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Chefin im Yoga-Kosmos

Lola Fred verkauft fair produzierte Yoga-Kleider. Mehrmals täglich verwandelt sich der Shop in ein Yoga-Studio.

Mitten in Zürich, keine fünf Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, befindet sich in einer Passage am Beginn der Europaallee Lola Fred, ein Shop und Studio, wo sich alles um Yoga dreht. Der Raum ist sehr gross und hoch. An den Wänden sind Aufzugsvorrichtungen befestigt. «Damit ziehen wir jeweils die Kleider hoch, wenn hier Yoga-Kurse stattfinden», sagt die Geschäftsführerin Susanne Spirig.

Wir folgen ihr auf die Zwischenetage. Hier befindet sich ihr Arbeitstisch. Darauf verstreut sind Skizzen und Entwürfe, die Wand daneben ist vollgepinnt mit Fotos, Notizen, Zeichnungen, dahinter ein Regal mit Stoffmustern.

Immer unterwegs

2008 hat alles angefangen. Damals war Susanne Spirig noch in einer völlig anderen Branche tätig. Sie arbeitete als Marketing-Verantwortliche von American Airlines für die Schweiz, Deutschland und Italien. Ihr Team arbeitete in London. Sie war praktisch ständig mit dem Flugzeug unterwegs. Ein paar Jahre lang habe ihr das grossen Spass gemacht, erzählt die 45-Jährige, doch irgendwann sei sie zur Einsicht gekommen, dass es so nicht mehr länger weitergehen könne. Dies gerade auch aus gesundheitlichen Gründen. Sie hat damals schon Yoga praktiziert. «Ich empfand das immer als guten Ausgleich zum langen Herumsitzen beim Fliegen.» Und manchmal habe sie beim Anblick von all den smarten Businessleuten gedacht: Denen würde Yoga sicher auch guttun.

Eines Tages flog sie nach Madrid, wo ihre Vorgesetzten tätig waren, um ihren Job zu kündigen. Auf diesem Flug sei ihr die Geschäftsidee, wie wir sie heute an der Europaallee verwirklicht sehen, einfach so zugefallen.

«Ich empfand das immer als guten Ausgleich zum langen Herumsitzen beim Fliegen.»
Susanne Spirig über Yoga:

Erfolgreiche Strategie

Dann ging es um die Raumsuche. Mittlerweile hatte sie in Jasmin Heeb, einer ehemaligen Arbeitskollegin, eine begeisterte Partnerin für ihr Projekt gefunden. Die beiden erfuhren, dass an der Europaallee Räume zu vermieten sind und bewarben sich. Dass diese unglaublich begehrt waren, versteht sich bei diesem Standort von selbst. Wie haben sie es geschafft, dass sie den Zuschlag erhielten? «Wir waren völlig unbefangen, in gewisser Weise auch etwas naiv und nahmen die Sache von der lockeren Seite.» Sie ist überzeugt, dass ihnen dabei auch die unkomplizierte Mentalität zugutegekommen sei, die sie sich während ihrer Zeit beim US-amerikanischen Unternehmen ein Stück weit angeeignet hatten. Manchmal hätten sie noch in der Mittagspause – beide gingen vorübergehend wieder einem Brotjob nach – an einer Präsentation teilgenommen, um ihr Projekt vorzustellen. Und das ohne überhaupt schon eine Firma gegründet zu haben, und in Konkurrenz zu zahlreichen etablierten Bewerbern. Rückblickend meint sie, dass sie damals vermutlich einfach mit dem passenden Konzept am richtigen Ort waren.

Bei der Gestaltung und Einrichtung des Shops konnten sie auf viel Unterstützung von Freunden und Bekannten zählen. «Sonst wäre es nicht gegangen.» Sie hätten tagelang unglaublich hart gearbeitet. Und Ende September 2012 war dann die Eröffnung. Lola Fred – Weshalb dieser Name? «Die Begriffe stehen – ganz ähnlich wie Yin und Yang – für einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte.»

Ein wichtiger Grundsatz des Unternehmens lautet Fairness. Und zwar bezüglich der Produktionsbedingungen für die Kleider wie auch für die Anstellungsbedingungen im eigenen Unternehmen sowie im Zulieferbetrieb. Dieser befindet sich in Portugal. Es handelt sich um ein mittelgrosses Familienunternehmen. Dort werden die von Susanne Spirig und Jasmin Heeb entworfenen Kleidungsstücke produziert: Die Stoffe gewoben, gefärbt, veredelt und verarbeitet. Alles an einem Ort, wie sie betont. «Dadurch können wir zusätzliche Produktionswege von einem Arbeitsschritt zum anderen vermeiden.» Sie legt grossen Wert darauf, in Europa produzieren zu können. Mehrmals jährlich besuchen sie den Betrieb. «Es ist mir wichtig, die Menschen zu kennen, welche unsere Kleider herstellen.»

