Seitennavigation & Suche

«Die Berufe werden anspruchsvoller»

    Sich als Berufs- oder Praxisbildner/in für junge Menschen zu engagieren, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen, fördert nicht nur die persönliche Weiterentwicklung, auch kann man so erste Erfahrungen für eine spätere Führungsrolle sammeln.

    kfmv: Die Arbeitswelt verändert sich aufgrund der Digitalisierung. Was bedeutet dies für Bankberufe?

    Sabine Balmer: Einfache Tätigkeiten und Routineaufgaben werden zunehmend automatisiert, durch Systeme ausgeführt. Dies ist wohl die grösste Veränderung. Das bedeutet, dass die Aufgaben von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tendenziell anspruchsvoller werden. Einfache Jobs fallen weg. Es gibt dafür mehr Stellen, die eine höhere Qualifikation voraussetzen.

    Inwiefern verändern sich die Berufe?

    Die Digitalisierung macht das Bankgeschäft vielseitiger, aber auch anspruchsvoller.  Denken Sie an ein einfaches Beispiel, etwa die Kommunikation. Kundenberater zum Beispiel kommunizieren schon heute über mehrere Kanäle. Wenn Routinetätigkeiten automatisiert werden, bleibt dem Berater noch mehr Zeit, die er dem Kunden widmen kann. So wird die Kundenbeziehung aufgewertet. Das ist auch wichtig, denn Kunden wollen auch künftig nicht nur mit Systemen zu tun haben, sondern legen je nach Geschäft Wert auf eine reale Beziehung mit dem Berater oder der Beraterin. Gerade bei komplexen Transaktionen geht es um Erklärung und Vertrauen. Die Kommunikationskompetenz des Beraters ist also wichtig.

    Bots übernehmen gewisse Kundenanfragen.

    Ja, manche Anfragen werden durch neue, auf künstlicher Intelligenz basierenden Technologien beantwortet. Die Bots werden zwar verlässlicher, können in absehbarer Zeit aber noch keine komplexen Fragen beantworten. Das bedeutet wiederum: Während die eher repetitiven und mitunter langweiligen Anfragen dank der Digitalisierung wegfallen, werden die durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bearbeiteten Aufgaben spannender.

    Zur Person
    Sabine Balmer ist Head Campus Recruiting & Young Talents bei der Credit Suisse. Sie ist unter anderem für die Rekrutierung der KV-Lernenden zuständig.

    Die kaufmännische Lehre soll reformiert werden. Welches sind wichtige Veränderungen der Ausbildung, die anstehen?

    Die kaufmännische Grundbildung müsste meines Erachtens breiter aufgestellt sein und die Anbindung an höhere Fachschulen und Fachhochschulen noch besser gewährleisten. Viele Absolventen bilden sich weiter, oft schon kurz nach der Lehre, weil sie wissen: Weiterbildung ist zwingend, um beruflich vorwärtszukommen und den zunehmenden Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Zudem verändern sich die Berufsbilder aufgrund der Digitalisierung schnell. Auch das setzt Weiterbildung voraus. Die Abstimmung zwischen Grundbildung und weiterführender Ausbildung sollte verbessert werden, damit ein Übergang nahtlos erfolgen kann. Konkret sollte die KV-Lehre Bank breiter werden, eine gute Grundlage für die Tertiärbildung legen und sich klarer gegenüber den vertieften Inhalten zum Beispiel in einem Bachelor-Programm abgrenzen.

    Die Arbeit auf einer Bank ist anspruchsvoll und überfordert einen Teil der Lernenden zu Beginn. Nun planen CS und UBS ein schulisches Basislehrjahr.

    Es ist ein Pilotprojekt der Credit Suisse, der UBS, dem CYP und der KV Zürich Business School für das M-Profil. Wir starten 2019, sofern der Kanton grünes Licht gibt. Das erste Lehrjahr findet ausschliesslich an der KV Zürich Business School statt. Die Lernenden können sich so besser auf das schulische Lernen fokussieren. Einzelne Fächer werden bereits nach einem Jahr abgeschlossen. Die Lernenden sind zudem nach einem Jahr gut auf die praktische Arbeit vorbereitet. Schliesslich ist der Übergang von der Schule ins Berufsleben etwas einfacher. Die Jugendlichen sind in einem Klassenverband und haben auch mehr Ferien als in einem herkömmlichen ersten Lehrjahr.

    Die Selbstkompetenz und Sozialkompetenz nimmt in der heutigen Arbeitswelt einen hohen Stellenwert ein. Selbststeuerung, Reflexionsvermögen, Teamfähigkeit und Kommunikation gehören dazu. Weshalb?

