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Nachhaltigkeit als Treiber der Unternehmensentwicklung

Nachhaltiges Wirtschaften wirkt sich massgeblich auf die Entwicklung von Unternehmen und ihre gesellschaftliche Rolle aus. Maryline Dafflon erklärt im Interview, wie das Programm Swiss Triple Impact (STI) Unternehmen ermöglicht, ihre Leistung nachhaltig zu verbessern und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Wie können Unternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen?

Maryline Dafflon: Viele meinen, nachhaltige Entwicklung beschränkt sich allein auf Umweltaspekte. Die Agenda 2030 der UNO, die als Referenzrahmen für unser STI-Programm dient, legt jedoch 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung fest. Diese umfassen ökonomische, soziale und ökologische Aspekte gleichermassen (siehe Infobox). Unternehmen können sich konkret für einen Teil dieser Ziele in ihrer gesamte Lieferkette sowie in den eigenen Betriebsabläufen engagieren.

Auf welche Weise helfen Sie ihnen dabei?

Wir bieten den Unternehmen ein Programm in drei Schritten: Ein Workshop zum besseren Verständnis der Agenda 2030 und der nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO, gefolgt von zwei Modulen, in denen wir sie dabei unterstützen, ihre Ziele zu priorisieren und ihr Engagement in einem konkreten Aktionsplan zur Umsetzung festzuhalten. Es handelt sich um Gruppenworkshops, an denen Unternehmen verschiedener Grösse und aus verschiedenen Branchen teilnehmen. Jedes arbeitet an seinem eigenen Geschäftsmodell und wir fordern sie durch interaktive Übungen heraus: Der Austausch ist sehr bereichernd und es kommen viele Kontakte zustande.

Vor welchen wichtigen Herausforderungen stehen Unternehmen, die sich für ein solches Vorgehen entscheiden?

Sie wissen manchmal nicht, wo sie beginnen sollen. Und die grosse Anzahl an Zertifizierungen, die mehr oder weniger mit Nachhaltigkeit zu tun haben, macht die Sache nicht einfacher. Ganz allgemein haben manche Unternehmen möglicherweise Bedenken, eine Baustelle zu schaffen, die Zeit und Geld verschlingt. Wir möchten sie daher begleiten. Wichtig dabei ist, dass wir keine profitorientierte Organisation sind, sondern den Status der Gemeinnützigkeit haben. Im Sinne unserer Mission verrechnen wir die Preise nach dem Unternehmensumsatz. Wir weisen Unternehmen darauf hin, dass ihr Engagement schrittweise erfolgen muss und dass sie bereits Erreichtes berücksichtigen: Viele Unternehmen, mit denen wir sprechen, haben die ersten Schritte bereits gemacht, sei es in der Personalpolitik, der Produktion oder auch bei der Beförderung von Waren. Da sich die verschiedenen Unternehmen einer Region oder Branche in unseren Workshops austauschen können, sind erste Widerstände schnell überwunden und zwischen den Teilnehmer:innen entwickelt sich eine Dynamik und ein Gemeinschaftsgefühl.

«Ganz allgemein haben manche Unternehmen möglicherweise Bedenken, eine Baustelle zu schaffen, die Zeit und Geld verschlingt.»
Maryline Dafflon, Koordinatorin der STI-Plattformen Freiburg, Neuchâtel & Arc Jurassien

Meinen es die Unternehmen, die am Programm teilnehmen, immer ernst oder haben Sie schon festgestellt, dass es nur darum geht, das Image zu verbessern?

Es wird immer Unternehmen geben, die nur ihr Image verbessern und dabei den Status quo beibehalten möchten. Zu unserer Vorgehensweise gehört jedoch ein öffentliches Engagement und ein Validierungsverfahren unsererseits: Die von den Unternehmen gemachten Zusagen veröffentlichen wir auf unserer Website. Ihre Glaubwürdigkeit steht also auf dem Spiel, insbesondere gegenüber den Verbraucher:innen, der Kundschaft und den Mitarbeitenden, die immer mehr Wert auf das Thema legen.

Nachhaltigkeit wird also von den Mitarbeitenden erwartet?

