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Wie neu ist eigentlich New Work?

Flexibles Arbeiten, Work-Life-Blending, neue Arbeitsstrukturen, sinnstiftende Tätigkeiten, Selbstfürsorge: «New Work» als Schlagwort für «Arbeit, die wir wirklich wirklich wollen» ist kein Phänomen der frühen 2020er Jahre. Der Begriff wurde bereits in den 1970er Jahren vom Sozialphilosophen und Anthropologen Frithjof Bergmann geprägt. Doch ist Bergmanns Utopie heute tatsächlich im Mainstream angekommen?

Der Begriff «New Work» ist auf den österreichisch-amerikanischen Sozialphilosophen und Anthropologen Frithjof Bergmann (1930-2021) zurückzuführen. In seinem Buch «Die Freiheit Leben» beschrieb er 1977, dass echte Freiheit erst entstehen kann, wenn Menschen wissen, was sie mit ihrem Leben wirklich, wirklich tun möchten und es ihnen auch ermöglicht wird, dies umzusetzen. Dies war der Grundstein seiner Theorien zu New Work, als Schlagwort für unterschiedliche Arbeits- und Organisationsmodelle, welche 2004 in Buchform erschienen.

Von Krisen in den 1970 Jahren…

Die Thesen zu New Work entstanden im Sinne einer Kapitalismuskritik und gleichzeitig als Gegenmodell zum Kommunismus. Ausschlag gaben die Ölkrise der 1970er Jahre und der durch die Automatisierung verursachte Strukturwandel in der Autoproduktion in den USA. Gemäss Bergmann sollten die Menschen wegkommen von der Knechtschaft der Lohnarbeit, hin zu mehr Selbstbestimmung und Unabhängigkeit des Einzelnen.

Bergmann propagierte, man sollte «die Arbeit, die man wirklich, wirklich tun will» verrichten können. «Es geht nicht um eine Ergänzung zur Lohn- und Fabrikarbeit. Die Neue Arbeit ist nicht das Bemühen, Lohnarbeit zu dehnen oder umzustrukturieren. Es geht um die unendliche Menge an Arbeit jenseits der Lohnarbeit, die … gefördert werden soll.»

«Die neue Arbeit ist nicht das Bemühen, Lohnarbeit zu dehnen oder umzustrukturieren. Es geht um die unendliche Menge an Arbeit jenseits der Lohnarbeit, die gefördert werden soll.»
Frithjof Bergmann (Neue Arbeit Kompakt, 2020):

… zu einer neuen Art des Wirtschaftens

Sein Fazit aus einer Vielzahl von New Work-Projekten war, dass «die Neue Arbeit und das wirklich wirklich Wollen eine materielle Grundlage braucht, eine eigene ökonomische Basis. Solange eine Wirtschaftsform bestehen bleibt, bleibt auch die Kultur. Wenn man die Wirtschaftsform ändert, können die Menschen eine neue Kultur entwickeln. Bergmann war der Ansicht, dass es eine neues System der Produktion braucht: «Die Herstellung von Lebensmitteln und Gegenständen sowie Dienstleistungen dürfen nicht länger von der Lohnarbeit abhängig sein.» (vgl. Neue Arbeit Kompakt, 2020)

Als High-Tech-Eigen-Produktion verstand Bergmann die Möglichkeit – mit Hilfe modernster Hilfsmittel – vom herkömmlichen System der Produktion wegzukommen und Produkte und Dienstleistungen selbst zu produzieren.

«Die neue Arbeit und das wirklich wirklich Wollen braucht eine materielle Grundlage, eine eigene ökonomische Basis. Solange eine Wirtschaftsform bestehen bleibt, bleibt auch die Kultur.»
Frithjof Bergmann (Neue Arbeit Kompakt, 2020):

Aufteilung der Arbeit

Bereits in der New Work angekommen?

Auch das Revival von New Work ist auf einen Strukturwandel zurückzuführen. Die Digitalisierung, verbunden mit der Globalisierung, hat grosse Veränderungen für Wirtschaft und Gesellschaft gebracht – positive wie auch negative.

Technologische Errungenschaften wie Robotics, Virtual Reality und Künstliche Intelligenz bringen in der öffentlichen Wahrnehmung erhebliche Veränderungen der Arbeit mit sich. Routinetätigkeiten verschwinden in gewissen Tätigkeiten, anspruchsvollere Tätigkeiten nehmen zu. Die räumliche Ungebundenheit der Arbeit ermöglicht neue Wege, Arbeit und Privatleben zu vereinen. Plattformarbeiten, d.h. alle Dienstleistungen, die über web-basierte Plattformen vermittelt oder erbracht werden, sind ein gutes Beispiel dafür. Diese Tätigkeiten können lokal verrichtet werden (Gig-Work) oder online (Click- oder Cloud-Work). Die Grenzen zwischen Online- und Offlinearbeit verlaufen jedoch grundsätzlich fliessend. Dadurch stellen Plattformtätigkeiten neue Verhältnisse zwischen Konsumenten, Arbeit-, Arbeitskraft- und Produkt-Anbieter:innen her. Diese veränderte Arbeitswelt wird u.a. unter den Begriffen «New Work», «Future of Work» oder «Arbeit 4.0» subsummiert.

Gleichzeitig ist eine erhöhte Sinnsuche bei der Arbeit festzustellen – auch genannt Sinn-Ökonomie. Menschen wollen eher weniger arbeiten, mehr Zeit für ihre Hobbies und Familien haben und suchen Arbeit, welche ihnen Spass macht.

New Work: Utopie oder Realität?

Wo findet sich nun die Bergmannsche Aufteilung der Arbeit in Erwerbsarbeit, Arbeit, die man wirklich, wirklich will und High-Tech-Eigenproduktion wieder? Zum Beispiel in der Sinnhaftigkeit der Arbeit, dem Propagieren von Nachhaltigkeit, der Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten und nach einer besseren Vereinbarkeit. Alles Forderungen, welche im aktuellen öffentlichen Diskurs zu finden sind. Die Utopie von Bergmann ist also durchaus im Mainstream angekommen.

Veröffentlicht am: 12.1.2023

Der vollständige Beitrag inkl. politischer Analyse ist auf die-plattform.ch, der Website der politischen Allianz des Kaufmännischen Verbands Schweiz, verfügbar.

«Die räumliche Ungebundenheit der Arbeit ermöglicht neue Wege, Arbeit und Privatleben zu vereinen.»
Neue Arbeit Kompakt, 2020

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Autor:in

  • Ursula Häfliger

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