    Das selbstgesteuerte Lernen ist wichtig. Wir lernen immer mehr on the job, holen uns Informationen aus eigenem Antrieb aus dem Netz, besuchen, wo nötig, kurze Weiterbildungssequenzen. Da geht es um Selbstkompetenz. Wie gelingt es mir, am Puls der Entwicklung zu bleiben, mich zu motivieren und zu organisieren und nicht zuletzt Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden? Zur Sozialkompetenz: Wir arbeiten zunehmend in wechselnden Teams, disziplinübergreifend. Teamfähigkeit und Kommunikationskompetenz sind unerlässlich, insbesondere, wenn es um die optimale Betreuung von Kunden geht.

    Viele Unternehmen haben dieses Jahr Schwierigkeiten, Lernende zu finden. Ist das auch bei den Grossbanken der Fall, die ja attraktive Ausbildungsplätze vergeben?

    Wir stellen keine Probleme fest. Wir haben genügend Bewerberinnen und Bewerber und können auswählen. Die Problematik hat aber auch mit dem Standort zu tun. Einige Kantone haben deutlich weniger Sekundarschulabgänger, das macht die Selektion dann schon schwieriger.

    Seit Jahren spricht man davon, dass das Gymnasium die Lehre konkurrenziert. Viele streben eine gymnasiale Maturität an, obwohl für sie auch eine Lehre mit BMS in Frage käme. Spüren Sie diese Konkurrenz?

    Es ist ein grosses Thema, wird aber meines Erachtens überbewertet. Im Kanton Zürich ist die Maturitätsquote seit langem stabil, bei knapp 20 Prozent. Aber man spürt den Druck schon. Hier gilt es zu erklären, dass eine Lehre mit Berufsmaturitätsabschluss eine hervorragende Sache ist und viele berufliche Möglichkeiten eröffnet. Wir müssen die Gleichwertigkeit der beiden Ausbildungswege aufzeigen. Der Praktiker entscheidet sich sinnvollerweise für eine Lehre, der schulisch interessierte Jugendliche wählt das Gymnasium. Zudem sollten wir vor Augen führen, wie durchlässig unser Bildungssystem ist. Mit der Passerelle zum Beispiel kann auch ein Berufsmaturitätsabsolvent an einer universitären Hochschule studieren. Das wissen viele nicht.

    Umwege führen auch ans Ziel.

    Meist handelt es sich nur vermeintlich um einen Umweg. Jemand fragt sich vielleicht: Verliere ich nicht zu viel Zeit, wenn ich den Weg über eine Lehre einschlage und eigentlich später gerne an die Uni möchte. Es ist aber kein Umweg, sondern es ist einfach ein anderer Weg, der je nach individueller Betrachtung im Moment stimmig sein kann – verbunden mit dem Sammeln praktischer Erfahrung. Es gibt viele Frauen und Männer in Toppositionen, die mit dem KV gestartet sind und sich weiterentwickelt und eine akademische Karriere eingeschlagen haben. Wenn sie über ihre berufliche Laufbahn berichten, blicken sie meist mit Zufriedenheit auf die Lehrzeit zurück. Aber es ist richtig: Unternehmen müssen sich darum bemühen, dass die Ausbildung attraktiv ist.

    Was tut die CS dafür?

    Die Lehre bei einer Grossbank ist umfassend. Die Lernenden erhalten Einblick in sechs Abteilungen, sind zum Beispiel in der Verarbeitung tätig oder in der Kundenbetreuung am Schalter. Alle sechs Monate müssen sie sich in ein neues Team einarbeiten. Das gibt einen guten Einblick ins Geschäft, ist aber auch fordernd – gerade weil es ja für junge Menschen die erste Arbeitswelterfahrung ist. Zur Attraktivität der Ausbildung trägt auch das gemeinsame Ausbildungszentrum der Banken, CYP, bei, in dem die Lernenden die überbetrieblichen Kurse absolvieren. Im Zentrum steht dort das selbst gesteuerte Lernen. Zudem ist der Unterricht weitgehend digitalisiert; es gibt keine Bücher, die Lernenden arbeiten mit Tablets. Sie eignen sich Fachwissen an, kombiniert mit dem Erwerb einer hohen Medienkompetenz. Seit kurzem bieten wir für die Lernenden der Credit Suisse die Möglichkeit, die Lehre zu unterbrechen, um im Ausland ein Jahr an einer High School zu studieren und danach die Lehre fortzusetzen. Dieses Programm ist vor allen an den Mittelschulen bekannt. Wir haben es nun für die Berufsmaturanden eingeführt. 15 Lernende haben sich dieses Jahr darum beworben. In einem ersten Durchgang können 5 Lernende dieses Angebot nutzen.