«Die Begriffe stehen – ganz ähnlich wie Yin und Yang – für einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte.»
Susanne Spirig über die Bedeutung von «Lola Fred»:

Freude an den Produkten

Natürlich könnten auch sie ihre Kollektion in Südostasien herstellen lassen, das wäre sehr viel billiger, aber das sei für sie gar nie ein Thema gewesen. «Wir wollen hinter dem stehen können, was wir tun und Kleider produzieren, die uns Freude machen.» Was in der hiesigen Modebranche üblich ist – die Kleider jeweils zu entsorgen wenn die neue Kollektion eintrifft – hält sie für einen völligen Unsinn. «Bei uns wird nichts weggeworfen.» Zweimal pro Jahr lancieren sie eine neue Kollektion, und die alten Stücke gehen im Ausverkauf weg.

Muss man hier denn Lola-Fred-gestylt zum Yoga erscheinen? «Nein, sicher nicht», meint Susanne Spirig lachend. Man könne gut auch in einem alten T-Shirt und ganz gewöhnlichen Leggins erscheinen. Aber dass man ab und zu hier einkauft, wenn man ins Yoga kommt, klar, das schon auch. Das entspricht ja schliesslich der Geschäftsidee.

Die rund 20 Yoga-Lehrer und -Lehrerinnen arbeiten als Freelancer und unterrichten unterschiedliche Formen und Richtungen von Yoga. Eine Yoga-Lektion kann man online buchen oder ein auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmtes Abo lösen. «Wir wollen es den Kunden so einfach wie nur möglich machen», sagt Susanne Spirig. Pro Lektion nehmen höchstens 20 Personen teil. Viele arbeiten in unmittelbarer Nähe oder schalten auf dem Weg zum Bahnhof einen Yoga-Stop ein. Duschen und Matten stehen zur Verfügung. So etwas wie Schwellenangst soll es hier nicht geben. Jeder ist willkommen. «Noch vor wenigen Jahren hatte Yoga hierzulande einen ausgeprägt esoterischen Touch und war deshalb für viele abschreckend. Wir wollten Yoga in einen neuen Zusammenhang stellen.» Und so brennen denn an der Europaallee auch keine Räucherstäbli, und es ist weit und breit kein Guru zu sehen. Im Vordergrund stehen Erholung und Bewegung. Zweimal im Laufe des Tages werden die Kleider hochgezogen, um 12 und um 19 Uhr verwandelt sich der Shop in ein Yoga-Studio.

«Wir wollen hinter dem stehen können, was wir tun und Kleider produzieren, die uns Freude machen.»
Susanne Spirig über ihre Philosophie:

Individuelle Möglichkeiten

Der Shop öffnet um 9 Uhr. Die Angestellten sollen ihre Arbeitszeiten ebenfalls möglichst ihren Bedürfnissen entsprechend gestalten und die Arbeit auch mit Familienpflichten vereinbaren können. Jeden Monat wird aufgrund der individuellen Wünsche des Verkaufspersonals ein Einsatzplan erstellt.

Sie habe als Chefin schon auch einiges lernen müssen, erzählt Susanne Spirig. Am Anfang sei sie diesbezüglich ziemlich blauäugig gewesen, so nach dem Prinzip: Wir alle hier sind gute Freunde. Eine gewisse Rollenverteilung, unterschiedliche Verantwortlichkeiten und nicht zuletzt ein paar verbindliche Regeln sind ihrer Erfahrungen nach wichtig im Geschäftsalltag. «Auch in einem Kleinbetrieb braucht es Führung. Wir mussten uns immer mal wieder damit auseinandersetzen, wie wir diese wahrnehmen. Schliesslich tragen wir die Verantwortung, dass das Unternehmen erfolgreich ist.»

Mit der Einstellung einer Shopmanagerin, die verantwortlich für das Shopteam ist, verspricht sich die Chefin eine Entlastung von Administrativem und Organisatorischem. Dass sie sich beispielsweise nicht mehr darum kümmern muss, wenn kurzfristig eine Verkäuferin ausfällt, sondern sich auf das Entwerfen von Kleidern konzentrieren und auch mal auswärts arbeiten kann. Sie müsse davon wegkommen, immer noch alles selber machen zu müssen.  Und auch wenn es im Laufe der Zeit die eine oder andere Herausforderung zu meistern gab, lautet ihr Fazit: «Wir haben uns hier unseren Traumjob geschaffen.»

Sowohl bezüglich der Modebranche wie auch dem Yoga ist Susanne Spirig eine Quereinsteigerin. Sie absolvierte ursprünglich eine kaufmännische Lehre in einem Reisebüro. Dort habe sie vieles lernen müssen, dessen Nutzen ihr damals nicht unmittelbar eingeleuchtet habe, doch heute könne sie das eine oder andere noch immer abrufen und davon profitieren. «Obwohl sich meine Berufslaufbahn in eine völlig andere Richtung entwickelt hat, habe ich nie bereut, ursprünglich das KV gemacht zu haben.»

Wie geht es weiter mit Lola Fred? Sie habe da so ein paar Ideen in Richtung Ausbau, sagt Susanne Spirig. Und das entspreche ja auch ganz dem Wesen des Yogas: Stillstand gibt es nicht.

Erstmals veröffentlicht: 1.5.2017
Aktualisiert: 8.2.2022

«Obwohl sich meine Berufslaufbahn in eine völlig andere Richtung entwickelt hat, habe ich nie bereut, ursprünglich das KV gemacht zu haben.»
Susanne Spirig über ihre Berufslaufbahn:

Autor

  • Therese Jäggi

Foto

  • Michele Limina

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