Seitennavigation & Suche

«Das KV gab mir das Rüstzeug für meine Doktorarbeit»

Für die ehemalige KV-Absolventin Franziska Schwarz war schon immer klar: Die Matura nachholen und studieren. Heute ist sie Vizedirektorin des Bundesamtes für Umwelt BAFU – mit viel Energie und Leidenschaft.

Frau Schwarz, im Jahr 1989 wurden Sie für das damalige kfmv-Mitgliedermagazin «Start» interviewt. Woran erinnern Sie sich aus dieser Zeit?
Ich war in einer Aufbruchstimmung. Die ganze Welt lag vor mir. Privat und beruflich stand alles offen. Das motivierte mich unheimlich und ich hatte eine unglaubliche Energie. Ich wusste ganz klar, was ich wollte: Nach dem KV die Matura machen und studieren.

Wie haben Sie das KV erlebt? Was nahmen Sie mit für die Karriere und das Leben?
Mir gefiel, dass ich nicht nur mit Gleichaltrigen zusammen war. Ich durfte von Erwachsenen aus allen Lebensphasen etwas lernen. Ich musste mich ins Arbeitsleben eingliedern und lernte, mich in einem Unternehmen zurechtzufinden. Das war ein enormer Vorteil und eine gute Basis. Die Verbindung von Theorie und Praxis, von Schule und Arbeit, war ein Plus. Ich lernte jeden Tag etwas Neues!

Sie holten die Matura nach und studierten an der ETH. Wie haben Ihnen die Erfahrungen aus der Lehre beim Studium geholfen?
Ich empfand es als klaren Vorteil, vor dem Studium eine Lehre gemacht zu haben. Ich war sehr fokussiert, gut organisiert und dadurch sehr effizient. Arbeitstechniken waren mir vertraut und das half mir, mich während dem Studium zu organisieren. Das KV gab mir auch das Rüstzeug für meine Diplom- und später Doktorarbeit.

Zudem hatte ich bereits Berufserfahrung, da ich nach dem KV bis zur Matur gearbeitet hatte. In dieser Zeit konnte ich Kontakte knüpfen, auf die ich im Studium zurückgreifen konnte um  spannende und gut bezahlte Praktika zu finden.

Im Studium war ich rund fünf Jahre älter als meine Mitstudentinnen und Mitstudenten. Damals hatte ich das Gefühl, dass sie viel mehr wussten als ich, weil sie vier oder fünf Jahre das Gymi besucht hatten und ich die Matura in nur zweieinhalb Jahren nachgeholt hatte. Doch ich realisierte rasch, dass ich durch meine effiziente und gut organisiert Arbeitsweise fürs Studium ausgezeichnet vorbereitet war.

Sie studierten Lebensmittelingenieurin an der ETH. Wie kam es dazu?
Ich wollte unbedingt an die ETH. Vor über 30 Jahren wurde man mit dem KV auf einen eher klassischen Frauenberuf vorbereitet, in dem man anderen zudient. Entweder konnte ich etwas studieren, das mir Freude bereiten würde und anschliessend wieder im Büro arbeiten, oder ich wählte etwas, mit dem ich mich – auch als Frau – so positionieren konnte, damit ich in der Arbeitswelt ausgezeichnete Voraussetzungen haben würde. Mir wurde klar: Ich mache ein naturwissenschaftlich-technisches Studium. Was ich dabei betonen möchte: Ich war kein Mathi-Genie! Maschinenbau oder Elektrotechnik, das wäre nicht gegangen. Deshalb wählte ich das Studium zur Lebensmittelingenieurin.

«Ich empfand es als klaren Vorteil, vor dem Studium eine Lehre gemacht zu haben. Ich war sehr fokussiert, gut organisiert und dadurch sehr effizient.»
Franziska Schwarz

Im «Start»-Porträt von 1989 wollten Sie Diplomatin werden. Was ist daraus geworden?
Bevor ich mich für eine Studienrichtung entschied, besuchte ich einen Informationsanlass für Studierende. Die diplomatische Karriere wurde so vorgestellt, dass der Mann arbeitet und die Frau ihm zudient. Das passte nicht zu meiner Vorstellung einer modernen Partnerschaft und Karriere. Aber beim Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT ich leitete die Abteilung Internationale Beziehungen und hatte auch schon einen Diplomatenpass – den Punkt darf ich im CV somit ruhig abhaken (lacht).

Was treibt Sie an und motiviert Sie?
Ich will bewegen und gestalten. Im Sport lernte ich durchzubeissen und mit Misserfolgen umzugehen. Mein Charakter und meine Kämpfernatur helfen sicher im Arbeitsalltag. Was mich aber am meisten antreibt ist, wenn ich einen Sinn in der Sache sehe und für Gesellschaft und die zukünftigen Generationen einen Mehrwert schaffen kann. Früher half mir mein Wissensdurst, für die Arbeitswelt eine gute Basis zu legen. Heute kann ich dank meiner Führungsfunktion etwas bewirken.

Zuvor arbeiteten Sie beim Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT. Wo sehen Sie die heutigen Herausforderungen in der Berufsbildung?
Beim BBT war ich zuständig für die internationalen Beziehungen. Meine Aufgabe war es, die Berufsbildung international zu positionieren und aufzuzeigen, dass das Studium nicht der einzige Weg ist. Exzellenz gibt es nicht nur in der Wissenschaft und Forschung, sondern auch in der Berufsbildung.

