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Reform KV-Lehre: Lernende richtig rekrutieren

Im Sommer 2023 beginnen die ersten Lernenden mit der reformierten KV-Lehre. Die Bewerbungsphase dafür startet bereits im Herbst 2022. Lehrbetriebe können den Rekrutierungsprozess nutzen, um sich mit den neuen Handlungskompetenzen vertraut zu machen.

Die ersten KV-Lehrstellen (Kauffrau/-mann EFZ und Kauffrau/-mann EBA), die nach der neuen Reform durchgeführt werden, starten im Sommer 2023. Die Jugendlichen bewerben sich dafür im Laufe des zweiten Halbjahrs 2022. Für Lehrbetriebe ist wichtig zu wissen, dass sich die Anforderungen an KV-Lernende nicht grundsätzlich ändern: Kaufleute der Zukunft müssen komplexe Herausforderungen meistern, sich in rasch wechselnden Situationen zurechtfinden und engagiert in Projekten und Teams zusammenarbeiten können. Die entsprechenden Kompetenzen erwerben die Lernenden während ihrer Ausbildung und bauen diese gezielt aus.

Handlungskompetenzorientierung

Die neue KV-Lehre setzt den Fokus auf Handlungskompetenzen. Das heisst, es wird nicht mehr in klassischen Fächer unterrichtet, sondern die Lernenden werden sowohl in der Schule wie auch im Lehrbetrieb und in den Branchenkursen (ÜK) in Handlungskompetenzbereichen ausgebildet. Dabei werden die bis anhin unterschiedenen Fach-, Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenzen zusammengeführt. So können stimmen sich die drei Lernorte stärker aufeinander abstimmen. Mit den Wahlpflichtbereichen und Vertiefungsoptionen ist die Ausbildung zudem individueller und auf die Stärken der Lernenden zugeschnitten.

Praxisaufträge erteilen

Der Kaufmännische Verband Schweiz empfiehlt bereits bei der Rekrutierung darauf zu achten, dass die angehenden Lernenden mit der Handlungskompetenzorientierung und dem starken Praxisbezug umgehen können. Für Bewerbungsgespräche eignen sich vor- oder nachbreitenden Aufgaben oder Selektionspraktika, bei welchem Kandidierende zeigen können, wie eigeninitiativ, zielorientiert und fachgerecht sie umgehen. Kathrin Ziltener, Fachverantwortliche Berufsbildung beim Kaufmännischen Verband Schweiz, sagt «Vielerorts können die bestehenden Musteraufgaben übernommen und auf die neuen Handlungskompetenzen angepasst werden.» Sie empfiehlt Berufs- und Praxisbildner:innen sich bereits vor dem Lehrstart 2023 mit den neuen Praxisaufträgen vertraut zu machen und den Bewerbungsprozess dafür zu nutzen. «Beispielsweise kann man eine Aufgabe stellen, bei der man zuerst einen Prozess aus Betrieb mit den Kandidierenden durchläuft und anschliessend diese versuchen, Zusammenhänge und mögliche Optimierungen zu erkennen.»

Gleichzeitig hält Ziltener fest, dass entsprechende Handlungskompetenzen während der Ausbildung erlernt werden und sie somit während der Rekrutierung noch nicht ausgereift sein müssen. «Bei der Rekrutierung geht es darum, herauszufinden, ob und wie die zukünftigen Lernenden mit einer spezifischen Aufgabenart umgehen können und wollen – und natürlich darum, ob ihnen der Betrieb und dessen Prozesse zusagen.» Für Berufsbildner:innen ist die diesjährige Rekrutierung eine Möglichkeit, sich mit den Handlungskompetenzen am betrieblichen Lernort vertraut zu machen.

