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Arbeitsbedingungen in der Lehre: Was muss ich wissen?

    Wer nach der Schule ins Berufsleben eintritt, steht erst einmal vor einigen Fragen: Hat man in der Lehre eine Probezeit zu bestehen? Wie viel Urlaub darf man im Jahr beanspruchen? Wie geht man mit Problemen im Lehrbetrieb um? Michael Kraft, Leiter Bildung beim Kaufmännischen Verband, liefert Antworten auf Fragen von unserer KV-Lernenden.

    Zurzeit bin ich im 3. Lehrjahr und kann mich noch gut an den Beginn meiner Lehre erinnern. Ich hatte ziemlich viele Fragen rund um meine Arbeitsbedingungen im Betrieb. Was darf ich, was nicht, worauf sollte ich in meinem Lehrvertrag achten und wer kann mich hierzu beraten? Ich habe Michael Kraft, Leiter Bildung beim Kaufmännischen Verband, einige Fragen zu den Arbeitsbedingungen gestellt, die euch während der Lehre vielleicht durch den Kopf schwirren.

    Wir hatten in der Schule eine Diskussion über die Löhne in der Lehre und haben dabei festgestellt, dass diese teilweise sehr unterschiedlich sind. Was kann ich dagegen tun, wenn ich zu wenig Lohn erhalte?

    Michael Kraft: Am sinnvollsten ist es, ein freundliches Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und dabei die Empfehlungen des Kaufmännischen Verbandes zu erwähnen: CHF 770.- Lohn im 1. Lehrjahr, CHF 980.- im 2. Lehrjahr und CHF 1‘480.- im 3. Lehrjahr.

    Jedoch sollte man sich bewusst sein, dass der Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet ist, einen bestimmten Lohn auszuzahlen. Durch das Unterschreiben des Lehrvertrags hat die lernende Person eingewilligt, dass sie mit der dort aufgeführten Bezahlung einverstanden ist – und diese gilt grundsätzlich bis zum Ende der Lehre.

    Wie viele Wochen Ferienanspruch haben Lernende im Jahr?

    Gesetzlich erhalten Arbeitnehmende bis zum 20. Lebensjahr mindestens fünf Wochen Ferien. Allerdings empfehlen wir Arbeitgebern Lernenden in allen drei Lehrjahren je sechs Wochen. Dies weil der Übergang vom reinen Schulleben ins schulbegleitete Arbeitsleben für die Berufseinsteiger eine grosse Veränderung darstellt. Lehrbetriebe sollten diese Doppelbelastung unserer Meinung nach berücksichtigen.

    Hat man in der Lehre eine Probezeit?

    Ja, die Probezeit dauert zwischen einem Monat bis drei Monate. Mit Begründung darf der Arbeitgeber diese auch auf bis zu sechs Monate ausdehnen. In der Probezeit darf sowohl der Lehrbetrieb als auch die oder der Lernende innerhalb von sieben Tagen den Lehrvertrag unbegründet auflösen.

    Dürfen Jugendliche unter 18 Jahren Überstunden machen?

    Ja, sofern dies betrieblich notwendig ist. Allerdings dürfen sie nicht länger als 9 Stunden pro Tag und 45 Stunden pro Woche arbeiten, inklusive Überstunden.

    Überstunden muss der Lehrbetrieb zwingend mit Freizeit kompensieren oder finanziell entschädigen.

    Wie sollten Lernende mit Problemen im Lehrbetrieb umgehen?

    Im Falle eines Problems sollten sie sich in einem ersten Schritt die Zeit nehmen, um alle Fragen und Punkte zu notieren, die ihr Problem betreffen – hinzu mögliche Lösungsvorschläge. Dafür können sie auch eine andere Person mit einbeziehen, die einen Blick von aussen einbringen kann (z.B. Elternteil, Lehrer, Praxisbildner, Berufsbildner etc.). In einem nächsten Schritt empfehlen wir dann, das persönliche Gespräch mit dem Arbeitgeber aufzusuchen, um die aufgeschriebenen Anliegen zu äussern. Finden sie sich mit dem Arbeitgeber dennoch nicht, können die Eltern  an ein zweites Gespräch begleiten oder die Lernenden können sich Unterstützung beim Kaufmännischen Verband, holen. Lässt sich auch so keine einvernehmliche Lösung finden, ist es oft sinnvoll, das Berufsbildungsamt einzuschalten.

    Darf der Lehrbetrieb den Lernenden fristlos künden?

    Ja, unter bestimmten Umständen hat der Lehrbetrieb das Recht, den Lehrvertrag aufzulösen. Dafür muss er aber gröbere disziplinarische Gründe vorweisen können. Ein Problem muss mehrfach wiederholt aufgetreten sein und so den erfolgreichen Abschluss der Lehre verunmöglicht haben. Natürlich muss der Lehrbetrieb vorab das Gespräch mit dem Lernenden aufnehmen und ihn vorwarnen. Weitere Informationen rund um den Lehrvertrag findet man auf unserer Website.

    Wie kann man bei einem Lehrbetriebswechsel vorgehen?

    Wenn man den Lehrbetrieb wechseln möchte, sollte man sich seiner Entscheidung sicher sein. Vor dem effektiven Ausstieg empfehlen wir deshalb nochmals zu überdenken: Kann man die Situation im aktuellen Betrieb vielleicht doch selbst verändern? Unser Beratungsteam steht allen Mitgliedern in dieser schwierigen Situation gerne zur Seite.

    Steht die Entscheidung aber fest, sollte man zuerst einen geeigneten  Lehrbetrieb suchen und den bisherigen Lehrvertrag erst dann auflösen, wenn realistisch mögliche Übergangs- und Anschlusslösungen geklärt sind. Bei der Stellensuche empfiehlt es sich, erst einmal bei Verwandten und Bekannten nachzufragen. Vielleicht wissen sie, wo aktuell eine Lehrstelle frei ist oder sie verfügen gar im eigenen Unternehmen über einen freien Posten.

    Bei einer Kündigung ohne Lehrvertrag in einer neuen Firma dürfen Lernende noch drei Monate lang in der Berufsschule bleiben. Haben sie bis dahin noch immer keine passende Anstellung gefunden, müssen sie mit einem schulischen Unterbruch rechnen.

    Autorin: Nicole Fries, Lernende im 3. Lehrjahr (2018)

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