Ohne jeden Zweifel. Die Erwartungen der Mitarbeitenden fallen genau in dieses übergreifende Verständnis von Nachhaltigkeit: Das Bewusstsein sowohl für den Klimawandel, der nun nicht mehr zu leugnen ist, wie auch für Fragen der Gleichstellung oder Inklusion innerhalb eines Unternehmens. Die Mitarbeitenden möchten mehr Flexibilität und eine sinnstiftende berufliche Tätigkeit. Unternehmen müssen diesem Trend folgen und sich neu erfinden. Es geht dabei um ihr Fortbestand und ihre Attraktivität. In diesem Zusammenhang finde ich, dass die nachhaltige Entwicklung eine hervorragende Gelegenheit ist, ein Gefühl der Zugehörigkeit und des internen Zusammenhalts zu schaffen, indem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Erarbeitung eines Nachhaltigkeits-Modells miteinbezogen werden, anstatt es ihnen aufzuzwingen. Viele von ihnen tun dies übrigens bereits.

Kann man sagen, dass Nachhaltigkeit dazu beiträgt, Unternehmen eine neue Rolle zuzuweisen?

Ihre Rolle verändert sich tatsächlich gerade: Die Idee, dass ein positiver Beitrag zu Gesellschaft und Umwelt nicht der Geschäftstätigkeit entgegensteht, gewinnt an Boden. Ein Grossteil der neuen Unternehmen, mit denen ich arbeite, erfüllen im Übrigen ganz eindeutig eine soziale und ökologische Aufgabe. Dabei nimmt die Unterscheidung ab zwischen Start-ups und traditionellen Unternehmen, die auf einem Geschäftsmodell gegründet sind.  Im Klartext sind Unternehmen in gleichem Masse Teil der Lösung wie die Politik oder die Zivilgesellschaft. Um beispielsweise Kohärenz über die gesamte Lieferkette hinweg zu erreichen, halten Unternehmen nicht selten ihre Kundschaft und Zulieferfirmen zur Teilnahme an unserem Programm an. Dadurch entsteht eine positive Wechselwirkung. Die Rolle der Unternehmen ist somit absolut wesentlich.

Veröffentlicht am 24.3.2022

«Es wird immer Unternehmen geben, die nur ihr Image verbessern und dabei den Status quo beibehalten möchten.»
Maryline Dafflon über Greenwashing:

Zur Person

Maryline Dafflon ist Koordinatorin bei Swiss Triple Impact (STI) Freiburg, Neuenburg & Jurabogen. Sie verfügt über einen Master-Abschluss in internationalen Beziehungen und Aufbaustudien in den Bereichen Unternehmensführung und soziales Unternehmertum. Zudem war sie 12 Jahre in der internationalen Zusammenarbeit tätig. Seit März 2021 ist sie zudem Gemeinderätin in ihrer Heimatgemeinde.

Ziele für eine nachhaltige Entwicklung

  1. Trotz beachtlichen Erfolgen in der Armutsbekämpfung seit 1990 leben nach wie vor über 800 Millionen Menschen in extremer Armut, davon sind ungefähr 70% Frauen. Die Ambition der neuen Agenda für nachhaltige Entwicklung ist es, extreme Armut bis 2030 gänzlich zu überwinden. (Mehr hier)

  2. Obwohl sich die Situation in zahlreichen Ländern verbessert hat, hungern weltweit immer noch viele Menschen oder leiden unter Mangelernährung. Unterernährung betrifft fast 800 Millionen Menschen weltweit, wovon die meisten Frauen und Kinder sind. Die Agenda 2030 hat sich zum Ziel gesetzt, in den kommenden 15 Jahren Hunger und alle Formen von Unterernährung auf der Welt zu beenden. Angesichts der weltweit rasch ansteigenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln müsste dazu die weltweite Lebensmittelproduktion Schätzungen zufolge bis 2050 mehr als verdoppelt werden. 70% der unterernährten Menschen hängen für ihren Lebensunterhalt direkt oder indirekt von der Landwirtschaft ab. Es sind folglich gerade Kleinbauern, die von Unterernährung bedroht sind. (Mehr hier)

  3. Die Millenniums-Entwicklungsziele trugen bedeutsam zur weltweiten Verbesserung der Gesundheit bei, zB. im Kampf gegen Krankheiten wie AIDS, Tuberkulose und Malaria. So sanken die Todesfälle durch Malaria seit 2000 um 60%. Dennoch blieben die Resultate in vielen Bereichen, zB. bei der Reduktion der Kinder- und Müttersterblichkeit, hinter den Erwartungen zurück. (Mehr hier)

