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«In der Arbeitswelt werden Personen, die mit künstlicher Intelligenz umgehen und interagieren können, immer wichtiger.»

Jede und jeder von uns sollte drei- bis viermal pro Woche mit KI-Tools experimentieren, um zu verstehen, wie sie funktionieren. Es geht darum, von den auf uns zukommenden Veränderungen nicht überrollt zu werden. Dabei sei es wichtig, keine Angst davor zu haben, Fehler zu machen oder sich zu irren, erklärt Laura Tocmacov, Mitbegründerin und Leiterin der Stiftung impactIA.

Seit der Einführung von ChatGPT Ende des vergangenen Jahres ist die künstliche Intelligenz (KI) in aller Munde. Kann man dabei von einer Beschleunigung in der Entwicklung von KI sprechen? 

Ja und nein. Bei impactIA befassen wir uns schon seit Jahren mit den gesellschaftlichen Auswirkungen von KI und wir dachten, dass die Multimodalität (d. h. die Möglichkeit, verschiedene Arten von Inhalten, wie Bild, Text und Ton, auf einer einzigen Plattform zu generieren) schon früher kommen würde. Aber es ist so: Seit der Lancierung von ChatGPT erleben wir eine wahre Explosion in der Branche.  

Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf uns? 

Innert kürzester Zeit ist es für viele Menschen ganz normal geworden, sich mit einer KI zu unterhalten. Es ist sogar fast zu einem Spiel geworden. Ich denke, dass in fünf Jahren alle von uns einen persönlichen KI-Assistenten haben werden, der uns bei alltäglichen Aufgaben unterstützt. Dies könnte zu einem beruflichen Wissenstransfer führen, indem der KI-Assistent Aufgaben mit geringerem Mehrwert ausführt, während sich der Mensch auf wichtigere Aufgaben mit hohem Mehrwert konzentrieren kann. Im Rahmen unseres Projekts robot·me setzen wir uns dafür ein, dass der Arbeitsrückgang, der durch KI verursacht wird, in Form von Royalties kompensiert werden soll. Wenn die Daten von Menschen dazu verwendet werden, KIs zu trainieren, ist es nur fair, dass sie dafür bezahlt werden – genau wie Musikschaffende dafür bezahlt werden, wenn ihr Song im Radio läuft. 

Das klingt nach einem ziemlich optimistischen Szenario. Was kann man denn tun, damit dies auch umgesetzt wird? 

Man muss sich bewusst sein, dass man jedes Mal, wenn man mit einer KI wie ChatGPT interagiert, einem Unternehmen Daten preisgibt (in diesem Fall OpenAI). Dieses Unternehmen kann damit machen, was es will. Wenn man aber eine Open-Source-Plattform nutzt, profitiert man von mehr Transparenz und kann auf die Modelle einwirken. Unter dieser Bedingung ist ein Wissenstransfer möglich. Gehören unsere Daten grossen multinationalen Unternehmen, sind wir von deren Produkten abhängig. Es sollen aber nicht die Unternehmen bestimmen dürfen, was akzeptabel ist und was nicht. Dafür ist die Gesellschaft zuständig. 

Es kommen also auch ethische Fragen hinzu? 

Ja, sogar sehr grosse. Insbesondere geht es um die Verwaltung von Daten. Wie bereits erwähnt: Was geschieht damit? Wer darf sie verwenden? Wie stelle ich sicher, dass meine Daten nur mir gehören und ich entscheiden kann, wer sie verwenden darf? 

Ein weiteres Problem stellt die Voreingenommenheit von KI dar. Zurzeit werden die meisten KIs von weissen, heterosexuellen CIS-Männern Mitte 40 entwickelt. Das könnte sich in Diskriminierung niederschlagen. Mehr Diversität ist daher von grosser Bedeutung. Zu diesem Zweck haben wir im Rahmen unserer Beobachtungsstelle idAIo ein Projekt lanciert namens «My Mentor is a Woman». Ziel ist es, den Frauenanteil im KI-Bereich bis ins Jahr 2027 auf 30P zu erhöhen – und zwar in Führungspositionen mit Entscheidungskraft (Entwicklerinnen, Ethikverantwortliche usw.). Dies ist nur ein erster Schritt: Wir hoffen, dass sich der Erfolg dieses Projekts in Zukunft auf Diversität im weiteren Sinne auswirken wird (Religion, Alter, Herkunft usw.). 

