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KV plus – die Lehre mit Fokus Fremdsprache

    Die KV Luzern Berufsfachschule bietet die «kv plus-Lehre» an. Was ist das Plus an der neuen Lehre? Vier Absolvierende berichten über ihre Erfahrungen.

    Wer eine Lehre absolviert, lebt meistens noch zu Hause, arbeitet in einem Betrieb und besucht die Berufsfachschule. Genau dasselbe können kaufmännische Lernende im Rahmen der kv plus-Lehre während eines Zwischenjahres im englischen und französischen Sprachraum tun. Sie leben in einer englischen beziehungsweise französischen Gastfamilie, arbeiten in einem Betrieb als kaufmännische Angestellte und lernen die Sprachen und das Leben der beiden Länder kennen.

    Die kv plus-Lehre bietet Gelegenheit, Sprach- und Auslanderfahrungen gleichzeitig zu sammeln. Sie wird im Rahmen des MobiLingua-Projektes des Kantons Luzerns von der KV Luzern Berufsfachschule angeboten. Im Gegensatz zur herkömmlichen kaufmännischen Lehre dauert sie vier statt drei Jahre. Nach dem zweiten Lehrjahr gehen die Lernenden ins Ausland, zuerst für ein halbes Jahr nach England und anschliessend ebenso lange nach Frankreich. Dort absolvieren sie ein sechsmonatiges Arbeitspraktikum in einem Betrieb mit kaufmännischen Aufgaben. Daneben besuchen sie berufsbegleitend eine Sprachschule, die sie auf ein internationales Sprachdiplom vorbereitet (First Certificate/Advanced, DELF B2/C1). Das Zwischenjahr wird nach abgeschlossenem Qualifikationsverfahren im Fach IKA (Information/Kommunikation/Administration) absolviert. Anschliessend beenden die Lernenden die reguläre kaufmännische Lehre in ihrem Betrieb. Das Praktikum inklusive Unterkunft organisiert die KV Luzern Berufsfachschule zusammen mit Lingua Service.

    Die Lernenden erhalten während des Austauschjahres keinen Lohn und müssen für ihr Taschengeld selbst aufkommen. Die Kosten für die Stages, den Sprachunterricht, Kost und Logis während des Aufenthaltes  werden zu einem grossen Teil durch den Bund im Rahmen eines Förderprojekts der movetia-Stiftung übernommen. Die ersten Absolventen – dazu gehören die in diesem Artikel vorgestellten Lernenden – haben im Schuljahr 2016/17 ihren Auslandaufenthalt absolviert und werden im Sommer 2018 die Lehre abschliessen.

    Erfahrungsberichte

    Mirjam Zinniker, 21: Hatte nie Heimweh

    «Während der Lehre ein Jahr im Ausland zu verbringen – das fand ich eine fantastische Idee. Dass sich die Lehrzeit dadurch um ein Jahr verlängern würde, konnte mich überhaupt nicht abschrecken. Die Vorteile überwogen meiner Meinung nach eindeutig. Ich absolviere die kaufmännische Lehre bei der Firma Schindler Aufzüge in Ebikon. Das Unternehmen hat eine Niederlassung in Grossbritannien. So war es naheliegend, dass ich mein Praktikum dort absolvieren konnte.

    Unser Aufenthalt in Grossbritannien begann im August 2016 mit einem Intensivsprachtraining in Totnes. Danach begann ich bei Schindler und arbeitete zunächst in Sunbury und nach dem Umzug dann in Weybridge, beide Orte etwas ausserhalb von London gelegen. Ich wurde herzlich empfangen. Die Belegschaft ist sehr durchmischt. Es arbeiten auch Chinesen, Inder und Jamaikaner dort, und natürlich Engländer und ein paar Schweizer. Ich war im Unternehmensbereich Finance Controlling tätig. Etwas gewundert habe ich mich über die Arbeitszeit. Diese dauert fix von 8.30 bis 17 Uhr. Sie wird von den Angestellten streng eingehalten, und zwar so, dass sie die Arbeitszeit nicht einmal aufschreiben müssen. Die Wochenarbeitszeit in Grossbritannien beträgt 37 Stunden.

