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Wiedereinstieg: Ein Weg zurück ins Büro

    Ein Kurs und ein Praktikum können helfen, nach einer Familienpause den Einstieg in den Job wieder zu finden. Hand bietet zum Beispiel die Stadt Zürich.

    Der Empfang ist herzlich: Der Mitarbeiter am Eingang freut sich sichtlich, die ehemalige Praktikantin wieder zu sehen. Und Praktikumsbetreuerin Beatrice Potisk begrüsst Gitta Welter gar mit einer Umarmung, als sie gut ein Jahr nach ihrem Einsatz zum Gespräch kommt. Die Organisation Schutz & Rettung Zürich, der unter anderem Feuerwehr, Sanität und Zivilschutz angehören, hat der 54-Jährigen ein Praktikum ermöglicht. Dieses sollte der gebürtigen Deutschen nach rund acht Jahren Familienpause den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt erleichtern. Und zeigte in ihrem Fall tatsächlich Erfolg.

    Gitta Welter hatte ursprünglich an einer Fachhochschule Betriebswirtschaft studiert und danach als Konferenzveranstalterin gearbeitet. Auch als sie bereits Mutter von zwei Kindern war, behielt sie ihr Vollzeitpensum bei. Doch 2001 zog die ganze Familie wegen einer Stelle des Ehemannes von Deutschland nach Singapur, wo der dritte Sohn zur Welt kam. Untätig blieb die energiegeladene Frau aber auch während der Zeit in Asien nicht: Neben der Kinderbetreuung engagierte sie sich ehrenamtlich in der Schule, machte eine Ausbildung als Museumsführerin und arbeitete danach stundenweise in einem Museum. Zudem organisierte sie Wohltätigkeitsveranstaltungen, zum Beispiel zugunsten der Tsunami-Opfer.

    Schwindende Chancen ab 50

    Vor zwei Jahren kehrte die Familie nach Europa zurück und liess sich in der Schweiz nieder. Für Welter eine doppelt schwierige Situation: Als über 50-Jährige auf Stellensuche, in einem fremden Land, in dem sie über keinerlei Netzwerk verfügte. Hoffnung schöpfte sie, als sie die Ausschreibung «Women Back-to-Business» der Universität St. Gallen sah (s. Box). Während des ganzen letzten Jahres setzte sie sich jeden Monat zwei bis drei Tage mit Themen wie Management, strategische Planung, Controlling und Personalführung auseinander. «Vieles hat sich seit meinem letzten Job verändert», ist ihr bewusst geworden. Die Digitalisierung, Soziale Medien und ein Wertewandel hätten die Arbeitsweise im Marketing geprägt. Aspekte wie Umweltbewusstsein, Nachhaltigkeit und Berücksichtigung regionaler Interessen seien früher kaum Thema gewesen.

    Im Rahmen der Weiterbildung erhielt Welter auch ein persönliches Coaching. Die Einschätzung der erfahrenen Berater war aber ziemlich ernüchternd: In ihrem Alter sei die Chance auf eine Festanstellung gering, beschieden sie ihr. Statt darauf zu hoffen, würde sie sich besser mit dem Gedanken der selbstständigen Erwerbstätigkeit auseinandersetzen.

    Arbeit mit Computer ändert schnell

    Welter trat dann zuerst einmal das Praktikum bei Schutz & Rettung (SRZ) an, das Teil des Studiengangs war. Für ihren Lohn kam die Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich auf, welche die Praktikumsplätze in verschiedenen Abteilungen der Zürcher Stadtverwaltung angeregt hatte und auch mit der Universität St. Gallen kooperiert.

    Unter anderem arbeitete Welter an einem Konzept für die psychologische Betreuung von Rettungssanitätern und Feuerwehrleuten, die belastende Situationen erlebt haben. Zudem gleiste sie regelmässige Netzwerktreffen und Workshops für Kaderfrauen der Organisation auf – eine Massnahme, für die Förderung weiblicher Führungskräfte. Zu Beginn sei sie manchmal nur schon mit einfachen Dingen angestanden, blickt sie zurück: Einen Termin über das Outlook-Programm koordinieren, mit verschiedenen Datenbanken zurechtkommen oder eine Excel-Tabelle bearbeiten. «Ich hatte eigentlich den Eindruck, mit dem Computer umgehen zu können», sagt Welter. «Doch seit meinem letzten Job war alles komplexer geworden. Manchmal musste ich meine Scheu überwinden, andere zu fragen.»

