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Selbstkompetenz: die innere Motivation finden

Wenn wir Dinge vor uns herschieben, statt sie anzupacken, können kleine Kniffs helfen. Manchmal ist aber auch eine grundlegende Betrachtung angesagt.

Nur noch schnell einen Blick auf Facebook werfen. Ein wenig mit der Kollegin plaudern. Und sogar das Pult aufräumen erscheint jetzt plötzlich ganz wichtig. Wenn eine ungeliebte Aufgabe ansteht, finden wir oft tausend Gründe, sie nicht sofort anzupacken. Meist erledigen wir sie dann irgendwann trotzdem, weil wir sonst unweigerlich in grössere Schwierigkeiten geraten.

Es ist normal, nicht dauernd motiviert zu sein

Gelegentliche Motivationstiefs seien normal, sagt Wirtschaftspsychologe Christian Grütter. «Ein Job, der zu 100 Prozent Freude macht, ist wohl eine Illusion. An jeder Arbeitsstellte gibt es Dinge, die einfach sein müssen.» Der grösste Motivationskiller sei generell die Bürokratie, die stetig zunimmt und in vielen Branchen bereits einen beträchtlichen Teil der Arbeitszeit auffrisst. In seinen Workshops zum Thema Selbstkompetenz und Selbstmanagement, die er unter anderem an der KV Business School Zürich abhält, betrachtet Grütter mit den Teilnehmenden, wie sie ihr berufliches und privates Leben gestalten können, um leistungsfähig, motiviert und gesund zu bleiben.

To-do-Listen: Erledigtes abstreichen befreit

Zu einem Teil geht es in den Seminaren um konkrete Arbeitstechniken, die das Zeitmanagement erleichtern. Zum Beispiel regt Grütter an, eine To-Do-Liste zu führen, Prioritäten zu setzen, Termine und grössere Arbeiten in der Agenda einzutragen und Erledigtes abzustreichen. Denn das Sichtbarmachen eines schrumpfenden Pendenzenbergs wirke befreiend. So banal der Tipp tönen mag – für viele sei das gar nicht so selbstverständlich, weiss der Coach. Zwar garantiere eine effiziente Arbeitstechnik noch keine gute Motivation, hingegen könne einem eine untaugliche Technik das Arbeiten gründlich verleiden.

Stärken erkennen und Mitarbeitende gezielt einsetzen

Zu einem anderen Teil will der Workshop-Leiter die Teilnehmenden zum grundlegenden Nachdenken anregen. Zum Beispiel, sich ihrer Talente bewusst zu werden. Im Idealfall würden Vorgesetzte alle Mitarbeitenden so einsetzen, dass ihre besonderen Fähigkeiten voll zur Geltung kommen, wovon auch das Unternehmen profitieren würde. Doch dies sei leider häufig Wunschdenken, weiss Grütter. «Viele Vorgesetzte führen nicht optimal. Sie versuchen, die Mitarbeitenden in eine Schablone zu pressen anstatt das Unternehmen um die vorhandenen Interessen und Kompetenzen herumzubauen.»

Wenn etwa eine speziell kommunikative oder eine kreative Person zu 90 Prozent in der Buchhaltung eingesetzt werde, sei ihre Begabung ziemlich vergeben, führt er als Beispiel an. Exakte, gut organisierte Menschen wären an dieser Stelle viel geeigneter.

«Ein Job, der zu 100 Prozent Freude macht, ist wohl eine Illusion. An jeder Arbeitsstelle gibt es Dinge, die einfach sein müssen.»
Christian Grütter

Selbstkompetenz heisst: Nicht jammern, sondern Verantwortung übernehmen

Werden besondere Talente nicht erkannt und gewürdigt, resignieren viele Angestellte, kündigen innerlich und beschränken sich auf Dienst nach Vorschrift. Doch das Schimpfen über eine unabänderliche Situation lässt Grütter nicht gelten. «Selbstkompetenz heisst, Verantwortung für sich selber zu übernehmen, statt nur über den Chef zu jammern.» Viel sinnvoller wäre es, das Gespräch mit der vorgesetzten Person zu suchen. Führt dies nicht zu einer Verbesserung, sollte man sich über eine berufliche Veränderung Gedanken machen. Doch dafür fehle leider häufig der Mut. «Oft ist uns Unzufriedenheit lieber als Unsicherheit. » Der Grossteil seiner Seminarteilnehmenden befindet sich ungefähr in der Mitte ihres Berufslebens. Eine Neuorientierung sei dann sicher anspruchsvoll, aber nicht unmöglich, sagt der Coach.