  4. Die internationale Gemeinschaft hat die Bedeutung einer hochwertigen Grund- und Berufsbildung in Erinnerung gerufen. Eine hochwertige Grund- und Berufsbildung ist zentral für die Verbesserung der Lebensbedingungen des Einzelnen, der Gemeinschaften und der Gesellschaft als Ganzes. Das Ziel 4 basiert auf den Erkenntnissen, die im Rahmen der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) gewonnen wurden. Demnach soll neben der Grundschulbildung für alle Kinder sichergestellt werden, dass die Grundbildung und Berufsbildung aufeinander abgestimmt werden. Ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung und Bildungsqualität nach dem Ansatz des lebenslangen Lernens ist ein weiterer Schwerpunkt von Ziel 4: eine Dimension, die von den MDGs vernachlässigt wurde. (Mehr hier)

  5. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist eines der grössten Hindernisse für nachhaltige Entwicklung, ökonomisches Wachstum und Armutsreduktion. Dank MDG 3 zur Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle von Frauen wurden beachtliche Fortschritte bei der Einschulung von Mädchen und der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erreicht. Geschlechtergleichheit erlangte durch MDG 3 grosse Sichtbarkeit. Aufgrund des engen Fokus des Ziels wurden jedoch wichtige Themen wie Gewalt gegen Frauen, wirtschaftliche Ungleichheit und die geringe Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungsstrukturen nicht angegangen. (Mehr hier)

  6. Der Zugang zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen ist ein Menschenrecht und zusammen mit der Ressource Wasser ein entscheidender Faktor für alle Aspekte der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklung. Die Zielvorgaben zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen wurden in die MDGs integriert, jedoch wurden andere für die nachhaltige Entwicklung entscheidende Aspekte in diesem Bereich nicht angegangen. Diese Aspekte betreffen das Wasserressourcen-Management, die Abwasserentsorgung, die Wasserqualität und die Reduzierung der Verwundbarkeit gegenüber wasserbezogenen Katastrophen. (Mehr hier)

  7. Der Zugang zu Energie ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Verwirklichung vieler Ziele im Bereich nachhaltige Entwicklung. Die Ziele gehen dabei weit über den Energiesektor hinaus: Überwindung von Armut, Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion, Bereitstellung von sauberem Wasser, Verbesserung der öffentlichen Gesundheit, Ausbau des Bildungswesens, Wirtschaftsförderung oder Förderung der Frauen. Heute haben weltweit 1.6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Elektrizität, und 2.5 Milliarden Menschen hängen von traditioneller Biomasse als Energiequelle ab. (Mehr hier)

  8. Aktuellen Daten zufolge sind weltweit über 200 Millionen Menschen erwerbslos, darunter insbesondere junge Menschen. Arbeit und Wirtschaftswachstum tragen massgeblich zur Bekämpfung von Armut bei. Die Förderung eines nachhaltigen Wachstums, einer grünen Wirtschaft sowie die Schaffung von genügend menschenwürdigen Arbeitsplätzen, unter Achtung der Menschenrechte und der planetarischen Grenzen, sind sowohl für die Entwicklungsländer als auch für die Schwellen- und die Industrieländer von zentraler Bedeutung. (Mehr hier)

  9. Investitionen in eine nachhaltige Infrastruktur und in wissenschaftliche und technologische Forschung steigern das Wirtschaftswachstum, schaffen Arbeitsplätze und fördern Wohlstand. In den kommenden 15 Jahren stehen in Entwicklungs- und Schwellenländer Infrastrukturprojekte in Milliardenhöhe an. Im Rahmen von Ziel 9 geht es darum, widerstandsfähige Infrastrukturen aufzubauen und nachhaltige Industrialisierung und Innovationen zu fördern. (Mehr hier)

  10. Globale Ungleichheiten sind sehr gross und eines der grössten Hindernisse für Nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung. In den letzten Jahren haben die Ungleichheiten innerhalb vieler Länder zugenommen. Ungleichheiten beschränken die Möglichkeiten gesellschaftlicher Gruppen, sich am sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Leben zu beteiligen und einen sinnvollen Beitrag dazu zu leisten. Deshalb fokussiert Ziel 10 auf die Reduktion von Ungleichheiten innerhalb und zwischen Staaten. (Mehr hier)

