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«Digitale Lerneinheiten unterstützen den individuellen Lernprozess»

    Es sei bereichernd, während eines berufsbegleitenden Studiums in zwei so unterschiedlichen Bereichen wie der Arbeitswelt und einer Hochschule unterwegs zu sein, sagt Matthias Rüegg.

    Context: Sie sind seit Anfang 2019 Rektor der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. Wo setzen Sie Schwerpunkte?

    Matthias Rüegg: Die HWZ ist genuin – also von allem Anfang an – eine berufsbegleitende Fachhochschule. Dass man unsere Aus- und Weiterbildungen neben der Berufstätigkeit absolvieren kann, ist bei uns nicht einfach ein Nebenprodukt sondern ist elementar und unterscheidet uns von anderen Fachhochschulen. Alle unsere Studiengänge werden so konzipiert, dass die Studierenden ihre berufliche Tätigkeit im Studium oder in der Weiterbildung mit der Theorie verknüpfen können. Diesen Ansatz möchte ich intensivieren, indem wir noch vermehrt auf die Bedürfnisse der Studierenden eingehen. Diese kommen ja zu uns, weil sie in der Theorie verstehen wollen, was sie an ihrem Arbeitsplatz praktisch tun. Ein zweiter Punkt ist die zeitliche Organisation. Wir hören oft von Studierenden, dass es für sie nicht einfach ist, Arbeit und Studium zu vereinbaren. Darin möchten wir sie noch besser unterstützen. Wie zum Beispiel? Die Digitalisierung ist bei uns nicht nur ein wichtiges Thema in unseren Studiengängen, sondern auch in der konkreten Anwendung. Das heisst, wir möchten nach Möglichkeiten suchen, wie wir beispielsweise mit einem Learning Management System unsere Studierenden optimal auf ihrem Lernweg unterstützen können.

    Dass sie unabhängiger lernen können?

    Wir sind eine Präsenzhochschule, und wir sind völlig überzeugt davon, dass Lernen ein sozialer Prozess ist. Dazu gehört der Austausch sowohl mit den Dozierenden wie auch mit den Kollegen und Kolleginnen, welche ja immer auch spannende Erfahrungen in den Unterricht einbringen. Aber ergänzend zum Präsenzunterricht kann man den Studierenden mit den neuen digitalen Möglichkeiten Lerneinheiten zur Verfügung stellen und diese mit Testfragen ergänzen, welche sofort ausgewertet werden. Die Studierenden bekommen dann unmittelbar ein Feedback und müssen nicht warten, bis der Dozent etwas korrigiert hat. Das ist sehr effizient und unterstützt den individuellen Lernprozess.

    Wird das konkret schon angewendet?

    In einzelnen Studiengängen wird das bereits angewendet und auch laufend weiterentwickelt. Das neue Modell geht weit über Blended Learning hinaus, gerade wegen der Tests. Dabei handelt es sich nicht einfach um Multiple- Choice-Tests, sondern um verschiedene Fragetypen, die aufeinander abgestimmt sind.

    Was bedeutet das für die Dozenten?

    Wenn man klassisch unterrichtet, hat man immer die Schwierigkeit, dass die Studierenden einen unterschiedlichen Wissensstand haben. Die Dozierenden sind dann weitgehend damit beschäftigt, diese Niveauunterschiede auszugleichen. Wenn die Studierenden das nun individuell vornehmen können, bleibt im Präsenzunterricht Zeit für anderes als die Vermittlung von Grundlagenwissen, beispielsweise für Diskussionen oder individuelles Coaching. Die HWZ lanciert mit dem CAS Digital Marketing Pro einen Zertifikatslehrgang, der fast ausschliesslich online absolviert werden kann.

    Ist diese Form des Studiums zukunftsweisend?

    Wir bieten über 100 CAS an und möchten mit diesem einen Zertifikatslehrgang jetzt einfach mal ausprobieren, wie das bei den Studierenden ankommt. Aber keinesfalls möchten wir zu einer Fernfachhochschule werden, das ist überhaupt nicht unsere Intention. Ein berufsbegleitendes Studium ist anspruchsvoll. Welche Voraussetzungen braucht es dafür? Es braucht Disziplin. Und es braucht den Willen, diesen Weg gehen zu wollen. Dafür aber ist es auch sehr bereichernd, in diesen zwei unterschiedlichen Bereichen – Arbeitswelt und Hochschule – unterwegs zu sein. Zum Studium gehört auch, dass der Studierende dauernd reflektiert, was und in welchem Ausmass man erworbenes Wissen am Arbeitsplatz anwenden kann. Es braucht also auch kritisches Denken.

    Haben Sie den Eindruck, dass kritisches Denken in der Arbeitswelt erwünscht ist?

    Es kommt darauf an, wie Kritik geäussert wird. Destruktive Kritik bringt nichts. Wenn es aber darum geht, dass man einen ausgetretenen Pfad auch mal verlassen und etwas Neues ausprobieren kann, dann ist Kritik vermutlich genau das, was Unternehmen weiterbringt.

    Welche Studiengänge und Weiterbildungen sind besonders gefragt?