    Ende Januar begann in Bordeaux der zweite Teil meines Austauschjahres. Dort war ich tätig in einem Weinmuseum. Ich arbeitete in der Administration, durfte aber auch Besucher empfangen und herumführen. Dabei kamen mir natürlich auch mein Englisch und mein Deutsch zugute. Zu meinen Aufgaben gehörte unter anderem die Präsentation über den regionalen Weinanbau. Ich habe das oft geübt, und am Schluss ging es dann wie von selbst.

    Während dieses Jahres kam ich dreimal für einen Kurzaufenthalt zurück in die Schweiz, einmal extra wegen der Luzerner Fasnacht. Darauf wollte ich nicht verzichten. Umgekehrt besuchten mich auch meine Eltern und Freunde. Wir hatten uns die Trennung schlimmer vorgestellt. Heimweh hatte ich eigentlich nie.»

    Juna Baumann, 22: Ist fasziniert von Sprachen

    «Sprachen haben mich schon immer fasziniert. Aus diesem Grund war ich vor ein paar Jahren als Au-pair in Neuchâtel. Die kaufmännische Lehre ist meine Zweitausbildung, zuvor absolvierte ich eine Lehre als Kosmetikerin. Eines Tages gab es im IKA-Unterricht eine Umfrage, ob jemand Interesse an einem Auslandjahr hätte. Klar, ich bejahte die Frage, hätte aber niemals gedacht, dass es mit der Umsetzung so rasch vorangehen würde. Meine Meinung war also schnell gemacht, doch als es dann konkret wurde, brauchte ich natürlich die Zustimmung des Lehrbetriebs. Und auch das war leichter als gedacht. Die Verantwortlichen meines Lehrbetriebs, der A3 Erlebnismanufaktur, erklärten sich einverstanden, ganz unbürokratisch.

    In Plymouth arbeitete ich zunächst ein paar Wochen in einem Hotel. Das entsprach jedoch nicht so meinen Vorstellungen und so wechselte ich zu einem Blindenverband. Den zweiten Teil meines Auslandjahres verbrachte ich in Bordeaux und arbeitete dort in einer Import-/Exportfirma.

    Ich denke, dass es in der Schweiz nützlich ist, wenn man gut Französisch kann. Es gibt ja sicher viele Firmen in der Deutschschweiz, die geschäftlich mit der Romandie zu tun haben. Und Englisch ist im Berufsalltag ohnehin wichtig. Im nächsten Sommer mache ich die Lehrabschlussprüfung. Danach möchte ich mich auf die Berufsmatura vorbereiten. Auf die Prüfungsfächer Französisch und Englisch muss ich nicht mehr lernen, diese sind mit dem Auslandjahr abgeschlossen. Dadurch habe ich etwas mehr freie Zeit und kann schon jetzt auf die Aufnahmeprüfung lernen. Auch das ist natürlich ein Vorteil der kv plus-Lehre.»

    Sven Henggeler, 18: Kennt Bordeaux so gut wie Luzern

    «Wie meine Kolleginnen habe ich zunächst das Sprachtraining in Totnes absolviert und konnte anschliessend gleich dort bleiben und in der Schuladministration arbeiten. Ich habe Anfragen von Interessenten bearbeitet sowie Arbeitgeber und Gastfamilien für sie gesucht. Gewohnt habe ich in einer Gastfamilie nur gerade zwei Minuten von der Schule entfernt. Ich fühlte mich sehr wohl, nicht zuletzt, weil das Essen ausgezeichnet war. Auch hatte ich dort einen Bruder – auf Zeit sozusagen, mit dem ich mich gut verstand.