Und schliesslich: Eine weitere grosse Herausforderung liegt im Bereich der Bildung bzw. Ausbildung. Sowohl jüngere als auch ältere Menschen müssen lernen, wie KI funktioniert, sodass sie sich daran gewöhnen können. Auf Social Media kursieren aber zurzeit zahlreiche Scams, die versuchen, Leute in die Falle zu locken. 

Wie können sich Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen auf die kommenden Veränderungen vorbereiten? 

In der Arbeitswelt werden Personen, die mit künstlicher Intelligenz umgehen und interagieren können, immer wichtiger. Personen, die in der Lage sind, Daten zu erfassen, zu organisieren und zu analysieren sowie eine allfällige Voreingenommenheit zu erkennen und Verbesserungsvorschläge anzubringen. Die meisten KMU können sich für solche Aufgaben keine Machine-Learning-Fachkräfte leisten. Was sie aber tun können, ist, auf Entwickler:innen von anwendungsbezogener KI zurückgreifen, die wissen, wie man bestehende Open-Source-Modelle nutzt, um sie auf ihre KMU anzuwenden. So können sie sich die Arbeit teurer Ingenieurinnen und Ingenieure sparen. 

In welchem Zeitraum sollten Unternehmen Ihrer Meinung nach diesen Übergang anstreben? 

Unternehmen mit begrenzten Mitteln sollten auf keinen Fall warten, bis sie eine Fachkraft in einem 100%-Pensum anstellen können. Vielmehr sollten sie bereits jetzt eine Arbeitsgruppe bestehend aus Mitarbeitende unterschiedlicher Bereiche bilden, um die Prozesse zu identifizieren, die für eine KI-Anwendung infrage kommen. Gleichzeitig können ein oder zwei Mitarbeitende im Bereich KI ausgebildet werden, die die Verantwortung für den Übergang übernehmen sollen. Es ist wichtig, dass man jetzt handelt, damit einen die kommenden Veränderungen nicht überrollen. 

Was kann man auf persönlicher Ebene tun, damit man den Zug nicht verpasst? 

Zurzeit hängt das stark von der persönlichen Einstellung ab. Jede und jeder von uns sollte drei- bis viermal pro Woche mit KI-Tools experimentieren, um zu verstehen, wie sie funktionieren. Man kann beispielsweise ein KI-Bild generieren, und dann versuchen zu verstehen, warum das Ergebnis nicht ganz den eigenen Erwartungen entspricht. Es geht dabei nicht darum, komplexe Konzepte zu erlernen oder irgendwelche Wissensübungen zu machen. Es geht darum, zu verstehen, wie eine nichtmenschliche Intelligenz handelt, sodass man Wege finden kann, mit ihr zusammenzuarbeiten. Nur so wird man später in der Lage sein, einem KI-Assistenten Aufgaben zu übertragen und einen echten beruflichen Wissenstransfer zu vollziehen. Dabei ist es wichtig, keine Angst davor zu haben, Fehler zu machen oder sich zu irren. 

Und wenn man mehr lernen will? 

Es gibt bereits heute zahlreiche Online-Kurse, die auch für Leute offen sind, die nicht aus der Informatik oder dem Ingenieurwesen kommen. Plattformen wie Coursera und edX bieten entsprechende Kurse der besten Universitäten der Welt in verschiedenen Formaten an (z. B. ein- oder zweimonatige Kurse). Diplome werden optional ausgestellt, kosten aber nur etwa CHF 100.00. 

Sie persönlich haben bereits verschiedene Lehrgänge auf die Beine gestellt, nicht wahr? 

Ganz genau. Zwei davon wurden in Zusammenarbeit mit der Ifage (Fondation pour la formation des adultes) entwickelt, wie die bereits erwähnte «Ausbildung zur Entwicklerin/zum Entwickler für angewandte künstliche Intelligenz». In diesem Kurs lernen die Teilnehmer:innen Fähigkeiten, wie sie Probleme oder Fragestellungen anhand von KI lösen können. Dabei wenden sie bestehende Open-Source-Modelle für Fragen an, sie sie im Alltag beschäftigen. Es handelt sich dabei um eine praktische Ausbildung, bei der man eigene Projekte entwickelt und selber Daten erfasst. Herauszufinden, ob und wie eine Fragestellung bereits gelöst wurde, ist in diesem Bereich eine sehr wichtige Kompetenz. 

Das von impactIA und dem Künstler Jonathan O’Hear gemeinsam organisierte Festival Artificial Intelligence International Arts (AiiA) geht der Frage nach, wie die Kultur durch neue technologische Innovationen geprägt wird und diese prägt. Ein grosser Teil des Festivals ist der Kunst gewidmet: Ist Kunst demnach ein Schlüssel in die Welt der KI? 

