschstelle zu bewerben und potenzielle Arbeitgeber von seinen Fähigkeiten zu überzeugen. Davor ist es wichtig, dass Jugendliche ohne Selektionsdruck den Prozess der Berufsfindung durchmachen können (siehe Infobox). Dazu gehört das Auseinandersetzen mit den Anforderungen der verschiedenen Berufsausbildungen und das Kennenlernen der Berufe. Schnupperlehren sind ein wichtiger Pfeiler dieser Phase. Sie erlauben den Schüler/innen Einblicke in verschiedene Berufsfelder zu erhalten und bilden die Basis für eine fundierten Berufswahl. Dabei ist das keine leichte Aufgabe und jeder und jede, die sich mit dieser Entscheidung konfrontiert sah, weiss über die Tragweite der Entscheidung. Im Jahr 2021 wird die Berufsfindung durch einen zusätzlichen Faktor erschwert: Die Covid-19-Pandemie. Viele Unternehmen zeigen sich zurückhaltend beim Thema Schnupperlehre. Auch verkompliziert im kaufmännischen Bereich die Homeoffice-Pflicht die Durchführung von klassischen Schnupperlehren. Es gibt aber durchaus kreative Wege, um das Problem zu umgehen. Wie sich die Phase der Berufsfindung für die Jahrgänge gestaltet, welche im August 2022 ihre Lehre antreten sollen, erklärt Nina Meier, Projektmitarbeiterin Grundbildung & Jugendberatung beim Kaufmännischen Verband, im Interview.

Weshalb ist es sinnvoll für Jugendliche Schnupperlehren zu absolvieren?

Nina Meier: Durch Schnupperlehren erhalten Jugendliche einen wichtigen Einblick in den Alltag eines Berufsfelds. Die dabei gesammelten Eindrücke erlauben es ihnen die Entscheidung für eine Ausbildung zu treffen. Die oftmals zwischen einem halben und drei Tagen dauernden Schnupperlehren vermitteln dabei ein besseres Bild als blosse Berufsbeschriebe. Es bietet sich daher an Schnupperlehre in Berufsfeldern zu absolvieren, welche es in die engere Auswahl geschafft haben. So kann der eigene Berufsentscheid fundiert getroffen werden.

Im kaufmännischen Bereich ist die Schnupperlehre leider seit Jahren rückläufig, obwohl sie nach wie vor wichtig ist für den Berufswahlprozess. Auch im eigentlichen Rekrutierungsprozess kommen ähnliche Formate zum Einsatz: Dort dient es dann als Selektionspraktika, um die Eignung einer Person für eine KV-Lehre zu überprüfen. Für diese Funktion ist es eindeutig das beste Instrument.

«Die oftmals zwischen einem halben und drei Tagen dauernden Schnupperlehren vermitteln dabei ein besseres Bild als blosse Berufsbeschriebe.»
Nina Meier

Wie können Schnupperlehren während einer Pandemie und Homeoffice-Plicht aussehen?

Zurzeit gilt nach wie vor das Gebot der Reduktion von physischen Kontakten. Es bieten sich daher auch Schnupperlehren, welche online stattfinden an. So hat zum Beispiel die Migros, ein Sozialpartner des Kaufmännischen Verbands Schweiz, mit diesem Modell bereits gute Erfahrungen gesammelt. Ebenfalls sind Schnupperlehren vor Ort umsetzbar, sofern das betriebliche Schutzkonzept vollständig eingehalten werden kann. Aufgrund von bestimmten Arbeitsabläufen werden einige Berufsbildner/innen hin und wieder im Büro anwesend sein. Solche Tage bieten sich für klassische Schnupperlehren an.

Die Pandemie hat dennoch einiges bewirkt bezüglich Schnupperlehren. So haben wir über unsere Fachgruppe «wbp – Wir Berufs- und Praxisbildner/innen» einige kreative Beispiele erhalten, wie solche Tage gestaltet werden können. So wurden beispielweise Videofilme über Unternehmen angefertigt, in welchem die bestehenden Lernenden die Aufgaben und Prozesse erklärten. In anderen Lehrbetrieben wurden den Schnupperlernenden Aufgaben zugestellt, welche Arbeitsszenarien nachahmten. Diese mussten später präsentiert werden und die Jugendlichen erhielten ein realistisches Feedback. So wurde ein vertiefter Einblick in den Arbeitsalltag gewährt.

Als zusätzliche Unterstützung bei der Berufsinformation haben die Berufsberatungsstellen (BIZ) die Seite «Berufe kennenlernen in Zeiten von Covid-19» aufgeschaltet. Dort werden alternative Möglichkeiten zur klassischen Schnupperlehre aufgezeigt und entsprechende Links angegeben.

Gehen durch solche Ausgestaltungen einer Schnupperlehre nicht wichtige Inhalte verloren?

