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Haben wir nicht alle dieses Bild im Kopf? Der kreative Künstler oder die Chaotin, die so herrlich unkonventionell denkt. Die gute Nachricht ist: Kreativität ist kein gottgegebenes Talent – kreativ sein kann jeder.

Angesichts vielfältiger neuer Herausforderungen – Globalisierung, Digitalisierung oder Klimawandel sind nur einige Beispiele dafür – ist die Kreativität zur Schlüsselkompetenz aufgestiegen. Während wir früher viele Probleme mit unserem Erfahrungsschatz angehen konnten, reicht dies heute oft nicht mehr. Es gilt, bestehende Strukturen und Routinen aufzubrechen und den Kopf für Neues freizumachen.

Unternehmenskultur ist wichtig

Unternehmen können viel dafür tun, um Kreativität zu fördern: Die Unternehmenskultur spielt dabei genauso eine Rolle wie die Ergebnisoffenheit auf der Suche nach neuen Lösungen. So unterstützen flache Hierarchien und der Einbezug von möglichst vielen verschiedenen Menschen und Meinungen den Kreativitätsprozess. Gegenseitiger Austausch ist dabei das A und O – auch wenn das Zeit und Energie kostet. Dazu gehört, sich auf andere Perspektiven einzulassen und gelegentlich umzudenken. Diversity dient also ganz direkt der Kreativität in einer Firma.

Auch räumliche Gegebenheiten in Unternehmen fördern oder verhindern Kreativität. In einem Betrieb gibt es idealerweise Plätze, die unterschiedliche Zwecke haben: Die Küche ist der Ort des Austauschs, Rückzugsorte dienen zum Nachdenken und Konzentrieren. Vielleicht gibt es auch noch einen Aussenraum oder ein Sitzungszimmer, wo rege Diskussionen stattfinden können.

Kreativität fördern
Die Unternehmenskultur spielt dabei genauso eine Rolle wie die Ergebnisoffenheit auf der Suche nach neuen Lösungen. So unterstützen flache Hierarchien und der Einbezug von möglichst vielen verschiedenen Menschen und Meinungen den Kreativitätsprozess.

Ideen machen verletzlich

Ein gutes Arbeitsklima und ein wertschätzender Umgang tragen dazu bei, dass sich jeder auch einzubringen getraut. Creative Director Luitgard Hagl von Jung von Matt LIMMAT, sagt dazu: «Unsere Ideen können immer nur aus unserem eigenen Erfahrungsschatz kommen, weshalb sie uns auch verletzlich machen. Da ist es ganz wichtig, dass die Inputs nicht sofort bewertet werden.» Sie plädiert dafür, einen Ideenfindungsprozess in die Phasen Entwicklung, Evaluation und Umsetzung aufzuteilen.

Denn nicht jede gute Idee ist letztlich auch praktikabel. Oder in anderen Worten, wie es die Autoren im Buch «Kreativ im Job» schön geschrieben haben: «Die kreativen Ideen von heute gehören morgen zur Routine.» Wenn die Idee wirklich gut umsetzbar war, hat man schnell das Gefühl, sie sei gar nicht so spektakulär gewesen. Die besten Ideen kommen nämlich zwar auf unlogische Weise zustande – erscheinen dann aber total naheliegend.

Methoden zum Kreativsein

Es gibt eine Vielzahl von Spielen und Techniken, die Kreativität an sich fördern. Brainstorming und Mindmaps gehören nur zu den bekanntesten Methoden.

«Unsere Ideen können immer nur aus unserem eigenen Erfahrungsschatz kommen, weshalb sie uns auch verletzlich machen. Da ist es ganz wichtig, dass die Inputs nicht sofort bewertet werden.»
Luitgard Hagl

Brainwriting

Beim Brainwriting wird eine Idee so lange aufgeschrieben, bis einem nichts mehr dazu einfällt. Anschliessend wird das Blatt weitergegeben und durch das nächste Teammitglied ergänzt.

Die Walt-Disney-Methode

Die Walt-Disney-Methode gleicht einem Rollenspiel, in dem einzelne Personen in die Rolle des Träumers, des Realisten und des Kritikers schlüpfen. Zum Resultat gehören nicht nur veränderte Blickwinkel, sondern auch die direkte Überprüfung von Ideen.

Flip-Flop

Flip-Flop heisst jene Technik, bei der man alles auf den Kopf stellt. Die Teammitglieder fragen sich, was man tun müsste, um die Lösung eines Problems ganz sicher nicht zu erreichen. Später werden die Antworten umgekehrt und verfeinert.

