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Jeden Tag voller Vorfreude aufstehen: davon träumen die meisten. Wie Motivation gelingen kann.

Unternehmen profitieren von motivierten Mitarbeitenden. Forschungsergebnisse zeigen: Wenn wir motiviert arbeiten, zeigen wir höhere Arbeitsleistungen, sind innovativer, fehlen seltener am Arbeitsplatz, machen weniger Fehler und bleiben häufiger im Unternehmen. Ausserdem erhöhen motivierte Mitarbeiter die Profitabilität, die Produktivität, das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit.

Längst zapft die moderne Arbeitswelt unsere Motivation – diese innere Energiequelle – an, um noch mehr aus der «Ressource Mensch» zu erwirtschaften. Ist das Feuer hingegen einmal erloschen, ist möglicherweise ein Burnout die Folge. Oder einfach ein unproduktiver, resignierter Mitarbeiter.

Auf Persönlichkeit eingehen

Doch wie funktioniert Motivation? Und was können wir tun, wenn sie mal abhandenkommt? Das Schöne an der Motivation ist, dass sie vielschichtig ist: Nicht jede und jeden motiviert das Gleiche. Der Psychologieprofessor Julius Kuhl hat vier Grundmotive unterschieden, die in den Menschen mehr oder weniger ausgeprägt zu finden sind. Die Grenzen sind fliessend und können sich im Verlauf der Zeit verschieben.

Wir haben ein tiefes Bedürfnis, mit diesen Werten in uns drin im Einklang zu sein, sagt Selbstmanagement-Trainerin Caroline Theiss im Interview. Während sich eine leistungsmotivierte Mitarbeiterin mit anderen messen möchte oder sich an einem eigenen inneren Wertemassstab orientiert, sind dem freiheitsliebenden Kollegen seine langen Sommerferien heilig. Konflikte sind dabei gar nicht so selten. Angenommen, jemand gestaltet gerne (Machtmotiv) und sucht gleichzeitig Harmonie (Beziehungsmotiv). In einer Führungsfunktion kann diese Person etwas bewirken, wird um das eine oder andere kritische Gespräch aber nicht herumkommen. Solche Motivkonflikte sind enorm kraftraubend und müssen bewusst gemacht werden. Denn dann kann der Mensch entscheiden, ob er lernen will, konfliktfähiger zu werden und die Harmonie im privaten Umfeld zu suchen oder sich lieber nach einer anderen Stelle umsieht.

Gerade Führungskräfte fragen sich immer wieder, wie sie ihre Mitarbeitenden motivieren können. Ein Fehler, der dabei oft passiert, ist, dass sie von sich auf andere schliessen. Echte Motivation kann nur von innen kommen. Eine gute Chefin, ein guter Chef kennt seine Mitarbeitenden und geht auf sie ein.

Deutsche Studie: Firmen interessieren sich

Der «Engagement Index» von Gallup, Deutschlands bekannteste Studie zu Arbeitsumfeld und Führungskultur und durchaus vergleichbar mit der Schweiz, hat im vergangenen Jahr erneut 1000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befragt. Zwei Drittel stimmten zumindest mehrheitlich zu, dass sich ihr Unternehmen für ihr allgemeines Wohlergehen interessiert. Ein Drittel gab aber auch an, auf Grund von Arbeitsstress innerlich ausgebrannt zu sein. Eine der fünf Fazitaussagen des Berichts lautet: «Auf die Führungskraft kommt es an – Stärkenorientierung als Hebel zur Steigerung von emotionaler Bindung und Resilienz.» Das bezeichnet im Kern dasselbe, wie auf die Motive der einzelnen Mitarbeitenden einzugehen. Wer sich gesehen fühlt und so arbeiten kann, wie es ihm oder ihr entspricht, ist seinem Arbeitgeber gegenüber loyaler und kann Rückschläge verkraften.

«Auf die Führungskraft kommt es an – Stärkenorientierung als Hebel zur Steigerung von emotionaler Bindung und Resilienz.»

Die vier Motivtypen - Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen (PSI) nach Julius Kuhl

  1. Diese Menschen möchten sich beruflich weiterentwickeln und Kompetenzen ausbauen. Sie messen sich an ihrem Erfolg und wachsen daran. Wer sich nur über Leistung definiert, ist aber auch erschöpft und ausgepumpt, wenn er oder sie irgendwann nicht mehr leisten kann.

  2. Beziehungsmotivierte Mitarbeitende halten das Team zusammen. Sie suchen Harmonie und ein gutes Arbeitsklima. Während ihnen wirtschaftlicher Erfolg weniger wichtig ist, würden sie für ihre Kolleginnen und Kollegen alles tun. Mit Konfliktsituationen kommen sie schwer zurecht.

