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Sozialpartnerschaft gestaltet Zukunft

    Hannes Elmer, Fachverantwortlicher Sozialpartnerschaft beim Kaufmännischen Verband Schweiz, erklärt im Gespräch, wie Projekte wie «House of Skills», «Healthy@Work» oder «Temptraining» die Sozialpartnerschaft erweitern. Der Fokus dabei: Arbeitsmarktfähigkeit, lebenslanges Lernen und Gesundheitsschutz – niederschwellig, wirkungsvoll und zukunftsgerichtet.

    Die Sozialpartnerschaft ist ein zentrales Instrument zur Gestaltung fairer und zukunftsfähiger Arbeitsbedingungen. Sie basiert auf dem Dialog zwischen Arbeitgeber:innen- und Arbeitnehmer:innen-Vertretungen und regelt zentrale Themen wie Löhne und Arbeitszeiten, oftmals im Rahmen von Gesamtarbeitsverträgen (GAV). Was weniger bekannt ist: Die Sozialpartnerschaft engagiert sich auch für die Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit und den Gesundheitsschutz. «Sozialpartnerschaft wird oft auf Lohnverhandlungen reduziert. Dabei passiert zwischen den GAV-Verhandlungen enorm viel», sagt Hannes Elmer, stellvertretender Abteilungsleiter und Fachverantwortlicher Sozialpartnerschaft beim Kaufmännischen Verband Schweiz. Der Verband engagiert sich aktiv als Sozialpartner, bringt die Perspektive der Arbeitnehmenden ein und entwickelt gemeinsam mit den Partnern praxisnahe Lösungen für aktuelle Herausforderungen im Arbeitsumfeld. Ein grosser Teil dieser Arbeit findet unterjährig statt: etwa die Kontrolle der GAV-Einhaltung, die Bearbeitung von Auslegungsfragen oder die Entwicklung von Präventionsmassnahmen im Gesundheitsschutz.

    Mehr als Löhne: Die Sozialpartnerschaft schliesst GAV-Lücken

    Gerade in Branchen-GAV mit kleinen Unternehmen ohne Personalkommissionen werden die Sozialpartner aktiv beigezogen, um konkrete Anliegen der Arbeitnehmenden aufzunehmen. «Unser Ziel ist es, die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmenden zu sichern, zu verankern und im Vollzug zu überprüfen», betont Elmer. Sozialpartnerschaft sei ein kontinuierlicher Aushandlungsprozess, der beide Seiten fordert und hoffentlich voranbringe, fügt er hinzu.

    Dabei rückten zunehmend Themen in den Fokus, die sich nicht in GAV-Artikeln abbilden lassen: etwa das lebenslange Lernen, die Arbeitsmarktfähigkeit oder die Gesundheitsförderung. Hier setzen innovative Projekte an – getragen von allen Sozialpartnern und gezielt finanziert, damit sie auch für kleinere Unternehmen zugänglich sind. 

    Ein Vorteil dieser Projekte ist, dass der Kaufmännische Verband Schweiz als Bildungs- und Berufsverband einen Einblick in Themen erhält, welche die Arbeitnehmenden beschäftigen. «So sehen wir, wo der Schuh drückt und können unterstützen. Das tun wir unabhängig von der Branche – solange wir Menschen stärken und befähigen können, macht es Sinn», betont Elmer.

    «Solange wir Menschen stärken und befähigen können, macht es Sinn.»
    Hannes Elmer, Fachverantwortlicher Sozialpartnerschaft beim Kaufmännischen Verband Schweiz

    Lernen, das wirkt: «skillaware» und «House of Skills»

    Mit der digitalen Plattform «House of Skills» haben Arbeitgeber Banken, der Bankenpersonalverband SBPV und der Kaufmännische Verband Schweiz ein zukunftsgerichtetes Angebot für die Bankenbranche lanciert. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung der «skillaware»-Kampagne mit dem Ziel, niederschwelliges, individuelles und berufsbegleitendes Lernen zu ermöglichen.

    Auf «House of Skills» können Arbeitnehmende gezielt nach Weiterbildungsmöglichkeiten suchen, nach Themen und Sprachen filtern oder sich direkt Angebote anzeigen lassen, die zu ihren Bedürfnissen passen. In Kombination mit «skillaware», welche eine Standortbestimmung via Selbstevaluation ermöglicht, entsteht so ein wirkungsvolles Ökosystem für lebenslanges Lernen.