Es ist natürlich schwieriger eine zwischenmenschliche Vertrauensbeziehung auf Distanz aufzubauen. Ebenso erschwert ein virtueller Schnuppertag das Kennenlernen von zukünftigen Teammitgliedern. Nichtsdestotrotz erachten wir den Mehrwert einer Schnupperlehre als gegeben an. Es kann nach wie vor ein guter Eindruck des Arbeitsalltags vermittelt werden.

«Es ist natürlich schwieriger eine zwischenmenschliche Vertrauensbeziehung auf Distanz aufzubauen. Nichtsdestotrotz erachten wir den Mehrwert einer Schnupperlehre als gegeben an.»
Nina Meier

Gestaltet sich die Suche nach Lernenden für Unternehmen schwieriger, wenn sie keine Schnupperlehren anbieten?

Lehrstellenrekrutierung war und ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Unternehmen müssen die für Beruf und Betrieb passenden zukünftigen Lernenden finden und für sich gewinnen können. Angesichts der immer noch eher geringen Schülerzahlen befinden sich die Lehrbetriebe in Konkurrenz um zukünftige Fachleute. Die Pandemiesituation übt hier sicherlich zusätzlichen Druck auf die Unternehmen aus. Aber: Alleine wegen der aktuellen Schnupperlehr- und Rekrutierungssituation gehen wir nicht davon aus, dass Lehrstellen nicht besetzt werden. Denn: Die Lehrbetriebe zeigen sich engagiert und innovativ in der Lehrstellenrekrutierung. Es gibt sogar Lehrbetriebe, die bewusst mehr Lehrstellen vergeben, um mehr Jugendlichen eine Berufsausbildung zu ermöglichen.

Werden aufgrund der fehlenden Schnupperlehren mehr Lehrabbrüche erwartet?

Es ist schwierig hierzu Prognosen zu machen. Können Schnuppermöglichkeiten nicht oder nur eingeschränkt angeboten werden, fehlt eine Dimension des sich Kennenlernens vor Lehrvertragsunterzeichnung. Es ist denkbar, dass sich Betriebe daher für Probezeitverlängerungen entscheiden. Dies ist zum aktuellen Zeitpunkt allerdings eine Spekulation. Ob die Pandemiesituation zu mehr Lehrvertragsauflösungen führen wird, ist noch nicht abschätzbar. Es fehlen die Erfahrungswerte.

Bessere Rahmenbedingungen für junge Berufseinsteiger

Junge Berufseinsteiger trifft die Corona-Pandemie besonders hart: Unternehmen schreiben weniger Lehr- und Arbeitsstellen aus und der Berufsalltag hat sich vermehrt ins Home- bzw. Remote Office verschoben. Damit jungen Menschen der Einstieg in den Arbeitsmarkt gelingt und sie ausreichend Praxiserfahrung gewinnen können, hat der Kaufmännische Verband konkrete Tipps für die Stellensuche sowie mögliche Zwischenlösungen (Weiterbildung, Berufspraktika...) auf seiner Website zusammengetragen. Im Rahmen unserer Jugendberatung stehen wir Betroffenen ausserdem aktiv zur Seite. Auch auf politischer Ebene macht sich der Verband für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für junge Berufseinsteiger stark.

Im Rahmen der parlamentarischen Frühjahrssession hat Daniel Jositsch, Präsident des Kaufmännischen Verbands, im März 2021 einen neuen Vorstoss in Bundesbern eingereicht. Mit dem Postulat für mehr Fairness bei der Lehrstellenausschreibung und -vergabe wollen wir erreichen, dass junge Menschen trotz Wirtschaftskrise genügend Zeit haben, sich mit den verschiedenen Berufsausbildungen auseinanderzusetzen und die Berufe u.a. durch Schnupperlehren (alternativ auch Online) besser kennenlernen können. Auch die (Weiter-)Beschäftigung von jungen Lehrabgängern steht im Fokus. Dafür werden wir uns u.a. auf die Erkenntnisse unserer neuesten Lehrabgänger/innen-Umfrage (LAU) stützen, welche die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf junge KV-Lernende analysiert.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist ein Thema, welches der Verband bereits letztes Jahr intensiv verfolgt hat: So wurde das Postulat, mit dem wir die Berufserfahrung von arbeitslosen Lehrabgänger/innen in der Corona-Krise stärken wollen, im September 2020 im Ständerat angenommen. Die gleichzeitig eingereichte Motion zur Errichtung eines Fonds zur (Weiter-)Beschäftigung von Lehrabgängern wurde leider abgelehnt. Der Kaufmännische Verband wird sich weiterhin für die konsequente Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einsetzen. Nicht zuletzt, da sich die Auswirkungen der Corona-Krise noch über einige Jahre hinziehen könnten. Wir müssen jetzt in die Generation von morgen investieren.

kfmv.ch/berufseinstieg

Veröffentlicht am: 10.04.2021

«Alleine wegen der aktuellen Schnupperlehr- und Rekrutierungssituation gehen wir nicht davon aus, dass Lehrstellen nicht besetzt werden.»
Nina Meier

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Autor

  • Andri Rizzi

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