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«Ich will Lernende erfolgreich durch die KV-Lehre begleiten»

Der KV-Quereinsteiger Marco Princic unterstützt Lernende als Berufsbildner im Bundesamt für Energie. Dabei hilft ihm nicht zuletzt seine langjährige Erfahrung als ehemaliger Pflegefachmann in der Psychiatrie.

Marco Princic wollte bereits nach der Grundschule eine kaufmännische Lehre machen. Doch bei der Stellensuche vor 20 Jahren stand dem schweizerisch-italienischen Doppelbürger sein fremd klingender Nachname im Weg – die über 50 Bewerbungen blieben erfolglos. «Daneben war auch der Pflegeberuf schon immer eine Option für mich, doch dafür war ich noch zu jung», sagt er. Marco liess sich durch diese Herausforderungen nicht beirren und wählte eine Lehre als Koch. Danach folgte der Militärdienst, und im Anschluss machte er ein Praktikum in der Psychiatrie. Mit Erfolg: Seine Vorgesetzten waren begeistert und legten ihm nahe, eine Lehre als Pflegefachmann mit Schwerpunkt Psychiatrie zu absolvieren.

Durch einen Schicksalsschlag zur Neuorientierung gezwungen

Das tat er und blieb der Pflege rund 11 Jahre treu. Er liebte den Beruf und den Umgang mit den Menschen. Doch ein Schicksalsschlag zwang ihn dazu, sich neu zu orientieren. Mit 23 Jahren wurde bei ihm eine Augenkrankheit diagnostiziert. «Retinitis pigmentosa» ist eine Netzhauterkrankung, auch als «Tunnelblick» bekannt.

«Du musst dir vorstellen: Wenn du vor mir stehst, sehe ich einfach nur dein Gesicht. Ich sehe nicht, ob jemand links oder rechts dazukommt oder du deinen Arm bewegst», erklärt Marco. In der Pflege bedeutete dies ein zunehmendes Sicherheitsrisiko. Marco sah nicht, wenn ältere Patientinnen aus dem Zimmer traten, oder erkannte den Randstein nicht, wenn er jemanden im Rollstuhl begleitete. Er musste sich mit seiner Behinderung auseinandersetzen und realisierte, dass er seinen Pflegeberuf so nicht mehr länger ausüben konnte. «Ich musste mich schlicht auf eine grosse Veränderung einstellen», fügt er hinzu.

«Ich habe in der Lehre und um Beruf immer offen über meine Sehbehinderung gesprochen.»
Marco Princic:

Zweiter Berufswunsch KV geht in Erfüllung

Marco meldete sich bei der Invalidenversicherung (IV), um alternative Berufsmöglichkeiten zu prüfen. Dort empfahl man ihm drei verschiedene Lehren: Informatiker, medizinischer Masseur oder die kaufmännische Lehre. Für Marco war klar: Das KV muss es sein.

Er besuchte eine einjährige Umschulung bei der Schweizerische Fachstelle für Sehbehinderte im beruflichen Umfeld (SIBU) in Basel. Diese Schule ist darauf spezialisiert, sehbehinderte Menschen wieder in den Berufsalltag zu integrieren. Die inhaltliche wie auch methodische Vorbereitung auf die Lehre und der Austausch mit anderen sehbehinderten und blinden Kolleg:innen seien extrem wertvoll gewesen, erzählt Marco. Herausforderungen gab es durchaus, auch fachlich. «Ich war 32 Jahre alt und musste Buchhaltung lernen und wieder Französisch und Deutsch büffeln. Letzteres war nicht einfach», lacht er.

Berührungsängste aus dem Weg räumen

In der Lehre leisteten Marco und ein weiterer sehbehinderter Kollege gleich selbst Aufklärungsarbeit, wie er aufzeigt: «Wir sprachen darüber, wie wir sehen und mit welchen Schwierigkeiten wir konfrontiert sind. Damit waren alle Berührungsängste aus dem Weg geräumt und die jüngeren Kolleginnen und Kollegen gingen ganz normal mit uns um.»

Offene Kommunikation und Integration

Marco spricht offen und gelassen über seine Sehbehinderung und erklärt mir alles genau. Im Büro hat er ein Screenreader zur Verfügung, der ihm Texte ab Bildschirm vorliest. Die Screenreader funktionieren für die meisten Microsoft-Office-Programme einwandfrei. Die Blindenschrift Braille hat er noch nicht gelernt. «Solange du noch etwas siehst, schaust du auf die Knöpfe über den Modulen, und fokussierst nicht auf das Gespür.»

