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«Gender Diversity steht und fällt mit der Entschlossenheit des Topmanagements»

Patricia Weiss Wermuth ist Personalmanagerin bei der internationalen Headhunting-Agentur HUNTING/HER für weibliche Führungskräfte. Im Interview erzählt sie über ihre Erfahrungen auf der Suche nach Female Executives und Kaderkräften.

Suchen Sie qualifizierte Frauen auf anderen Wegen als Sie ihre männlichen Pendants suchen würden?

Patricia Weiss Wermuth: Ja, die gezielte Suche nach weiblichen Executives unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom klassischen Headhunting-Ansatz. Schon angesichts der weitreichenden Unterrepräsentanz von Frauen in den meisten Kaderpositionen stösst die klassische Direktsuche auf der Basis von Zielfirmenlisten, wie ihn die meisten Headhunter praktizieren, schnell an seine Grenzen. Gezieltes «Frauen-Headhunting» muss daher verstärkt auch weitere Wege gehen. Jahrelang gepflegte Datenbanken und Netzwerke sind Ansätze dafür.
  
Was beschäftigt Schweizer Unternehmen auf der Suche nach Führungskräften?

Das ist individuell, je nach Unternehmen und Vakanz. Generell spüren wir, dass viele Unternehmen der immer stärker spürbare Fachkräftemangel beschäftigt.

Ist Frauenförderung und Diversity ein echtes Anliegen – oder wird es noch wenig konsequent umgesetzt? 

Ich würde sagen beides, und das Umdenken hat deutlich zugenommen. Oftmals werden die Themen Diversity und Frauenförderung politisch durchaus wahrgenommen und diskutiert. In der Realität passiert aber noch immer zu wenig. Gender Diversity muss topdown gelebt und konsequent umgesetzt werden. Passiert dies nicht, bleibt das Leistungspotenzial einer Bevölkerungshälfte nicht oder zu wenig genutzt.
 

«Gender Diversity muss topdown gelebt und konsequent umgesetzt werden. Passiert dies nicht, bleibt das Leistungspotenzial einer Bevölkerungshälfte nicht oder zu wenig genutzt.»
Patricia Weiss

Immer wieder wird das Argument ins Feld geführt, dass für hochrangige Jobs praktisch keine Frauen zur Verfügung stünden. Teilen Sie diese Ansicht? 

Zu kleinen Teilen ist dies sicherlich richtig, vor allem in MINT-Berufen. Das «Fehlen» der Frauen mag auch damit zu tun haben, dass viele Familienfrauen längere Arbeitspausen machen und danach oftmals nur mit einem Teilzeitpensum zurückkehren.

Andererseits gibt es aber noch zu wenige Vorbilder, welche das Gegenteil sichtbar vorleben. Auch der Faktor der «homosozialen Reproduktion» nach Thomas Sattelberger spielt eine Rolle, wovon ich unsere Branche der Personalberater gar nicht ausnehmen möchte. Viele klassische Headhunter:innen waren und sind selbst ein Faktor für den zu langsam fortschreitenden Wandel in Richtung von Chancengleichheit und mehr Diversität im Top-Management.

Welche spezifischen Anforderungen stellen Frauen an die Arbeitswelt?

Die Anforderungen der Frauen decken sich in vielen Aspekten mit denjenigen der Männer: Sie möchten einen spannenden Job, gefordert sein, von den Vorgesetzten gefördert werden und kontinuierlich lernen können. Was bei manchen Frauen vielleicht etwas anders ist: Sie möchten in erster Linie mit ihren Leistungen überzeugen und weniger Politik machen. Männern macht es oftmals weniger aus, zu lobbyieren und sich überall proaktiv zu verkaufen, um an ihr Ziel zu gelangen. Frauen möchten häufig aufgrund ihrer Leistung gesehen und anerkannt werden, und nicht ihre Energie dafür einsetzen, sich überall sichtbar zu machen. Zudem wünschen sich Frauen in der Familienphase häufig eine ausgewogene Balance zwischen Job und der Familie, was bei Familienmännern nicht immer so ausgeprägt ist. 

Eine Zauberformel gibt es vermutlich nicht, geänderte Rahmenbedingungen aber schon. Was müsste man tun, um mehr Gender Diversity in der Führungsetage zu erreichen? 

Dies steht und fällt mit der Entschlossenheit des Topmanagements und damit verbunden gewissen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Zum Beispiel die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, Möglichkeit für Homeoffice-Arbeit, Betriebskrippen, Mentoringprogramme für Frauen sowie interne Programme, um die Sichtbarkeit von Frauen zu fördern. Zudem braucht es die Anerkennung von tatsächlichen Leistungen sowie Role-Models im Top Management.

«Viele klassische Headhunter waren und sind selbst ein Faktor für den zu langsam fortschreitenden Wandel in Richtung von Chancengleichheit und mehr Diversität im Top-Management.»
Patricia Weiss

Erstmals veröffentlicht: 1.6.2021

Letzte Aktualisierung: 23.9.2022

Zur Person

  1. Patricia Weiss Wermuth ist ehemalige Bankerin und erfahrene Personalerin. Sie steht Frauen und Unternehmen bei Karriere-Fragen zur Verfügung und bietet Laufbahnberatung, Potenzialanalyse, Bewerbungstraining, Coaching und Outplacement-Services an.

  2. 2007 in Hamburg und Zürich gegründet, gilt die deutsch-schweizerische Headhunting-Agentur HUNTING/HER heute als die erste Adresse für Female Executive Search (Frauen-Headhunting) in Europa. Als Diversity-Division einer weltweit führenden Executive Search-Beratung verfügt HUNTING/HER nicht nur über eine globale Infrastruktur mit 74 Büros auf allen Kontinenten, sondern auch über zusätzliche Branchen-Expertise aus allen Bereichen der Wirtschaft. 

    HUNTING/HER

Tipps für Erfolg im Beruf

Wie insbesondere junge Frauen im Beruf mehr erreichen können, führt Regula Bührer Fecker in ihrem Ratgeber #Frauenarbeit aus, mit jeder Menge Praxisbezug und eigenen Erfahrungen ergänzt.

Tipps von der Gründerin der Agentur Rod Kommunikation und zweifachen Werberin des Jahres sind unter anderem:

Auffallen

Viele Frauen sind fleissig, bleiben aber im Hintergrund. Mit Fragen (auch vermeintlich dummen), wird man bemerkt und kann Wichtiges rechtzeitig klären. Auch gelegentliche Kompetenzüberschreitungen sind für Regular Bührer Fecker kein No-Go. Hauptsache, man ist aktiv bei der Sache und wird wahrgenommen.

Alternatives Networking

Stehlunches &  Co sind überbewertet. Die Buchautorin plädiert für eine direktere Art von Kontakteknüpfen: Machen Sie eine Liste mit zehn Menschen, die Sie kennenlernen möchten und treffen Sie diese. Auch gemeinsame Mittagessen sind gut. Ein Geheimtipp ist zudem die Erfahrung von Rentner:innen einzuholen: Pensionierte Kolleginnen und Kollegen haben meist Zeit und geben ihr Wissen gerne weiter.

Durchhaltevermögen

Durchhalten und Berufserfahrung sammeln ist gerade in den ersten Jahren wichtig und schafft eine gute Basis für die weitere Karriere. Auch Überstunden lassen sich mit Anfang zwanzig noch einfacher leisten als später beispielsweise mit einer Familie.

Autorin

  • Rahel Lüönd

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