Seitennavigation & Suche

Dresscode: Zipfelmütze

    Engelsflügel? Lametta im Haar? Zipfelmütze? Im Dezember präsentieren sich Angestellte im Detailhandel oft mit weihnächtlich anmutenden Accessoires. Was dürfen Arbeitgeber:innen verlangen?

    In der Cafeteria meines Vertrauens, dort, wo ich jeden Morgen Kaffee trinke, präsentieren sich die Serviceangestellten heute in einem ungewohnten Look: Sie tragen eine rote Zipfelmütze mit sternchenverziertem weissem Pelzbesatz. Und sie machen nicht den Eindruck, als ob sie Spass daran hätten, mit dieser Kopfbedeckung an der dampfenden Kaffeemaschine zu stehen. Ganz bestimmt war das nicht ihre Idee. «Darf Ihr Arbeitgeber von Ihnen verlangen, dass Sie während der Arbeit eine solche Mütze tragen?» frage ich eine der Angestellten. «Ja natürlich darf er das», antwortet sie.

    Doch stimmt das auch wirklich? Gemäss Art. 321d OR haben Arbeitgeber:innen ein sogenanntes Weisungsrecht, welches sich in gewissen Situationen nicht nur auf die Ausführung der Arbeit, sondern auch auf das Äussere der Arbeitnehmenden bezieht. Er kann ihnen deshalb vorschreiben, was für Kleider sie am Arbeitsplatz tragen müssen. Voraussetzung dafür aber ist, dass betriebliche Gründe – wie zum Beispiel der regelmässige Kontakte mit der Kundschaft, hygienische Vorkehrungen, Schutzmassnahmen usw. – dies rechtfertigen.

    Dieses Weisungsrecht ist aber begrenzt durch das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmenden: Sachlich nicht begründbare, offensichtlich schikanöse oder sexistische Weisungen müssen Arbeitnehmende nicht befolgen. Ein Beispiel für eine sexistische Weisung wäre, wenn Arbeitgeber:innen von der weiblichen Belegschaft verlangen würde, dass sie vor Ostern Hasenohren tragen muss.

    Eine Verkleidung, welche sich auf Eigenheiten einer bestimmten Jahreszeit bezieht oder im Vorfeld bestimmter Festtage (Nikolaustag, Weihnachten, Ostern, Ausverkauf, Halloween usw.) zum Einsatz kommen soll, ist ohne Zustimmung der Arbeitnehmenden nicht möglich. Ausnahmen bilden lediglich Angestellte, welche ausdrücklich für eine künstlerische Darbietung engagiert werden oder Animationsaufgaben ausführen, welche eine Verkleidung voraussetzen. So zum Beispiel werden sich die als Engel verkleideten Frauen im Märlitram ganz bestimmt nicht über ihr Outfit beklagen können. Zwar kann auch im Rahmen eines gewöhnlichen Arbeitsvertrags vereinbart werden, dass zu gewissen Zeiten ein spezieller Dresscode gilt, ist arbeitsvertraglich aber nichts vereinbart, dürfen sich Angestellte weigern, eine saisonale Verkleidung zu tragen. Eine deswegen ausgesprochene fristlose Kündigung wäre ungerechtfertigt, eine ordentliche Kündigung missbräuchlich.

    Ausser in meiner Cafeteria werden in den nächsten Wochen vor allem im Detailhandel zahlreiche Angestellte mit weihnächtlichen Accessoires anzutreffen sein. Und als Konsumentin fragt man sich, was sich die Arbeitgeber:innen davon versprechen? Dass die Kundinnen und Kunden dadurch in vorweihnächtliche Wohlfühlstimmung geraten und deshalb mehr kaufen? Trinke ich wegen den Zipfelmützen, Engelsflügeln oder Lametta im Haar jetzt etwa zwei Tassen Kaffee am Morgen? 

    Erstmals veröffentlicht: 6.12.2018

    Letzte Aktualisierung: 6.12.2022

    • Therese Jäggi

    Beliebte Inhalte