«Kreativität braucht Disziplin»

Bamna Dadashzadeh, Junior Project Manager & Researcher beim Think Tank W.I.R.E

«Kreativität ist kein Talent, das man besitzt oder nicht. Sie braucht viel Disziplin und Engagement. Wir bei W.I.R.E wollen die Herausforderungen unserer Zeit genau verstehen und die Zusammenhänge umfassend ergründen. Kreativität kommt dann ins Spiel, wenn es darum geht, anhand unserer wissenschaftlich fundierten Analysen künftige Bedürfnisse herauszukristallisieren und Möglichkeiten zu definieren, auf diese einzugehen.

Gerade bei neuen Problemen braucht es alternative Denkansätze und eine ganz grundlegende Offenheit für das Resultat. In der Publikation Invisible Hands haben wir beispielsweise kürzlich die Chancen und Risiken von Algorithmen thematisiert: Wir haben unter anderem ausgeführt, dass sie globale Gemeinschaften fördern, aber auch zu sozialer Segregation führen können. Algorithmen können uns also sowohl ermächtigen, aber auch entmündigen. Eine disziplinübergreifende und vernetzte Herangehensweise ist bei solchen Fragen wichtig, denn differenzierte Ideen entstehen nicht in einem Vakuum. Damit wir solche Zusammenhänge erkennen, müssen wir nicht offensichtliche Aspekte zusammenbringen und vor allem eine grosse Neugierde beibehalten.»

«Ein Rahmen ist mir wichtig»

Sabina Brägger, Textildesignerin

«Wir wurden bereits im Studium auf das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert, weshalb dieser Prozess bei mir schon damals in Gang gesetzt wurde. Als ich dann am Master war, hatte ich mich bereits mit Leder aus Fischhäuten selbständig gemacht und arbeitete unglaublich viel. Erst nach dem Abschluss merkte ich, wie wichtig für meine Kreativität ein gewisser Rahmen ist. Es fällt mir schwer, wenn alle Möglichkeiten offenstehen. Ich habe mittlerweile daraus gelernt und setze mir selber gewisse Bedingungen: Ich arbeite meist mit Restmaterialien, die andernorts übrigbleiben und diese müssen später wieder trennbar sein. Ausserdem will ich alle Produzenten persönlich kennen. All das gibt mir Halt, um meine Kreativität ausleben zu können.

Wenn ich meine Ideen spinne, ist das dann sehr organisch. Die Gedanken bleiben ja nicht im Atelier. Auch wenn ich in den Ferien bin, zuhause lese oder spaziergehe – sie kommen immer mit. Ich studiere auch viel beim Essen: was passiert mit den Abfallmaterialien? Was könnte man nutzen? Zwischendurch lege ich die Ideen dann zur Seite, bespreche sie mit nahestehenden Menschen oder mache an einer anderen Stelle weiter. Es ist ein Wechselspiel, das Schritt für Schritt vorwärtsgeht.»

«Kreativität kann man kontrollieren, indem man loslässt»

Luitgard Hagl, Executive Director Jung von Matt LIMMAT

«Kreativität ist für mich ein anderer Modus zu denken. Jeder ist in der Lage, diesen Modus einzuschalten und seinem Gehirn quasi den nötigen Freiraum für unkonventionelle Verknüpfungen zu geben. Eigentlich geht es bei Kreativität ja immer darum, Dinge quer zu vernetzen; Themen zusammenzubringen, die normalerweise nicht zusammengehören.

Bei uns in der Werbung, wo wir gewissermassen von der Kreativität leben, können wir das natürlich nicht dem Zufall überlassen. Wir sind deshalb geübt darin, uns relativ rasch in diesen Modus zu versetzen. Ich mache dann die Mails aus und wechsle den Ort. Wenn ich gar nicht weiterkomme, dann lese ich New Yorker Cartoons – da geht es auch immer um Querverbindungen.

Ironischerweise kann man Kreativität am besten kontrollieren, indem man sie loslässt. Einfach mal anfangen, ohne Druck – das wirkt Wunder. Lockerheit und Angstfreiheit sind total wichtig. Das fliesst auch in Meetings oft ein: Am Anfang stehen Witze, Turnübungen oder ein bisschen Quatschen auf dem Programm. Das ist keinesfalls unproduktive Zeit, sondern hilft, aus dem Working Mode herauszukommen und den kreativen Prozess in Gang zu setzen.»

Veröffentlicht am: 01.06.2021

Autorin

  • Rahel Lüönd

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