  11. Die Urbanisierung gehört zu den bedeutendsten Entwicklungen im 21. Jahrhundert. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung weltweit lebt in Städten, wobei ein Anstieg auf bis zu 70% bis im Jahr 2050 erwartet wird. Städte sind Haupttreiber lokaler und nationaler Wirtschaften und Drehscheiben des Wohlstands. Mehr als 80% der globalen Wirtschaftsaktivität konzentriert sich in Städten. Gleichzeitig bringt die Urbanisierung grosse Herausforderungen mit sich. Städte haben einen enormen ökologischen Fussabdruck. Sie nehmen zwar nur drei Prozent der Weltoberfläche ein, verbrauchen jedoch drei Viertel der globalen Ressourcen und sind für 75 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. (Mehr hier)

  12. Die Weltbevölkerung konsumiert gegenwärtig mehr Ressourcen, als die Ökosysteme bereitstellen können. Damit die soziale und wirtschaftliche Entwicklung im Rahmen der Tragfähigkeit der Ökosysteme stattfinden kann, muss die Art und Weise, wie unsere Gesellschaft Güter produziert und konsumiert, grundlegend verändert werden. (Mehr hier)

  13. Der Klimawandel stellt eine zentrale Herausforderung für nachhaltige Entwicklung dar. Die Erwärmung der Erdatmosphäre löst Veränderungen im globalen Klimasystem aus. Diese gefährden in wenig entwickelten Weltregionen die Lebensgrundlagen weiter Bevölkerungsteile, während in entwickelten Gegenden vor allem die Infrastruktur und einzelne Wirtschaftszweige den Risiken des Klimawandels ausgesetzt sind. Durch Veränderungen der Niederschlags- und Temperaturzyklen sind zudem Ökosysteme, wie z.B. Wälder, landwirtschaftliche Kulturflächen, Berggebiete und Ozeane sowie die darin lebenden Pflanzen, Tiere und Menschen betroffen. Weltweit stieg der Ausstoss von Kohlendioxid (CO2) zwischen 1990 und 2012 um über 50%. (Mehr hier)

  14. Verschmutzung und Übernutzung der Ozeane bereiten zunehmend Probleme, etwa die akute Gefährdung der Artenvielfalt, die Versauerung der Meere und der zunehmende Plastikmüll. Zusätzlich zur industriellen Fischerei und der industriellen Nutzung von Meeresressourcen, setzt der Klimawandel die Ökosysteme immer mehr unter Druck. Eine weiter wachsende Weltbevölkerung wird in Zukunft noch verstärkt auf Ressourcen aus den Meeren angewiesen sein. (Mehr hier)

  15. Der Erhalt und die nachhaltige Nutzung der Biodiversität sind für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung sowie für das Überleben der Menschen entscheidend. Statistiken zeigen jedoch einen konstanten Rückgang von Biodiversität und Verlust von Wald. Der Verlust von Waldfläche bedroht das menschliche Wohlergehen, wobei insbesondere die arme Landbevölkerung, darunter indigene und lokale Gemeinschaften, betroffen sind. Biodiversität und Wälder tragen zur Armutsreduktion bei, indem sie Ernährungssicherheit und Gesundheit ermöglichen, saubere Luft und sauberes Wasser bereitstellen und CO2 Emissionen speichern. Biodiversität ist die  Grundlage für ökologische Entwicklung. (Mehr hier)

  16. Ohne friedliche und inklusive Gesellschaften und gute Regierungsführung ist Entwicklung nachgewiesenermassen nicht nachhaltig. So sind konfliktbetroffene Staaten am weitesten entfernt von der Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs). Umgekehrt hat sich in vielen anderen Ländern gezeigt, dass die Wiederherstellung von Frieden und rechenschaftspflichtigen Institutionen massgeblich zur Erreichung der MDGs beigetragen hat. (Mehr hier)

  17. Um die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung erfolgreich umzusetzen, braucht es eine umfassende Finanzierungsbasis, welche über die Gelder der öffentlichen Entwicklungshilfe hinausgehen. Neben öffentlichen und privaten Mitteln soll auch die Politik einen grösseren Beitrag zum Erreichen der Ziele leisten. Im Juli 2015 hat sich die Staatengemeinschaft dazu auf ein neues Rahmenwerk zur Finanzierung und Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung geeinigt – die Addis Abeba Aktionsagenda. (Mehr hier)

Autor

  • Dominique Nussbaum

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