    Die Praktikantinnen seien einerseits eine Entlastung bei Personalengpässen, sagt HR-Bereichsleiterin Beatrice Potisk. Anderseits müssten sie sorgfältig eingeführt und betreut werden. Die Erfahrungen mit allen drei Wiedereinsteigerinnen, die bisher bei SRZ ein Praktikum absolviert haben, seien nur gut gewesen. «Sie sind extrem motiviert zum Lernen und legen einen grossen Drive an den Tag.» Eine der Frauen erhielt danach eine Festanstellung. Welter konnte eine zehnmonatige Mutterschaftsvertretung übernehmen. Vor einem Jahr fand sie eine Stelle in einem renommierten Fachverlag, wo sie in ihrem angestammten Bereich arbeitet: Sie organisiert Konferenzen. «Ich bin sehr glücklich, dass ich beruflich nochmals Vollgas geben kann.»

    Nicht allen gelingts

    Nicht immer verläuft ein Wiedereinstieg nach einer längeren Familienpause aber so erfolgreich. Gitta Welter trifft sich noch regelmässig mit den anderen Frauen des Lehrgangs an der Universität St. Gallen. Ein Grossteil habe inzwischen wieder einen Job gefunden oder arbeitet selbstständig, weiss sie. Einige davon mussten etwas länger suchen.

    Auch Karin Sieber (Name geändert) konnte bei der Stadtverwaltung Zürich im Informatikbereich ein Praktikum absolvieren, nachdem sie in einem Kurs der EB Zürich (s. Box) ihre Computerkenntnisse aufgefrischt hatte. Sie habe sich gut unterstützt gefühlt und neues Selbstvertrauen schöpfen können, sagt die 49-Jährige. Nach der Geburt des zweiten Kindes hatte sie acht Jahre pausiert. «Ich wusste immer, dass ich wieder arbeiten will»,  sagt die frühere Bankmitarbeiterin, die auch schon Führungspositionen innehatte. «Doch die Jahre sind schnell vergangen.» Zurzeit ist sie immer noch am Schreiben von Bewerbungen und hofft, dass viele Unternehmen im Frühling Stellen ausschreiben werden.

    Sprungbretter für den Wiedereinstieg

    1. Das Certificate of Advanced Studies wendet sich an Frauen verschiedenen Ausbildungshintergrunds mit einem Universitäts- oder Fachhochschulabschluss. Sie lernen neuste Konzepte und Modelle der Unternehmensführung kennen und kommen in Kontakt mit Unternehmen.

      Dauer: 22 Tage Präsenz innerhalb eines Jahres; dazu kommen Vor- und Nachbereitung der Studientage.

      Kosten: 24 000 Franken. (Stipendien oder gesponserte Studienplätze können den Beitrag bis zur Hälfte reduzieren.)

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    2. Vermittelt wird Fachwissen im Bereich Büro-Informatik, Rechnungswesen Recht/Sozialversicherungen und Deutsche Korrespondenz. Teilnehmerinnen erhalten zudem Anregungen zum Bewerbungsverfahren, ihrem Auftritt und zum Zeitmanagement.

      Dauer: 5 Monate

      Kosten: 3990 Franken

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    3. Geeignet für Personen, die nach längerem Unterbruch Ihre angestammte Berufstätigkeit wieder aufnehmen oder ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten auffrischen möchten. möchten?

      Anbieter: Wirtschaftsschule KV Winterthur

      Dauer: 1 Semester

      Kosten: 2800 Franken

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    4. Der Kurs wendet sich an Personen mit einer kaufmännischen Ausbildung. Sie befassen sich mit neuen digitalen Arbeitsmitteln, Arbeitsrecht und Sozialversicherungen und trainieren aktuelle Formen der Bewerbung. Geeigneten Absolventinnen bietet die Stadt Zürich anschliessend ein Praktikum an.

      Dauer: 60 Lektionen innerhalb von 3 Monaten.

      Kosten: 1780 Franken

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    Gastautorin Andrea Söldli

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