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Sekretärin und Geschichtenerzählerin

Traditionelle Wege haben ihr Gutes, wenn man es versteht, sie hin und wieder zu verlassen. Dies könnte das Motto von Désirée Lauper, Generalsekretärin des Westschweizer Verbands der Medizinischen Praxisassistentinnen (ARAM), stellvertretende Gemeindesekretärin und Geschichtenerzählerin, sein.

«Sind Sie sicher, dass Sie einen Artikel über meine berufliche Laufbahn schreiben wollen? Dieser erscheint mir doch recht gewöhnlich.» Gewöhnlich? Da sind wir uns nicht so sicher. Désirée Lauper geht zwei Teilzeitjobs nach. Zum einen ist sie Generalsekretärin des ARAM, des Westschweizer Verbands der Medizinischen Praxisassistentinnen. «Ich kümmere mich im Sekretariat um alles ausser der Buchhaltung – das trifft sich gut, denn sie ist nicht meine Lieblingstätigkeit», teilt sie uns lächelnd mit. Sie verwaltet das Sekretariat, unterstützt den Vorstand, stellt die telefonische Erreichbarkeit des Verbands sicher und beantwortet Fragen, die oft rechtlicher Natur sind. Die meisten Fragen betreffen die Arbeitsverträge der Mitglieder. «In der Vergangenheit handelte es sich bei den Praxisassistentinnen oft um die Ehefrauen der Ärzte. Auch heute noch kommt es oft vor, dass wir von Personen kontaktiert werden, die seit Jahrzehnten in einer medizinischen Praxis arbeiten, ohne einen Arbeitsvertrag zu haben: Das ist wirklich eine eigene Welt.»

Zwei Teilzeitjobs

Zu diesen Aufgaben gesellt sich auch eine strategische Beteiligung in verschiedenen Gruppen und Kommissionen im Zusammenhang mit der Erstausbildung und Weiterbildung (zur Ausbildung gehört seit 1999 ein EFZ und seit Kurzem auch ein eidgenössischer Fachausweis).

Zum anderen ist Désirée Lauper stellvertretende Gemeindesekretärin ihrer Heimatgemeinde. «Die Arbeit ist abwechslungsreich und reicht von der Baupolizei über das Verfassen der Korrespondenz und die Besetzung des Gemeindeschalters bis zur Genehmigung von Demonstrationen», erklärt Désirée Lauper. Sie ist der Meinung, dass ihre beiden beruflichen Tätigkeiten einander gut ergänzen und ihr helfen, nicht in Routine zu verfallen. Gleichzeitig verschweigt sie aber nicht, dass es manchmal schwierig ist, alles unter einen Hut zu bringen: «Beide Tätigkeiten verlangen viel und dürfen einander nicht behindern: Es ist wichtig, nie ins Hintertreffen zu kommen und loszulassen, wenn Zeit dafür ist. Dies ist eine Frage der Gewohnheit.»

«Beide Tätigkeiten verlangen viel und dürfen einander nicht behindern: Es ist wichtig, nie ins Hintertreffen zu kommen und loszulassen, wenn Zeit dafür ist.»
Désirée Lauper über ihre beruflichen Tätigkeiten:

Abstecher in die Fantasiewelt

Désirée Lauper ist es wichtig, Berufs- und Privatleben streng voneinander zu trennen: «Wenn ich die Tür meines Büros zumache, bin ich nicht mehr im Büro – das gilt auch, wenn ich im Homeoffice arbeite.» Denn neben ihrer Arbeit hat sie eine grosse Leidenschaft für Bücher. «Als ich klein war, war die Bibliothek mein zweites Zuhause», erinnert sie sich. Doch ihre Leidenschaft äussert sich auf vielfache Weise. Als Erwachsene entdeckt sie mehr oder weniger durch Zufall, dass sie gerne erzählt: «Ich habe schon immer gerne Geschichten erzählt und die Leute zum Lachen gebracht.»

Eines Tages schlug ihr eine Kollegin vor, Geschichtenerzählerin zu werden. Désirée Lauper war etwas überrascht, informierte sich und meldete sich für eine Ausbildung an. Heute ist sie Geschichtenerzählerin aus Leidenschaft: «Wenn ich in den Augen der Kinder sehe, wie gespannt sie auf den Ausgang der Geschichte warten, verlängere ich die Spannung bewusst – das sind magische Momente», erzählt sie uns.

Ausbildung zur Kauffrau: Eine strategische Wahl

Obwohl sie aufgrund ihrer guten schulischen Leistungen für ein Studium vorbestimmt zu sein schien, besuchte Désirée Lauper kein Gymnasium. «Ich hatte zwei Dinge im Kopf: Lesen und Reisen. Ich träumte davon, Liverpool zu besuchen. Es war unvorstellbar für mich, eine Ausbildung anzufangen, die ein Studium von mindestens sechs Jahren erforderte», erinnert sie sich. Die KV-Lehre erschien ihr als eine strategische Wahl: «So konnte ich in verschiedenen Bereichen arbeiten, ohne viele Jahre studieren zu müssen.» Sie absolvierte ihre Lehre beim Jugendgericht des Kantons Wallis. «Das hat mir sehr gut gefallen. Ich war jung, und die Fälle, mit denen sich das Gericht beschäftigte, waren oft menschlich schwierig. Dies hat mich jedoch abgehärtet und ich habe gelernt, Berufs- und Privatleben voneinander zu trennen. Es war eine gute Lebensschule.»