Ja, absolut. Wenn man die Leistung einer KI aus künstlerischer Sicht hinterfragt, kann man frei experimentieren und das Tool bis an seine Grenzen bringen, ohne sich gross um ethische Aspekte Gedanken zu machen. Unsere KI Chimere ist beispielsweise nicht zensiert und generiert manchmal Dinge, die ethisch absolut inakzeptabel sind. Genau auf diese Weise erkennen wir aber, wo das Training versagt hat. Dies wirft allgemein grundlegende Fragen auf: Wer ist fürs Training von KI zuständig? Liegt dies in der Verantwortung grosser Unternehmen, deren Motive meist finanzieller Art sind? Welches Motiv ist wichtiger: Geld oder Gemeinwohl? Mit Kunst kann diese Debatte am besten vorangetrieben werden.

Veröffentlicht am 18.7.2023

«Es sollen aber nicht die Unternehmen bestimmen dürfen, was akzeptabel ist und was nicht. Dafür ist die Gesellschaft zuständig.»
Laura Tocmacov Venchiarutti, Mitbegründerin und Geschäftsleiterin der Stiftung impactIA:
  1. Laura Tocmacov Venchiarutti ist Mitbegründerin und Geschäftsleiterin der Stiftung impactIA, die sich für eine beschleunigte Einführung ethischer, robuster und legaler künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt einsetzt.
    Da sie selbst im sozialen Unternehmertum und speziell im Bereich Karrierewechsel tätig war, hat sie sich auf die ethischen Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt und die Gesellschaft spezialisiert. 

  2. ChatGPT beantwortet unten zwei Fragen zur Zukunft von kaufmännsichen Berufen. Wir veröffentlichen die Antworten unverändert, damit sich Leser:innen  eine Meinung über deren Inhalt und Form bilden können. Auch die Übersetzungen wurden von ChatGPT vorgenommen. 

    Wie werden sich kaufmännische Berufe aufgrund der Möglichkeiten von ChatGPT in Zukunft verändern? 

    Als KI kann ich die Zukunft nicht mit Sicherheit vorhersagen, aber ich kann sagen, dass die Verbreitung von ChatGPT wahrscheinlich Veränderungen in geschäftlichen Berufen mit sich bringen wird. ChatGPT kann verwendet werden, um bestimmte grundlegende Aufgaben zu automatisieren, wie die Beantwortung häufig gestellter Fragen und die Terminvereinbarung. Dadurch können Mitarbeiter sich auf komplexere Aufgaben konzentrieren, die hohe Fachkenntnisse erfordern. Die ChatGPTs können auch das Kundenerlebnis verbessern, indem sie schnelle und personalisierte Antworten auf Fragen und Informationsfragen liefern. Letztendlich werden sich Geschäftsberufe an die fortschreitende Entwicklung von Technologien und KI-Tools anpassen müssen, um wettbewerbsfähig und effizient zu bleiben. 

    Wie können Menschen und künstliche Intelligenz erfolgreich zusammenarbeiten? 

    1. Datenanalyse: Die künstliche Intelligenz kann verwendet werden, um in Echtzeit eine grosse Menge an Geschäftsdaten zu analysieren, einschliesslich Verkäufe, Lagerbestände und Kundenverhalten. Menschen können dann diese Daten nutzen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. 
    2. Kundenservice: Chatbots können in Echtzeit auf Social-Media-Plattformen oder auf kommerziellen Websites eingesetzt werden, um Kundenanfragen zu beantworten. Menschen können bei komplexeren Problemen einschreiten. 
    3. Personalisierung von Produkten oder Dienstleistungen: Die künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Produkte oder Dienstleistungen zu personalisieren, indem sie beispielsweise auf der Grundlage früherer Einkäufe die Vorlieben der Kunden erkennt. Dann können die Menschen die Produktauswahl und Empfehlungen für jeden Kunden entsprechend personalisieren. 
    4. Prozessoptimierung: Menschen können mit künstlicher Intelligenz zusammenarbeiten, um Prozesse zu optimieren. Zum Beispiel kann künstliche Intelligenz eingesetzt werden, um eine enge Lieferkette zu identifizieren, und Menschen können dann langfristige Lösungen entwickeln. 

    Insgesamt kann die Zusammenarbeit zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz im Geschäftsbereich die Produktivität steigern, Kosten optimieren und die Kundenzufriedenheit verbessern. Wir können die Zukunft also optimistisch betrachten. 

Autor:in

  • Dominique Nussbaum

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