    «Angesichts der rasanten Automatisierung und der sich verändernden Rollen und Aufgaben durch Künstliche Intelligenz muss man am Ball bleiben und in seine Arbeitsmarktfähigkeit investieren», so Elmer. «Mit «House of Skills» ermöglichen wir eigenverantwortliches Lernen.» Die Plattform fokussiert auf branchenspezifische und niederschwellige Angebote, damit sich Arbeitnehmende auch unabhängig von den Empfehlungen ihrer Vorgesetzten weiterbilden können und nicht an ausschliesslich interne Weiterbildungsangebote gebunden sind.

    Auch persönliche Laufbahnberatungen durch die Sektionen des Kaufmännischen Verbands Schweiz sind Teil des Angebots. Dabei bewerben alle drei Verbände die Plattform über ihre Kanäle – ein gutes Beispiel für gelungene Sozialpartnerschaft in der Praxis.

    Mehr Informationen: house-of-skills.ch 

    «Mit «House of Skills» ermöglichen wir eigenverantwortliches Lernen – unabhängig vom Chef oder vom internen Weiterbildungsangebot.»
    Hannes Elmer

    Gesund arbeiten: Healthy@Work

    Das Projekt «Healthy@Work» entstand als flankierende Massnahme zur Einführung der Vertrauensarbeitszeit in der Bankenbranche. Gemeinsam mit der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW werden seit drei Jahren gross angelegte Gesundheitsbefragungen durchgeführt. Denn die Herausforderungen für Arbeitnehmende bestehen weiterhin: Ständige Erreichbarkeit, Überbelastung, Präsentismus und das Verschwimmen von Arbeits- und Privatleben. Das Ziel der Befragungen ist es, die individuelle Arbeitsbelastung und Auswirkungen auf die Gesundheit sichtbar zu machen, mögliche Muster zu identifizieren und daraus konkrete Massnahmen abzuleiten.

    Ein Wegfall der Zeiterfassung bringe nicht für alle denselben Nutzen, sagt Elmer: Besonders dort, wo die Personen nur begrenzte Autonomie über ihren Arbeitskalender hätten, berge der Verzicht auch erhebliche Risiken für die mentale Gesundheit. Durch die Befragung können die Arbeitnehmenden mögliche Gefahren frühzeitig erkennen und Massnahmen in Angriff nehmen.

    Teilnehmende erhalten nach dem Ausfüllen der Gesundheitsbefragung ein individuelles Dashboard mit Empfehlungen. Die Daten sollen auch in Personalentwicklungsgesprächen genutzt werden. Seit Kurzem steht die Gesundheitsbefragung zudem allen Mitarbeitenden offen, nicht nur jenen, die von der Zeiterfassung ausgenommen sind. «2024 nahmen bereits über 6000 Personen an der Befragung teil – ein starkes Signal», sagt Hannes Elmer.

    Die Umfrage ist hier zu finden: healthyatwork.ch

    «Bei einem Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung ist echte Autonomie massgebend für eine positive Work-Life-Balance.»
    Hannes Elmer

    Temporär, aber gut qualifiziert: «Temptraining»

    Auch in der Personalverleihbranche spielt Weiterbildung eine zentrale Rolle. Über das Projekt «Temptraining» können Temporärangestellte mit mindestens 88 geleisteten Arbeitsstunden bis zu CHF 5000.– jährlich für Weiterbildungen beziehen – unabhängig vom Personalverleiher.

    Temporärmitarbeitende profitieren oft nicht von denselben Weiterbildungsmöglichkeiten wie Festangestellte. Dabei müssen auch sie in ihre Arbeitsmarktfähigkeit investieren.    «Hier ermöglicht «Temptraining» echte Entwicklungsmöglichkeiten, auch in branchenfremden Bereichen», so Elmer. 