    Viele KV-Absolventen streben ein Studium an einer Fachhochschule an. Gerät die berufliche Weiterbildung, zum Beispiel an einer höheren Fachschule, dadurch unter Druck?

    Teilweise. Je nachdem, wo man später arbeiten möchte, ist ein Bachelorabschluss oder ein Diplom einer höheren Fachschule mehr oder weniger geeignet. Eine Schwierigkeit liegt im Bekanntheitsgrad des Abschlusses einer höheren Fachschule. In internationalen Konzernen sind die Abschlüsse der höheren Berufsbildung wenig bekannt. Da kann ein Diplom einer höheren Fachschule ein Karrierenachteil sein. In einem Schweizer Unternehmen wiederum ist das überhaupt kein Problem. Man kennt die Abschlüsse und weiss, was Absolventen mitbringen.

    Das Image der Banken ist seit der Bankenkrise angekratzt. Ist das für Jugendliche vor der Berufswahl ein Thema?

    Es gab eine Phase, da war das ein Thema. Für Jugendliche, KV- oder Hochschulabsolventen war das aber nie entscheidend für die Wahl einer Ausbildungsstelle. Sie interessieren sich dafür, was in einer Ausbildung geboten wird und welches die Laufbahnmöglichkeiten sind. Natürlich sollten einem das Umfeld und die Arbeitskultur einer Bank zusagen.

    Ältere Banker müssen mit einer Entlassung rechnen, Jobsicherheit gibt es nicht mehr. Beschäftigt das junge Menschen, die ins Bankwesen einsteigen?

    Für sie geht es weniger darum, was in zwanzig Jahren ist. Sie suchen eine Stelle bei einem attraktiven Arbeitgeber mit guter Reputation und allenfalls internationaler Ausrichtung. Zudem ist vielen bewusst, dass sich die Arbeitswelt ohnehin sehr schnell verändert. Allzu langfristiges Denken bringt nichts. Wichtig ist aber, dass sie, was immer sie tun, am Ball bleiben.

    Eine Umfrage des Kaufmännischen Verbandes hat gezeigt, dass viele Lehrabgänger unmittelbar nach der Lehre eine Weiterbildung beginnen. Was heisst das für einen Arbeitgeber, der Leute ausbildet und sie danach gleich wieder verliert?

    Gut 70 Prozent der KV-Absolventinnen und -Absolventen bleiben bei uns. Einige bilden sich berufsbegleitend weiter. Wir begrüssen grundsätzlich, wenn sich unsere Abgänger weiterbilden. Wer ein Fachhochschulstudium wählt, kommt besser qualifiziert möglicherweise wieder zu uns zurück. Wir vergeben auch Stipendien an ausgezeichnete Lehrabgänger, um sie in ihren Weiterbildungsbestrebungen zu unterstützen.

    Jede Branche zieht einen bestimmten Typ an. Welches sind ideale persönliche Voraussetzungen fürs Bankgeschäft?

    Man muss gerne mit Menschen zusammenarbeiten. Hinzu kommt eine Dienstleistungsbereitschaft und Offenheit für Neues, gerade in Zeiten, in denen die Arbeitswelt andauernd Veränderungen erfährt. Wie in anderen Branchen haben Teams grosse Verantwortung und Entscheidungsfreiheit, das heisst, man muss mit Autonomie zurechtkommen. Da wir sehr vernetzt arbeiten, sollte man sich immer wieder auf unterschiedliche Teams einlassen können. Diversität und, je nach Bank, Internationalität zeichnen den Arbeitsort Grossbank aus.

    Hierarchien verlieren an Bedeutung. Ist das bei den Banken auch der Fall?

    Es gibt sicher Branchen, die weniger hierarchisch sind. Aber auch bei uns spielen Netzwerke je länger je mehr eine tragende Rolle, und die Hierarchien sind weniger wichtig. Das sieht man auch im Umgang zwischen Kader und Mitarbeitenden. Das Netzwerk Next Generation etwa, eine Austauschplattform junger Bankangestellter bei der CS, lädt regelmässig Vertreter der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates ein. Diese werden dann auch mit kritischen Fragen konfrontiert. Ich habe nicht den Eindruck, man wage bestimmte Themen nicht anzusprechen. Die junge Generation hat keine Berührungsängste.

    Erstmals veröffentlicht: 03.05.2018

    Autor

    • Rolf Murbach

    Beliebte Inhalte