  3. Bei ausgeprägtem Freiheitsmotiv gewinnen flexible Arbeitsmodelle an Bedeutung. Diese Menschen möchten sich nicht verbiegen für ihre Arbeit. Sie suchen ausserdem den Sinn in ihrem Tun: Sie möchten innerlich vorankommen, ihre Persönlichkeit weiterentwickeln.

  4. Machtmenschen haben eine Vision. Sie wollen etwas gestalten, Ausserordentliches erreichen und sind entsprechend oft als Zugpferde in Führungsfunktionen anzutreffen. Kontrolle und Einschränkungen hemmen sie.

«Es braucht alle Typen in einer Firma»

Wer seine eigene Persönlichkeit gut kennt, kann sich im Beruf entfalten: Caroline Theiss trainiert freiberuflich Unternehmen und Institutionen in Selbstmanagement nach dem Zürcher Ressourcen-Modell, ist Dozentin am Institut PSI Schweiz und der ZHAW und hat eine eigene Praxis in Zürich. 

Frau Theiss, Geld als Motivationsfaktor ist nachweislich endlich. Warum?

Wir sprechen in der Psychologie von intrinsischer und extrinsischer Motivation. Geld und Status sind klassische Beispiele für extrinsische Motivation, die sich immer erschöpft. Abgesehen davon, dass sie zu unmoralischem Handeln verleitet, begünstigt sie Neid und Missgunst – und macht langfristig einfach nicht glücklich. Ich arbeite ab und zu mit Menschen, die alles im Beruf erreicht haben, aber einfach nicht zufrieden sind!

Was braucht es denn, um diese Zufriedenheit zu finden?

Das Bedürfnis, mit seinen Werten und Energiequellen in Kontakt zu sein, ist ein elementares. Unsere intrinsischen Motive können wir wie eine Art innerer Motor betrachten, der uns in Bewegung hält. Julius Kuhl hat sich ein Leben lang mit den Motiven der Menschen beschäftigt und sie in vier Typen unterschieden: Leistung, Macht – im Sinne von Gestalten wollen –, Beziehung und Freiheit. Ich stelle im Beratungsalltag immer wieder fest, dass da sehr viel dran ist.

Wie können Führungskräfte ihr Team motivieren?

Sie können niemanden motivieren; genauso wenig, wie Sie für andere aufs Klo gehen können. Eine Führungskraft muss sein Team deshalb vor allem sehr gut kennen, um auf die individuellen Bedürfnisse eingehen zu können. Was den einen motiviert, ist für den anderen ein Störfaktor.

«Eine Führungskraft muss sein Team sehr gut kennen, um auf die individuellen Bedürfnisse eingehen zu können.»
Caroline Theiss

Was passiert, wenn wir nicht mit unseren Werten im Einklang sind?

Dann leiden wir und verlieren Energie und Arbeitsfreude. Wenn wir uns hingegen so verhalten können, wie es uns entspricht, fliesst uns die Energie förmlich zu. Haben Sie schon einmal jemandem zugeschaut, der total in seinem Element war? Das ist doch ein wunderbares Bild.

Die Theorie leuchtet ein – doch die Praxis ist bekanntlich eine andere Sache. Wir befinden uns in einer von Wirtschaftswachstum dominierten Arbeitswelt. Wie ist dieser Ansatz mit unserer Leistungsgesellschaft vereinbar?

Gar nicht! Wenn nur Leistung zählt, kommen die sogenannten High Performer immer weiter, während alle andern geringgeschätzt werden oder einfach abspringen. Dann hat es im Team irgendwann nur noch leistungsmotivierte Typen, die dann ohne Rücksicht auf sich bis zum Burnout arbeiten. Fakt ist aber: Es braucht alle in einer guten Firma. Das ist übrigens auch mein Verständnis von Diversity. Ein Steve Jobs als freiheits- und machtmotivierter Leader hat unglaublich tolle Visionen. Aber wer setzt diese dann um? Und wer schaut, dass alle im Boot sind?

Angenommen, ich spüre eine Unzufriedenheit, kann sie aber noch nicht genau einordnen. Was kann ich tun?

Genauso geht es vielen. Unsere Bedürfnisse sind da subtil, häufig unterbewusst. Wir müssen oft ein Leben lang hinhören und justieren. Es lohnt sich, auf diese Zeichen zu achten. Ich kann den Job, den Partner, ja gar das Land wechseln – mich selber nehme ich aber immer mit.

Veröffentlich am 29.09.2021

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Autor

  • Rolf Murbach

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