Seitennavigation & Suche

Kündigung des «Krisen-GAV» mit Swissport: Zäsur in der Geschichte der Sozialpartnerschaft

An einer ausserordentlichen Sitzung am Mittwoch, 22. Juni 2022, hat der Kaufmännische Verband Schweiz gemeinsam mit den Gewerkschaften VPOD und SEV-GATA entschieden, den sogenannten «Krisen-GAV» mit der Swissport International AG, Station Zürich zu kündigen. Die Weigerung von Swissport zum regulären GAV 2019 zurückzukehren, einen Teuerungsausgleich zu bezahlen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausreichend zu berücksichtigen und die unhaltbaren Arbeitsbedingungen am Standort Zürich, haben zu diesem historischen Entscheid geführt.

Seit dem 1. Januar 2021 gilt eine Zusatzvereinbarung zum GAV 2019 (Gesamtarbeitsvertag) mit Swissport. Dieser sogenannte «Krisen-GAV» war als temporäre Kostensenkungsmassnahme zur Bewältigung der Corona-Krise gedacht. Um das wirtschaftliche Überleben ihres Unternehmens zu sichern und ihre Arbeitsplätze zu erhalten, hatten die Angestellten von Swissport am Standort Zürich massive finanzielle Einschnitte in Kauf genommen.

Voraussetzung für die Zustimmung zum «Krisen-GAV» war indes stets die Rückkehr zum regulären GAV 2019, sobald sich die wirtschaftliche Lage erholt hat. Mit der Aufhebung der Corona-Massnahmen durch den Bundesrat am 16. Februar 2022 und der dadurch eingetretenen wirtschaftlichen Entspannung, sind diese Voraussetzungen erfüllt.

Swissport schliesst Aufhebung des «Krisen-GAV» kategorisch aus

Swissport lehnt eine Rückkehr zum GAV 2019 kategorisch ab. Zudem hat Swissport in den vergangenen fünf Verhandlungsrunden zwischen April und Juni 2022 klar gemacht, dass nicht, wie vereinbart, der GAV 2019, sondern der temporäre «Krisen-GAV» bzw. die daraus resultierenden Kostenersparnisse als Verhandlungsgrundlage für den zur Verhandlung stehenden, neuen GAV verwendet werden müsse

Für den Kaufmännischen Verband Schweiz und die Gewerkschaften VPOD und SEV-GATA steht fest: Ausgangslage für neue GAV-Verhandlungen darf keinesfalls der «Krisen-GAV» sein. «Wir fordern einstimmig die Rückkehr zum GAV 2019, einen Teuerungsausgleich und eine bessere Work-Life Balance, welche auch ein Sozialleben ausserhalb der Arbeitszeit ermöglicht», erklärt Michael Horvath, Fachverantwortlicher Sozialpartnerschaft beim Kaufmännischen Verband Schweiz. «Nur dieses Massnahmenpaket kann sicherstellen, dass Angestellte von Swissport am Standort Zürich wieder von guten und fairen Arbeitsbedingungen profitieren.»

Personalmangel und prekäre Arbeitsbedingungen

Die Mitarbeitenden von Swissport, Station Zürich, laufen am Limit. Der akute Personalmangel führt zu einer massiven Überlastung der Mitarbeitenden, was Zusammenbrüche und psychische Erkrankungen zur Folge hat. «Von fairen und geregelten Arbeitsbedingungen, gerechtem Lohn, ausreichenden Ruhezeiten und einem Sozialleben ausserhalb der Arbeit kann derzeit nicht mehr gesprochen werden», sagt Horvath. «Die Arbeitsbedingungen sind nicht mehr zumutbar.»

Diese gravierenden Missstände haben den Kaufmännische Verband Schweiz, gemeinsam mit dem VPOD und SEV-GATA, dazu bewegt, die Kündigungsklausel des «Krisen-GAV» zu beanspruchen, um ihn auf den 31. Dezember 2022 aufzuheben. Dieser Entscheid wird einstimmig von allen betroffenen Mitgliedern der Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände im Luftverkehr getragen.

Zäsur in der Geschichte der Sozialpartnerschaft

Für Christian Zünd, CEO des Kaufmännischen Verbands Schweiz, markiert die Kündigung eine Zäsur in der knapp 150-jährigen Geschichte des Verbands: «In knapp 80 Jahren Sozialpartnerschaft im Luftverkehr, sah sich der Verband noch nie gezwungen, einen solchen Schritt zu gehen. Wir stehen klar hinter dem Erfolgsmodell der Sozialpartnerschaft und befürworten eine offene, lösungsorientierte Dialogkultur. Doch die aktuellen Arbeitsbedingungen und die Haltung von Swissport lassen uns heute keine andere Wahl, als den «Krisen-GAV» zu kündigen.»

Es wurden bereits mehrere neue Verhandlungstermine für August und September 2022 vereinbart. Arbeitgeber und Sozialpartner bekunden damit ihren Willen, weiterhin an einer Lösung interessiert zu sein. Diese muss jedoch sozialverträglich und fair gestaltet werden und darf nicht auf dem Rücken der Mitarbeitenden ausgetragen werden. Die Mitarbeitenden von Swissport haben in den vergangenen Jahren immer nur Abstriche zu Gunsten ihres Arbeitgebers gemacht. Weitere Verschlechterungen zu Lasten der Mitarbeitenden können schon unter dem Aspekt der «Fürsorgepflicht» nicht mehr akzeptiert werden.

Kontakt

Links und Downloads