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Wiedereinstieg – Mit Doppelrolle zurück in den Job

    Kind und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist für Mütter oft schwierig. Freiheit bei der Arbeitsgestaltung und zeitgemässe Rollenbilder helfen beim Wiedereinstieg.

    «Der Balanceakt zwischen Arbeit, Kita und Hort hat mich gestresst. Man schaut ständig auf die Uhr, um sicher zu sein, dass man die Kinder nicht zu spät abholt.» Vor sieben Jahren war die ältere Tochter von Alice Ramm im Kindergarten. Ausserhalb der Schulzeit besuchte sie den Hort oder wurde privat betreut. Die Jüngere, damals sechs Monate alt, wurde während vier Tagen in der Kita betreut, nachdem Ramm wieder an ihre Arbeitsstelle als Leiterin der Bibliothek des Psychologischen Instituts an der Universität Zürich zurückgekehrt war. Um Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen, reduzierte Ramm ihr Pensum von 80 auf 70 Prozent.

    Deswegen musste die Bibliothekarin keine Kompetenzen oder Aufgaben abgeben und je älter die Kinder werden, desto einfacher wird der Wechsel zwischen Arbeit und Familie. Aber ganz ohne Abstriche funktioniert der Arbeitsalltag mit zwei Kindern auch heute nicht, so Ramm: «Weil der Hort, den die jüngere Tochter besucht, um 18 Uhr schliesst, fällt es mir schwer, Termine wahrzunehmen, die am Abend angesetzt sind.» Zudem ist sie punkto Arbeitszeit an die Öffnungszeiten der Bibliothek gebunden, die ihre Türen um 18 Uhr schliesst. «Meine Kollegin, die keine familiären Verpflichtungen hat, kommt mir sehr entgegen und deckt nahezu alle Abenddienste ab. Ihre Flexibilität war mir eine grosse Hilfe bei der Rückkehr an meine Arbeitsstelle», erklärt Ramm.

    Flexible Arbeitszeiten

    Die Erfahrungen von Alice Ramm flossen auch in die Studie der Psychologin Maike Debus ein. Die Dozentin an der Universität Zürich untersuchte 2018, was Müttern beim beruflichen Wiedereinstieg helfen könnte. Die 364 erwerbstätigen Frauen, die an der Erhebung teilnahmen, gaben an, dass ein gutes Team den Wiedereinstieg erleichtere. «Dieser Punkt steht an fünfter Stelle einer Top-Ten-Liste. Am häufigsten wurden flexible Arbeitsbedingungen als Kriterium für einen erleichterten Wiedereinstieg genannt», so Debus. Während Bibliothekarin Ramm aufgrund der Öffnungszeiten diesbezüglich Abstriche machen muss, trifft  Sabrina Weber auf beste Voraussetzungen. Die 34-Jährige arbeitet im Backoffice bei Swisscom und hat grosse Freiheit bei der Einteilung ihrer Arbeit: «Ich kann sehr flexibel entscheiden, wo ich meine Aufgaben erledige. Ist ein Kind krank, arbeite ich von zuhause aus», erzählt die Mutter eines sechs- und eines zweijährigen Sohnes. Im Gegenzug schaue sie auch an ihren freien Tagen ihre Mails an und erledige dringende Geschäfte sofort. Mit dem Familienzuwachs senkte die kaufmännische Angestellte ihr 80-Prozent-Pensum auf 70 Prozent. Sie habe diese Vereinbarung mit ihren Vorgesetzten bereits vor der Geburt getroffen, was kein Problem gewesen sei.

    «Meine Kollegin, die keine familiären Verpflichtungen hat, kommt mir entgegen und deckt Abenddienste ab.»
    Alice Ramm, Leiterin der Bibliothek des Psychologischen Instituts der Universität Zürich