Die Berufsbildung in der Schweiz ist ein Geschenk. Das Zusammenspiel zwischen Bund, Kantonen, Betrieben, Ausbildnerinnen und Ausbildnern und Schulen ist hervorragend. Das wird viel zu wenig anerkannt. Doch diese Anerkennung ist essenziell – denn die duale Berufsbildung trägt massgeblich zur Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz bei.

Ich kenne beide Ausbildungswege – die Lehre und den akademischen Bildungsweg. Beide haben ihre Berechtigung, beide sind wichtig, und beide können ganz gut neben einander existieren.

Den Jungen müssen wir sagen: Es gibt verschiedene Wege, die zum Ziel führen. Auch wenn sie oft noch nicht wissen, was das Ziel ist. Man macht seinen Beruf nicht mehr, bis man pensioniert ist. Heute gibt es keine Grenzen mehr, wenn man einmal eine Berufslehre gemacht hat. Die Durchlässigkeit heute ist hervorragend: Man kann beispielsweise eine Lehre machen, an die Fachhochschule, dann an die ETH und doktorieren.

«Ich kenne beide Ausbildungswege – die Lehre und den akademischen Bildungsweg. Beide haben ihre Berechtigung, beide sind wichtig, und beide können ganz gut neben einander existieren.»
Franziska Schwarz

Welche Themen beschäftigen Sie als Vizedirektorin des Bundesamtes für Umwelt BAFU? Was bereitet Ihnen Sorgen?
Wir klären über Umweltthemen auf und müssen aufzeigen, wie wir als Gesellschaft mit unseren Ressourcen nachhaltig umgehen können.. Meine Aufgabe ist es auch, den Finger auf unangenehme Themen für Gesellschaft und Wirtschaft zu legen. Denn wir sind auf eine intakte Umweltangewiesen! Ohne natürliche Ressourcen können wir nicht leben. Wir entfernen uns immer mehr von der Natur. Die Wertschätzung für unsere Erde fehlt. Unsere Ressourcen sind endlich – wir müssen sorgsam damit umgehen. Doch wir leben auf Pump und übernutzen unsere Erde – auf Kosten der nächsten Generationen.

Mein privates Handeln deckt sich mit den Werten, die ich bei der Arbeit vertrete. So gestalte ich beispielsweise meinen Garten naturnah und mit einheimischen Pflanzen. Ich trage Kleider, bis sie abgenutzt sind, wähle in der Kantine das fleischlose Menü und fahre mit dem Velo zur Arbeit.

Worüber freuen Sie sich?
Ich habe extrem viele motivierte Personen um mich, von denen ich täglich etwas lernen kann. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln mich weiter. Ich will ihnen zeigen, dass wir gemeinsam etwas bewirken können. Und trotzdem muss man realistisch sein und fokussiert bleiben, denn im Umweltbereich braucht man einen sehr langen Atem. Wir brauchen Mut, und wir müssen uns exponieren. Das ist mein Job in dieser Führungsposition.

Ich freue mich auch darüber mitzuhelfen, dass künftige Generationen eine Welt antreffen, wie wir sie heute noch kennen. Dafür setze ich mich ein.

Wie hat die Corona-Krise die Arbeitsweise verändert – und welche Herausforderungen sehen Sie?
Beim BAFU realisieren wir jetzt, wie flexibel man überhaupt arbeiten kann und welche Chancen Homeoffice, FlexWork und neue Arbeitsformen bieten. Aber den persönlichen Kontakt kann man nicht abstellen, den braucht es.

Als Gefahr sehe ich, dass sich das Persönliche und Private durch die mobilen Arbeitsformen immer mehr vermischen. Plötzlich ist man 24 Stunden am Tag erreichbar, wird der Familie nicht mehr gerecht und gönnt sich zu wenig Erholung. Hier müssen wir eine Balance finden. Was wollen wir für die Zukunft? Über die Rahmenbedingungen muss die Politik entscheiden. Aber diese Diskussion darf nicht unter Ausschluss der jungen Generation geschehen. Ich hoffe, sie wird sich auch aktiv daran beteiligen.

Erstmals eröffentlicht: 24.09.2020
Aktualisiert: 24.01.2022

«Unsere Ressourcen sind endlich – wir müssen sorgsam damit umgehen. Doch wir leben auf Pump und übernutzen unsere Erde – auf Kosten der nächsten Generationen.»
Franziska Schwarz

Vom KV an die ETH

Franziska Schwarz wurde für 1989 das damalige kfmv-Mitgliedermagazin «Start» porträtiert. Sie war 21 Jahre alt, arbeitete nach der KV-Lehre bei der Unicef und besuchte die kantonale Maturitätsschule für Erwachsene. Heute ist sie Vizedirektorin des Bundesamtes für Umwelt BAFU. Zuvor setzte sie sich bei beim Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT als Leiterin der Abteilung Internationale Beziehungen für die Förderung der dualen Berufsbildung im Ausland ein.

Autorin

  • Sibylle Zumstein

Mehr Talents