    In Bordeaux arbeitete ich zunächst wieder in einer Sprachschule. Die Situation war etwas unbefriedigend. Ich war oft allein und merkte rasch, dass ich nicht weiterkomme. Danach wechselte ich in ein Tourismus-Büro. Dort habe ich Velo-Touren für Touristen organisiert und auch selber daran teilgenommen. Ich darf heute sagen, dass ich mich in der Stadt Bordeaux mindestens so gut auskenne wie in Luzern.

    Der grösste Brocken an dieser kv plus-Lehre ist schon die Frage: Wie erkläre ich es meinem Lehrbetrieb? In meinem Fall ist das die Gemeindeverwaltung von Hitzkirch. Man darf, glaube ich, schon sagen, dass auch der Lehrbetrieb von so einem Auslandaufenthalt ihres Lernenden profitiert. Ausser der jeweiligen Fremdsprache macht man auch vielfältige Erfahrungen im Alltag. Man wird immer mal wieder mit unbekannten Situationen konfrontiert. Wenn da also beispielsweise ein Zug wegen Hochwasser ausfällt, steht nicht gleich ein Ersatzbus da wie in der Schweiz, und man kann auch nicht einfach zu Hause anrufen. Da ist man ganz auf sich gestellt und muss sich etwas einfallen lassen. Ich denke, man ist am Ende dieses speziellen dritten Lehrjahres ein gutes Stück selbstständiger.

    Ich denke auch, dass sich dieses Auslandjahr in meinem Lebenslauf gut machen wird. Wenn ich mich später einmal neben 150 anderen auf eine Stelle bewerben muss, ist es vielleicht genau diese Erfahrung, die mich von den anderen unterscheidet.»

    Cindy Nguyen, 20: Legte sich riesig ins Zeug

    Ich wusste bereits in der Oberstufe, dass ich nach der Lehre für ein Jahr ins Ausland gehen wollte. Dass dies dann plötzlich schon in der Lehre möglich sein würde, empfand ich als grosses Geschenk. Da musste ich nicht lange überlegen, auch meine Eltern waren begeistert. In meinem Lehrbetrieb – Veriset Küchen AG in Root – konnte ich ebenfalls weitgehend auf Unterstützung zählen. Der Knackpunkt war die Buchhaltung. Dort hätte ich als nächstes arbeiten sollen, sie rechneten mit mir. Von der Buchhaltung also hing alles ab. Sie meinten dann, dass sie mir nicht vor dem Glück stehen wollten und beschäftigten während meiner Abwesenheit einen Praktikanten.

    Ich legte mich riesig ins Zeug und verfasste ein Motivationsschreiben auf Englisch und eines auf Französisch. Ich befürchtete, dass dieses Projekt völlig überrannt würde, aber zu meinem grossen Erstaunen war es dann nicht so. Von einigen weiss ich, dass sie im Lehrbetrieb um Erlaubnis baten, aber einen negativen Bescheid erhielten.

    In Plymouth arbeitete ich bei Toshiba und erledigte dort administrative Arbeiten. Alles wurde mir Schritt für Schritt erklärt und ich lernte die verschiedenen Produkte kennen. Gegen den Schluss durfte ich sogar das Telefon abnehmen. Meine Gastfamilie wohnte eine Stunde vom Arbeitsort entfernt. Ich habe dort oft recht lange auf den Bus gewartet. Und man war nie ganz sicher, ob er auch kommen würde. In Bordeaux habe ich anschliessend in einer Firma gearbeitet, die in der Weinbranche tätig ist.

    Da wir nur selten Hausaufgaben erledigen mussten, verfügten wir – die Teilnehmer von kv plus – über recht viel Freizeit und haben uns oft getroffen. Insgesamt war das Leben etwas lockerer als hier. Die Rückkehr in den herkömmlichen Lehrbetrieb war denn auch nicht ganz einfach. Wir sind hier wieder sehr viel mehr eingespannt. Während des Auslandjahres hatten wir eher so den Status von Praktikanten. Hier sind wir jetzt halt wieder die Lernenden – aber auch nur noch bis im Sommer 2018.

    Autorin

    • Therese Jäggi

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