    Berufliche Zukunft frühzeitig planen

    Auch andernorts bereiten Mitarbeiterinnen, die nach der Geburt eines Kindes weniger arbeiten möchten, keine Sorgen: «Die Reduktion des Pensums oder ein verlängerter Mutterschaftsurlaub ist bei uns häufig möglich, denn solche Veränderungen sind in der Regel planbar», sagt Felix Hohler, Head Recruiting Center bei der Manor AG und Mitglied des Corporate HR Management Teams des grössten Schweizer Warenhauses. Wie generell im Retail arbeiten auch bei Manor mit etwa 70 Prozent überdurchschnittlich viele Frauen. «Wir sind deshalb sehr darauf sensibilisiert, dass unsere Mitarbeiterinnen nach der Mutterschaftspause zurückkommen.» Man komme den Frauen gerne entgegen, doch für die Organisation ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz seien sie selbst verantwortlich. «Von Gesetzes wegen ist es die Pflicht der Arbeitnehmerin, nach dem Mutterschaftsurlaub vertragsgemäss an die Stelle zurückzukehren. Eine Änderung der Anstellungsbedingungen erfordert eine Vertragsänderung oder einen neuen Arbeitsvertrag», erklärt Hohler. Dass dann nichts mehr ist wie zuvor, müssen die Mütter laut Hohler nicht befürchten: Sofern es die Umstände ermöglichen, können sie sich darauf einstellen, auch mit reduzierter Anwesenheit über vergleichbare inhaltliche Kompetenzen zu verfügen, «ausser es handelt sich um eine krasse Reduktion, etwa von hundert Prozent auf dreissig.»

    Rückkehr eher wenig belastend

    Der Manor-Personaler beschreibt die Rückkehr von jungen Müttern als «daily business» und wenig problematisch. Ebenso scheinen die in Debus’ Untersuchung befragten Frauen die Rückkehr als eher wenig belastend wahrgenommen zu haben – was die Studienleiterin überraschte: «Im Gesamtresultat wurden die Konflikte zwischen Arbeit und Familie beziehungsweise zwischen Familie und Arbeit, als nicht sehr hoch gewichtet», erklärt sie. Vielmehr scheinen es innere Konflikte zu sein, die den Wiedereinstieg beeinträchtigen. «In der Top-Ten-Liste der Faktoren, die den beruflichen Wiedereinstieg erschweren, wurde das Gefühl, wichtige Momente im Leben des Kindes zu verpassen, an zweiter Stelle genannt. Gleich nach dem organisatorischen Aufwand in Zusammenhang mit der Kinderbetreuung. Das hat mich gewundert, denn dieser Faktor hängt nicht direkt mit dem beruflichen Umfeld zusammen», führt Debus aus.

    Traditionelle Rollenbilder

    Dass nun Mütter, die sich mit der Rückkehr zur Arbeit schwertun, selber daran schuld sein sollen, dürfe aber nicht der Schluss dieser Erkenntnis sein. «Vielmehr scheinen die traditionellen Rollenbilder trotz Gleichberechtigung nach wie vor in unseren Köpfen verankert zu sein, sodass sich viele Frauen mit dem Loslassen des Kindes zugunsten der Arbeit schwertun.» Das zeige, dass sich die Einstellung gegenüber Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft weiter verändern müssten. Das könnte dazu beitragen, dass sich arbeitstätige Mütter weniger stark zwischen ihren Aufgaben zerrissen fühlen – und damit auch ihre Zufriedenheit bei der Kinderbetreuung steigt. Denn das hilft auch bei der bezahlten Arbeit: «Je besser die Frauen ihre Rolle als Mutter ausfüllen können und dafür Bestätigung erhalten, desto wohler fühlen sie sich auch im Job», fand Debus heraus.

    Doppelrolle als Bereicherung

    Strukturellen Verbesserungsbedarf sieht die Arbeitspsychologin dennoch. «Viele Vorgesetzte sehen offenbar das Potenzial nicht, das verloren geht, wenn Mütter ihre Stelle nicht wieder antreten», kritisiert Debus. Denn anders als neue Mitarbeiterinnen müssten Rückkehrerinnen nicht in ihre Aufgaben eingearbeitet werden. Ausserdem gehe teils jahrelanges Knowhow verloren. «Auch hier sollte ein Umdenken stattfinden. Diese Frauen sollten als wertvolles Humankapital angesehen werden», schlägt Debus vor. Statt sich auf mögliche Konflikte zwischen Beruf und Familie zu versteifen, solle man lieber auf die Bereicherung achten, welche die Doppelrolle der Mütter mit sich bringe. Bei Manor, so scheint es, hat man dies erkannt: «Mitarbeiterinnen mit Kindern sind in der Regel gut organisiert. Ich höre zudem von den meisten Müttern, dass sie gerne arbeiten», sagt dazu HR-Profi Felix Hohler. 

    «Die Reduktion des Pensums ist bei uns häufig möglich, denn solche Veränderungen sind planbar.»
    Felix Hohler, Head Recruiting Center bei der Manor AG

    Autorin

    • Julia Konstantinidis

      Gastautorin Context

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