    Wir haben eine sehr starke Nachfrage bei allen Themen rund um die Digitalisierung. Es ist ja nicht so, dass sich die Arbeitswelt von einem Tag auf den anderen verändert. Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Und Weiterbildung ist eine gute Voraussetzung, um am Ball zu bleiben. Neben unseren modernen Managementund Kommunikations-Weiterbildungen haben wir zahlreiche Studiengänge im Bereich Digital Business und Business Analytics. Den Firmen stehen immer grössere Datenmengen zur Verfügung, doch oft fehlt das Wissen, wie man diese optimal auswerten und nutzen kann. Der Weiterbildungsmarkt ist hart umkämpft.

    Welches sind die Voraussetzungen, dass sich die HWZ als Bildungsanbieter neben der Konkurrenz behaupten kann?

    Wir müssen ein klares Profil haben und ganz klar wissen, welche Zielgruppe wir ansprechen wollen. Von allem etwas im Angebot zu haben, ist für niemanden interessant. Die HWZ ist die grösste berufsbegleitende Fachhochschule für Wirtschaft in der Schweiz. Wir verstehen uns als Netzwerk zwischen Forschung und Wirtschaft. Wir beschäftigen 600 Dozierende, welche fast alle mit einem gewissen Pensum in der Wirtschaft tätig sind. Dabei handelt es sich oft um Spezialisten, die hier an die Studierenden weitervermitteln, was in ihrem jeweiligen Fachgebiet gerade aktuell ist. Nicht zuletzt ist ein klares Profil beziehungsweise eine gewisse Reputation auch wichtig, um im Bewusstsein von Arbeitgebern präsent zu sein.

    Die Arbeitgeber sollen ihre Mitarbeitenden auf geeignete Weiterbildungen aufmerksam machen?

    Ja, das wird häufig auch so gemacht. Führungskräfte legen im Rahmen des Mitarbeitergesprächs gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden fest, welche Weiterbildung diese im kommenden Jahr absolvieren sollen. Der Wandel in der Arbeitswelt geht so rasch vor sich, dass auch manche Führungskräfte nicht so genau wissen, in welche Richtung es gehen wird. Oft bringen dann Absolventen einer Weiterbildung neues Know-how in die Firma. Das ist Wissensmanagement. Ein solches zu pflegen ist ganz im Interesse von Unternehmen.

    Wie orientieren sich weiterbildungswillige Arbeitnehmende am besten?

    Einerseits in ihrem Unternehmen, im Gespräch mit den Vorgesetzten und Kollegen. Dann sind sie im Idealfall auch gut vernetzt, innerhalb und ausserhalb ihrer Branche. Die persönliche Empfehlung einer Schule oder eines Studiengangs hat einen hohen Stellenwert. Die HWZ bietet viele Informationen auf der Webseite und führt regelmässig Informationsanlässe durch. Ausserdem stehen unsere Studiengangsleiter jederzeit für ein Beratungsgespräch zur Verfügung.

    Die HWZ bietet auch Firmentrainings an. Welches Know-how ist dabei gefragt?

    Da kann es beispielsweise um Leadership gehen. Eine Firma möchte, dass sich ihre Vorgesetzten weiterentwickeln. Wir konzipieren dann jeweils auf der Basis von unserem Wissen und den Vorgaben und Wünschen des Kunden ein optimal auf ihn zugeschnittenes Training. Das ist für manche Firmen effizienter, als wenn sie immer mal wieder einen oder eine von ihren Mitarbeitenden in eine externe Weiterbildung schicken.

    Welche Fähigkeiten sind in Zukunft gefragt?

    Kreativität ist zweifellos eine Fähigkeit der Zukunft. Kreativität wird – im Unterschied zu repetitiven Tätigkeiten – nicht so schnell wegrationalisiert werden. Auch wird der Stellenwert von Teamarbeit zunehmen. Die Bedeutung der Leistung, die man als Einzelner erbringen kann, nimmt ab. Dass jemand allein in seinem Büro sitzt und in Eigenregie seine Arbeit verrichtet, gehört eher der Vergangenheit an.

    Was heisst das für Führungskräfte?

    Was Führungskräfte in Zukunft vermehrt brauchen werden, ist emotionale Intelligenz. Sie kennen die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden, gehen auf Kritik ein und fördern den Wissensaustausch unter ihnen. Je besser dies einer Führungsperson gelingt, desto erfolgreicher ist ihr Team.

    Welche Perspektiven sehen Sie für die HWZ?

    Es gibt ja einen Konsens, wonach Universitäten und Fachhochschulen gleichwertig, aber andersartig sind. Diese Andersartigkeit mit dem Schwerpunkt in der Praxis pflegen wir und möchten das in Zukunft auch noch vermehrt tun. Diesbezüglich sehe ich Potenzial bei den Prüfungen. Diese sollten sich dahin gehend weiterentwickeln, dass man bei uns in Zukunft nicht nur prüft, ob jemand über ein bestimmtes Wissen verfügt, sondern ob er es in die Praxis auch umsetzen kann. Wenn die Studierenden von Anfang an lernen, immer gleich auch den Transfer in die Praxis zu machen, wird ihnen das an der Prüfung leichtfallen.

    Zur Person

    1. Matthias Rüegg ist seit Januar 2019 Rektor der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich, wo er bereits seit 2012 Mitglied des Verwaltungsrats ist. Seit mehr als 20 Jahren ist er als Führungsperson in Weiterbildungsinstitutionen tätig. Von 2008 bis 2018 leitete er als Direktor die Juventus Schulen.

    Autorin

    • Therese Jäggi

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