    Die Finanzierung wird von der Sozialpartnerschaft getragen: Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen zahlen gemeinsam in den Weiterbildungsfonds ein. Das Angebot ist breit, praxisnah und niederschwellig – Kurse von Fachhochschulen und Partnerschulen können direkt über die Plattform gebucht werden. 2024 wurden bereits über 20 000 Gesuche für Weiterbildungsangebote eingereicht. Das Angebot müsse aber noch bekannter gemacht werden: «Viele wissen noch nicht, dass ihnen dieses Guthaben zusteht», sagt Hannes Elmer.

    Mehr Informationen: temptraining.ch 

    «Auch Temporärmitarbeitende sollen in ihre Arbeitsmarktfähigkeit investieren können.»
    Hannes Elmer

    Nachhaltigkeit in der Industrie: «Industrie netto null»

    Das Projekt «Industrie netto null» sensibilisiert Industrieunternehmen und ihre Mitarbeitenden zu Klima- und Ressourcenthemen. Getragen von den Sozialpartnern Kaufmännischer Verband Schweiz, Unia und Syna, vermittelt es Wissen zu Energieeffizienz, Klimaschutz, rechtlichen Rahmenbedingungen und Dekarbonisierung.

    «Wir wollen das Know-how im Betrieb verankern, damit Mitarbeitende selbst zum nachhaltigen Wandel beitragen können», so Elmer. Inputs kommen von Expertinnen und Experten, etwa dem ehemaligen Nationalrat und Umweltexperten Roger Nordmann. Finanziert wird das Projekt über einen Weiterbildungsfonds der Industrie.

    Die Plattform industrie-nettonull.ch gibt einen Einblick in aktuelle Inhalte und Aktivitäten.

    «Wir wollen Know-how im Betrieb verankern – damit Mitarbeitende selbst zum nachhaltigen Wandel beitragen können.»
    Hannes Elmer

    Flexibilität fördern: Holzbau+ und die Vier-Tage-Woche

    Im Projekt Holzbau+ werden aktuell Pilotversuche zur Vier-Tage-Woche geprüft – mit dem Ziel, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu verbessern und dem Fachkräftemangel zu begegnen.

    «Wir versprechen uns positive Hinweise puncto Arbeitgeberattraktivität», sagt Hannes Elmer. «Zudem hoffen wir, Aussagen zu möglichen Veränderungen der Anzahl Krankheitstage und über allfällig tiefere Rekrutierungskosten machen zu können.» Herausforderungen sieht Elmer insbesondere bei der Ausbildung von Lernenden: Eine verkürzte Arbeitswoche erfordert neue Lösungen bei der Planung von Arbeits- und Schultagen sowie bei der täglichen Stundenzahl. Auch die Anpassung von Gesamtarbeitsverträgen oder der einheitlichen Regelung der Vier-Tage-Woche kann komplex sein. «Jetzt geht es darum, Erfahrungen zu sammeln und zu prüfen, wie tragfähig dieses Modell tatsächlich ist», sagt Elmer.

    Fazit: Gemeinsam Zukunft gestalten

    All diese Projekte verdeutlichen: Die Sozialpartnerschaft entwickelt sich weiter – von der reinen Verhandlungspartnerin hin zu einem wirksamen Instrument der aktiven Gestaltung. «Wenn Arbeitgeber:innen- und Arbeitnehmer:innen-Vertretungen gemeinsam etwas schaffen, dann kann man als Verband voll dahinterstehen», sagt Elmer. Denn so wird sichergestellt, dass Menschen gestärkt werden – ganz nach dem Motto des Kaufmännischen Verbands Schweiz: «Menschen stärken. Gemeinsam sind wir Zukunft.»

    Erstmals veröffentlicht am: 12.6.2025

    Autor:in: Sibylle Zumstein

    «Die Vier-Tage-Woche verbessert die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.»
    Hannes Elmer

    Infox

    1. Hannes Elmer ist seit über vier Jahren beim Kaufmännischen Verband Schweiz tätig. Als stellvertretender Abteilungsleiter und Fachverantwortlicher Sozialpartnerschaft betreut er mit seinem Team von neun Personen insgesamt 19 Gesamtarbeitsverträge – in der Deutschschweiz wie auch in der Romandie. Seine Arbeit fokussiert sich auf die Weiterentwicklung der Sozialpartnerschaft sowie die Umsetzung zukunftsgerichteter Projekte in unterschiedlichen Branchen.

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