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«Die Bogenkarriere entspricht der biologischen Entwicklung»

Die Bogenkarriere ist zurzeit ein Nischenmodell. In einer solchen wird das Pensum vor der Pensionierung bereits reduziert und Verantwortung übergeben. Daniel Bürki erklärt die Stärken einer solchen Herangehensweise an das Ende des Arbeitslebens.

Es gibt Menschen, die im Alter von gegen 80 noch Ämter wie ein wichtiges Staatspräsidium übernehmen. Wieso sollten Arbeitnehmende bereits vor dem Pensionsalter kürzer treten?

Daniel Bürki: Dass jemand in so hohem Alter noch einer Belastung gewachsen ist, wie es die US-Präsidentschaft darstellt, ist eine grosse Ausnahme. An diesem Vorbild sollte sich niemand messen. Der biologische Normalfall ist anders: Viele ermüden bereits schneller, wenn es auf die 60 zugeht und sind bei Veränderungen auch etwas weniger flexibel. Andere geben in diesem Alter aber auch nochmals richtig Gas.

Wie sollen ältere Arbeitnehmende reagieren, wenn sie an sich einen Energieverlust feststellen?

In meinen Seminaren motiviere ich die Teilnehmenden, sich frühzeitig mit der anstehenden Pensionierung auseinanderzusetzen. Allzu viele lassen es einfach passieren und verpassen damit die Chance, den Übergang und die neue Lebensphase aktiv zu gestalten.

Was halten Sie vom Modell der Bogenkarriere?

Allmählich das Pensum reduzieren und Verantwortung übergeben – das wäre eigentlich ein recht sanfter Übergang ins Pensionsalter, was unserer biologischen Entwicklung entspricht. Viele Unternehmen propagieren die Bogenkarriere und wollen sie bekannter machen. Doch derzeit handelt es sich immer noch um ein Nischenmodell. Denn es ergeben sich auch Nachteile, denen nicht alle gewachsen sind.

Zum Beispiel?

Die meisten möchten als stolze Mitarbeitende auf dem Höhepunkt ihrer Karriere aus dem Arbeitsleben scheiden. Wenn sie schon vorher einen Schritt zurücktreten und in der Hierarchie absteigen, kann das den Eindruck erwecken, dass sie sich langsam verabschieden und nicht mehr so interessiert sind am Erfolg der Firma. Häufig werden ältere Personen dann nicht mehr eingeladen zu wichtigen Meetings und erhalten nicht mehr alle Informationen. Es braucht eine starke Persönlichkeit, um nicht unter diesem Statusverlust zu leiden.

«Allmählich das Pensum reduzieren und Verantwortung übergeben – das wäre eigentlich ein recht sanfter Übergang ins Pensionsalter, was unserer biologischen Entwicklung entspricht.»
Daniel Bürki

Was für Folgen hat die Bogenkarriere in finanzieller Hinsicht?

In den meisten Unternehmen steigt der Lohn immer noch mit zunehmendem Alter kontinuierlich an. Wer das Pensum im Alter reduziert, verzichtet auf den höchsten Lohn und somit meist auch auf die höchsten Einlagen in die Altersvorsorge. In den meisten Firmen müssen die Arbeitnehmenden selber für die Lücken in der AHV und der Pensionskasse aufkommen, wenn sie keine Einbussen in Kauf nehmen wollen. Das können und wollen sich nicht alle leisten.

Welche Chancen sehen Sie in diesem Modell?

Viele – vor allem Männer – haben während des Arbeitslebens kaum Zeit, ihren Interessen nachzugehen. Wenn sie dann mit 65 plötzlich von einem Tag auf den anderen zuhause bleiben müssen, sind sie oft etwas ratlos, auch wenn sie sich auf die Pensionierung gefreut haben. Eine Bogenkarriere erlaubt, sich bereits früher Freizeitbeschäftigungen und andere Lebensinhalte zu suchen, statt sich nur über den Beruf zu definieren.

Wie thematisieren Sie diesen Prozess in Ihren Kursen?

Ich animiere die Teilnehmenden, verborgene, latente Begabungen aufzuspüren, Sehnsüchte auszusprechen und sie in konkrete Aktivitäten zu transformieren. Wer in einer Partnerschaft lebt, sollte die Entwicklung auch gemeinsam mit der Partnerin oder dem Partner angehen. Denn auch auf diese kommt eine einschneidende Veränderung zu.

Auch Sie haben das reguläre Pensionsalter bereits überschritten und arbeiten noch. Wie gehen Sie selber den Übergang in den Ruhestand selber an?

Ich habe mein Leben lang sehr intensiv gearbeitet. Nun nehme ich es von Jahr zu Jahr etwas ruhiger und widme mich privaten Projekten sowie meinen Enkeln. Dennoch bin ich glücklich, dass ich als Kursleiter immer noch gefragt bin.

Veröffentlicht am: 01.12.2020

«Eine Bogenkarriere erlaubt, sich bereits früher Freizeitbeschäftigungen und andere Lebensinhalte zu suchen, statt sich nur über den Beruf zu definieren.»
Daniel Bürki

Zur Person

  • Daniel Bürki

    Selbstständiger Coach und Kursleiter. Unter anderem bietet er bei Pro Senectute den Workshop «Späte Freiheit» an (www.avantage.ch) und bei der Bundesverwaltung das Seminar «Pension in Sicht».

Verschiedene Wege in den Ruhestand

Teilzeitarbeit

Kürzere Arbeitstage oder mehr Freitage.

Fliessende Pensionierung

Senkung des Beschäftigungsgrades vor der Pensionierung, im Gegenzug Verlängerung der Tätigkeit über das Pensionsalter hinaus.

Bogenkarriere

Ältere Mitarbeitende geben allmählich Verantwortung ab und übernehmen andere Funktionen und Aufgaben innerhalb der Firma. Zum Beispiel treten sie von einer Führungsfunktion zurück und haben stattdessen fortan eine Projektleitung inne. Dieser Schritt ist oft auch nötig, um das Pensum zu reduzieren.

Generationentandem

Ein jüngerer und ein älterer Mitarbeiter teilen sich eine Stelle und bringen dabei verschiedene Sichtweisen ein. Das Modell ermöglicht zudem Teilzeitarbeit und Wissenstransfer.

Mentoring

Ältere Mitarbeitende werden als Mentoren für Jüngere eingesetzt. Besonders für Führungskräfte geeignet.

Stafettenmodell

Schrittweise Übergabe belastender Aufgaben an eine nachfolgende Person, ev. auch verbunden mit der Übernahme weniger anspruchsvoller Tätigkeiten – also ein allmählicher Tausch der Funktionen.

Pool von Ehemaligen

Ehemalige Angestellte arbeiten als Berater, Mentorinnen oder an speziellen Projekten weiter. Sie stehen bei Spitzenbelastungen zur Verfügung. Das Pensum variiert von einzelnen Springereinsätzen bis zur fixen Teilzeitstellt.

Lebensarbeitszeit

Bereits früher im Arbeitsleben wird ein Guthaben an Zeit oder Geld angespart, das später in Form von längeren Ferien oder einer Arbeitszeitreduktion bezogen werden kann. (13. Monatslohn, Treueprämie, übergesetzliche Ferienwoche, Sonntags- und Nachtzulagen etc.)

Weitere Informationen

Autorin

  • Andrea Söldi

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