Seine Vorgesetzten und Mitarbeitenden wissen, worauf sie im Umgang mit Marco besonders achten müssen. Besondere Hindernisse wie Pflanzentöpfe oder andere Stolperfallen wurden aus dem Büro geräumt. «Und wenn ich jemanden beim Vorbeigehen nicht grüsse, heisst das schlicht, dass ich ihn nicht gesehen habe», sagt Marco. Im Geschäftsalltag ist Marco langsamer – doch funktionieren tut es trotzdem. Er bekommt keine Sonderbehandlung, sondern wird trotz seiner Beeinträchtigung mit einigen wenigen unterstützenden Massnahmen komplett in den Berufsalltag integriert.

«Ich musste mit 32 Jahren Buchhaltung lernen und wieder Französisch und Deutsch büffeln.»

Ein engagierter Berufsbildner

Auf meine Frage, ob die kaufmännische Lehre mit der neuen Reform mit der Zeit gehe, kann Marco gleich aus zweifacher Perspektive Auskunft geben, denn er ist inzwischen Berufsbildner. In der neuen Lehre werden die Lernenden mit Handlungskompetenzen ausgerüstet, um im Berufsalltag zu bestehen. Marco kennt die Praxisaufträge noch aus der Pflege: «Die Lernenden müssen Themen eigenständig recherchieren, sich vertieft einarbeiten und bekommen nicht alles in Form von Frontalunterricht präsentiert.» Das sei sehr wertvoll, aber dieses eigenständige Arbeiten direkt nach der Grundschule sei auch für einige eine grosse Herausforderung. Aktuell gibt die Umsetzung der KV-Reform für ihn als Berufsbildner viel zu tun: Welche Lehrstationen bietet das Bundesamt für Energie an, welche Optionen gibt es, wie geht man vor bei der Rekrutierung von neuen Lernenden?

Menschenkenntnisse und Einfühlungsvermögen

Marco hatte schon in der Pflege sehr gerne mit Jugendlichen gearbeitet. Diese Leidenschaft kann er nun als KV-Berufsbildner weiterführen. Er begleitet die Lernenden, hilft bei Schwierigkeiten, koordiniert beim Amt die Zusammenarbeit zwischen Berufs- und Praxisbildner:innen und den Lehrstationen, informiert über Neuerungen in der Berufsbildung der Bundesverwaltung und steht beratend zur Seite. Seine Menschenkenntnisse, die Erfahrung, die er sich während seiner Arbeit in der Pflege angeeignet hat, und sein Einfühlungsvermögen helfen ihm dabei. «Jede:r Lernende ist individuell. Wie informiere ich, wie stelle ich sicher, dass wir einen guten Draht zueinander haben?»

Abwechslungsreicher Büro-Alltag

Die Arbeit als Berufsbildner ist eine abwechslungsreiche und inspirierende Aufgabe neben seinem Alltag als Sachbearbeiter Human Resources. Marco schätzt die Flexibilität: «Wenn ich mit den administrativen Aufgaben gut durchkomme, investiere ich mehr Zeit in die Berufsbildung.» Er pflegt zudem einen regen Austausch mit anderen Berufs- und Praxisbildner:innen, auch über sein Departement hinaus. Es geht um Wissenstransfer, aber auch darum, gemeinsame Lösungen für Herausforderungen zu entwickeln.

Die Lernenden miteinbeziehen

Neben der Betreuung der Lernenden schätzt Marco auch den internen und externen Kundenkontakt. Hier kann er Ideen einbringen, Prozesse mitttragen. Bei der Rekrutierung bezieht er die Lernenden gleich mit ein. Dabei überlässt er ihnen in der zweiten Interviewrunde den Lead. «Sie testen die Kandidatinnen und Kandidaten im Berufsalltag, führen ein Vorstellungsgespräch und sind im Entscheidungsprozess mit dabei.» Das Feedback ist positiv: Die Lernenden bringen sich aktiv ein und übernehmen Verantwortung.

Sein Wunsch für die Zukunft? «Ich möchte die Lernenden so durch die Lehre begleiten, dass sie später erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt bestehen können.»

Marco selbst macht es vor: Er bildet sich laufend weiter, übernimmt Verantwortung und nimmt selbst grosse und schwierige persönliche und berufliche Herausforderungen als Chance an. Mit ihm als Vorbild sind die Lernenden bestens gerüstet, um auf dem Arbeitsmarkt Erfolg zu haben.


Erstmals veröffentlicht: 27.3.2023

«Als Berufsbildner bereite ich Lernende auf den Arbeitsmarkt vor.»

Zur Person

Der KV-Quereinsteiger Marco Princic ist 39 Jahre alt und hat 2016 im Generalsekretariat des Eidgenössischen Departement des Innern die kaufmännische Lehre absolviert. Aktuell arbeitet er als HR-Sachbearbeiter und Berufsbildner beim Bundesamt für Energie BFE. In seiner Freizeit hört er Reggae und Hip-Hop, reist gerne an die Wärme und verschlingt Bücher über das organisierte Verbrechen.

Autorin

  • Sibylle Zumstein

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