An der Ausbildung im Lernort Betrieb gibt es keinen Unterschied, ob der oder die Lernende eine EFZ-Ausbildung oder eine Ausbildung mit Berufsmaturität (BM1) macht: Der betriebliche Kompetenznachweis ist gleich. Somit können bei der Rekrutierung die gleichen Selektionspraktika verwendet werden. Übrigens eignen sich die Selektionspraktika auch bei der Entscheidung, ob jemand eher für eine EBA- oder EFZ-Ausbildung geeignet ist.

«Vielerorts können die bestehenden Musteraufgaben übernommen und auf die neuen Handlungskompetenzen angepasst werden.»
Kathrin Ziltener, Fachverantwortliche Berufsbildung beim Kaufmännischen Verband Schweiz
  1. Eine wesentliche Änderung mit der Reform ist die Abschaffung der Profile resp. die Anschaffung von Optionen und Wahlpflichtbereichen. Die insgesamt acht Kombinationsmöglichkeiten ermöglichen auf die individuellen Stärken der Lernenden einzugehen. Empfehlungen, welche Voraussetzungen die Jugendlichen für die KV-Lehre brauchen, sind im neuen Ratgeber «KV-Lehre: Alles klar!»  sowie im Merkblatt «Anforderungen an die Lernenden» der SKKAB ersichtlich.

    Im dritten Lehrjahr werden Lehrbetriebe ihren Lernenden sogenannte Optionen anbieten. Diese erweitern einzelne, im Qualifikationsprofil bestehende Handlungskompetenzbereiche und ermöglichen es, die Stärken und Interessen der Lernenden individuell zu fördern. Welche Optionen ein Lehrbetrieb anbieten kann, hängt davon ab, ob betriebliche Voraussetzungen vorhanden sind (vgl. Anforderungen an die Lehrbetriebe). Falls dies nicht der Fall ist, ist Kreativität gefragt: Beispielweise könnten Lehrbetriebe den Lernenden ein Praktikum in einem passenden Unternehmen ermöglichen und dieses in die Ausbildungsplanung integrieren (analog zu einem Abteilungswechsel). Die Option wählt der oder die Berufsbilder:in im Verlauf des zweiten Lehrjahrs gemeinsam mit der lernenden Person.

Eine Lehre für verschiedene Stärken

Mit den erwähnten Optionen und Wahlpflichtbereichen können Lernende ihren jeweiligen Stärken entsprechend die Lehre gestalten. Zudem gibt es die Möglichkeit für schulisch schwächere Lernende oder jene, die sich mehr Zeit nehmen möchten, die zweijährige Berufsattest-Ausbildung (EBA) und im Anschluss die EFZ-Lehre zu absolvieren. Da die EBA-Reform ein besonderes Augenmerk auf den Übergang zur Ausbildung Kauffrau/-mann EFZ legt, können EBA-Absolvierende ins zweite Lehrjahr der EFZ-Lehre einsteigen und bereits innerhalb von vier Jahren zu einem EFZ-Abschluss gelangen.

Schulisch starke Jugendliche können während der Lehre die Berufsmatur (BM1) absolvieren, sofern sie die kantonalen Voraussetzungen (z.B. Aufnahmeprüfung, schulische Anforderungen) erfüllen. Die BM1 unterscheidet sich zur Lehre ohne Berufsmaturität bei den schulischen Schwerpunkten: Neben der EFZ-Ausbildung wird erweiterte Allgemeinbildung in Mathematik, Geschichte und Politik sowie Technik und Umwelt unterrichtet. Zudem haben BM1-Lernende mehr Fremdsprachenunterricht, um in zwei Sprachen das Niveau B2 zu erreichen. Da die BM1 stärker fächerorientiert ist, werden die für den EFZ-Abschluss benötigten Handlungskompetenzen in Form von Trainingseinheiten beigebracht.

Zuerst veröffentlicht am 25.8.2022

Autor:in

  • Claudia Agnolazza

    Communications Manager beim Kaufmännischen Verband Schweiz

Ratgeber «KV-Lehre: Alles klar!»

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