Instrinsische und extrinsische Motivation: wollen statt wollen sollen

Doch wieso gehen Menschen eigentlich jeden Tag an die Arbeit und erledigen so viele andere Aufgaben meist zuverlässig, auch wenn sie teilweise mühsam sind? Mit der Psychologie der Motivation befassen sich zahlreiche Theorien. Generell unterscheidet man zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Erstere entsteht ganz aus einem selbst heraus, ohne auf eine Belohnung ausgerichtet zu sein – etwa die Freude am Gitarre spielen. Die intrinsische Motivation orientiert sich an den persönlichen Bedürfnissen – angefangen bei den ganz grundlegenden wie etwa ein Einkommen und soziale Sicherheit bis zu Aspekten wie Struktur im Leben, intellektuelle Herausforderung, Wertschätzung und soziale Kontakte. Die extrinsische Motivation dagegen orientiert sich an den äusseren Anreizen – an Belohnungen oder auch Bestrafung bei nicht Erfüllen der Anforderungen. In der Arbeitswelt gehört dazu in erster Linie der Lohn - vor allem der Anteil, der über die Sicherung des Lebensstandards hinausgeht. Dabei geht es meist darum einen höheren gesellschaftlichen Status zu erreichen – genauso wie bei der Aussicht auf eine Beförderung. Die beiden Motivationsarten lassen sich aber nicht immer ganz scharf voneinander trennen.

Generell gelingt es jedoch besser, langfristig engagiert zu bleiben, wenn man etwas von innen heraus will, als wenn man etwas wollen soll. Auch im Job kann es eine Möglichkeit sein, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, wieso man den Beruf eigentlich ursprünglich gewählt hat, was einem daran gefällt und was man sinnvoll findet. So kann es gelingen, ein gewisses Engagement aufrecht zu erhalten, auch wenn man nicht immer die gewünschte Anerkennung erhält.

Wenn es gar nicht mehr geht muss man wissen, was tun

Wie gut man sich selber motivieren kann, ist zudem eine Frage des Typs. Während einige Menschen von Natur aus gewissenhaft sind und sich angesichts unerledigter Aufgaben gestresst fühlen, neigen andere dazu, Dinge permanent hinauszuschieben – die Prokrastination. Letztere brauchen einen gewissen Termindruck, um produktiv zu werden und erledigen alles auf den letzten Drücker - dann aber oft mit viel Energie und Kreativität. Menschen mit Hang zur Prokrastination funktionieren wohl in einem gut strukturierten Setting besser als mit einem hohen Selbstorganisationsgrad. Die Tendenz, Dinge aufzuschieben, habe zudem oft mit Perfektionismus zu tun, führt Grütter weiter aus. «Man hat Angst, nicht zu genügen. » Hilfreich sei die Technik, in Runden zu arbeiten: Statt von Anfang nur Vollkommenheit gelten zu lassen, zuerst einmal einen Entwurf machen und diesem dann in weiteren Anläufen feinschleifen.

Manchmal stecken hinter einer eingebrochenen Motivation jedoch auch ernsthaftere psychische Probleme: Es könnte sich um eine depressive Verstimmung oder ein Burnout handeln. In diesem Fall sei eine ärztliche Konsultation angezeigt, sagt der Experte.

«Selbstkompetenz heisst, Verantwortung für sich selber zu übernehmen, statt nur über den Chef zu jammern.»
Christian Grütter

7 Tricks gegen Energielosigkeit

Unangenehmes

Unangenehmes gleich am Morgen erledigen. Sonst sitzt es einem die ganze Zeit im Nacken und verdirbt einem den Tag. Etwas abzuhaken gibt neue Energie für anstehende Aufgaben.

Belohnung

Sich selber eine Belohnung in Aussicht stellen, wenn man etwas geschafft hat: Nach dem Telefonat mit dem mühsamen Kunden genehmige ich mir eine Tasse Kaffee oder einen kurzen Spaziergang an der Sonne. Oder wenn möglich verbinde ich bereits die Tätigkeit selber mit etwas Angenehmem – etwa Musik hören.

Etappenziele

Etappenziele definieren: Erscheint eine Aufgabe wie ein grosser, unüberwindbarer Berg, sollte man ihn in Einzelteile zerlegen, die man bewältigen kann.

Anlaufschwierigkeiten

Anlaufschwierigkeiten überwinden: Oft fällt vor allem der Anfang schwer. Hat man sich einmal einen Schupf gegeben, kommt man in einen Fluss. Dies zu wissen, kann bereits helfen, es dennoch zu wagen. Bei nicht ganz dringenden Jobs kann der 10-Minuten-Deal mit sich selber helfen: Sollte es bis zum Ablauf dieser Zeitspanne nicht von selber laufen, darf man wieder aufhören.

Unterbrechungen

Unterbrechungen vermeiden: Bei Aufgaben, die keinen Aufschub erlauben: Tür zu, Handy abschalten und keine Mails lesen.

Arbeitslust

Sich mitreissen lassen: Wenn die Arbeitslust ausbleibt, braucht es manchmal einen Input von Kollegen, die einem Mut machen oder eine Idee geben, wie man die Sache am besten anpackt.

Positiv denken

Positiv denken: Sich bereits am Morgen auf die Dinge konzentrieren, die einem Freude machen. Und jeden Abend Revue passieren lassen, was gut gelaufen ist. Aufschreiben verstärkt den Effekt.

Veröffentlicht am: 8.9.2020

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Autorin

  • Andrea Söldi

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