«Wenn ich die Tür meines Büros zumache, bin ich nicht mehr im Büro – das gilt auch, wenn ich im Homeoffice arbeite.»
Désirée Lauper über ihre Work-Life-Balance:

Die Reiselust

Nach dem erfolgreichen EFZ-Abschluss bot sich Désirée Lauper die Gelegenheit, zehn Monate als Au-pair-Mädchen in Italien zu verbringen. Gestärkt durch diese positive Erfahrung beschloss sie, in London ein neues Abenteuer zu wagen. Dabei hoffte sie, von London aus hin und wieder Ausflüge nach Liverpool zu unternehmen. Leider verstand sie sich mit der Gastfamilie nicht gut und kehrte deshalb nach Hause zurück. Liverpool musste noch etwas warten ... Wieder zurück in der Schweiz arbeitete sie in verschiedenen Einrichtungen als kaufmännische Angestellte, aber auch als Kellnerin im Gastgewerbe. «Ich wollte Geld fürs Reisen sparen. An meine Karriere dachte ich noch nicht», erinnert sie sich.

Gemeinsam mit einer Freundin begab sie sich auf eine achtmonatige Reise durch Europa: «Unser Budget war gering und unser Ziel war es, Leute kennenzulernen. Wir betrieben deshalb hauptsächlich Couchsurfing. Es war ein unvergessliches Erlebnis, während dessen ich viel über die anderen und über mich selbst gelernt habe.»

Begegnung mit einem Nationalhelden

An diese Reise hat sie viele Erinnerungen. Zum Beispiel daran, wie sie ihr Gastgeber in Polen bat, ihn zur Messe zu begleiten: «Wir waren beide nicht praktizierend, und wir wussten, dass wir kein Wort verstehen würden. Da es für ihn jedoch wichtig schien, haben wir ihn begleitet.» Nach der Messe lud er sie ein, ihn auf den Kirchplatz zu begleiten und sich für ein Foto neben einen «schnurrbärtigen, rundlichen Mann mittleren Alters», vielleicht einen Freund oder Cousin, zu stellen. Dieser entfernte sich, nachdem er sich von ihnen verabschiedet hatte. Erst danach erklärte ihnen ihr Gastgeber ganz ergriffen, dass es sich um Lech Wałęsa gehandelt hatte, den früheren Gewerkschafter und Gegner des kommunistischen Regimes, der von 1990 bis 1995 polnischer Präsident gewesen war – ein echter Nationalheld! «Natürlich wussten wir, wer Lech Wałęsa war. Wir waren jedoch kaum fünf Jahre alt, als die kommunistischen Regierungen in Osteuropa zu Fall kamen: Sein Gesicht sagte uns deshalb nichts ...», erinnert sie sich lächelnd.

«Ich wollte Geld fürs Reisen sparen. An meine Karriere dachte ich noch nicht»
Désirée Lauper über die Zeit nach der Ausbildung:

Zeit der Zweifel

Nach der Rückkehr von ihrer Reise sammelte Désirée Lauper bei verschiedenen Arbeitgebern (vor allem beim Bundesgericht und beim Kanton Waadt) neue Erfahrungen, jedoch ohne viel Begeisterung. «Es handelte sich um recht starre Einrichtungen. Ich begann, mich in der Arbeit zu langweilen, wusste aber nicht, was ich sonst hätte machen können. Ich hatte das Gefühl festzustecken.» Sie beschloss deshalb, den Fachausweis Direktionsassistentin zu erwerben. Während der Ausbildung lernte sie neue Personen kennen, entwickelte neue Fähigkeiten und sah wieder Entwicklungsmöglichkeiten: «Die Ausbildung war intensiv, hat mich aber wieder mit meinem Beruf versöhnt.»

Da sie nach dem Abschluss der Ausbildung arbeitslos war, stürzte sie sich in ein neues Abenteuer. «Bei der Berufsprüfung musste ich auf Englisch eine Präsentation zum Thema ‹Business› halten, und ich beschloss, eine SWOT-Analyse zur Schaffung eines Food Trucks durchzuführen. Mein Lebenspartner und ich liessen uns von diesem Projekt begeistern und setzten es in die Tat um: Wir mieteten einen Winter lang einen Truck und stellten diesen am Ausgangspunkt der Langlaufloipen am Col du Mollendruz auf. Wir boten Quiches, Suppen, Sandwiches und Kuchen an. Dies war nicht nur eine berufliche Herausforderung, sondern auch eine schöne Erfahrung als Paar.»

Arbeitslosigkeit und berufliche Weiterentwicklung

Anschliessend war Désirée Lauper eine Zeit lang arbeitslos. Es ging zwar relativ schnell, bis sie die Anstellung beim ARAM bekam, doch es dauerte noch mehr als ein Jahr, bis sie die zweite Stelle fand. «Es war ein langes Tauziehen mit meiner RAV-Beraterin, die mir dazu riet, diesen Posten aufzugeben, um eine Vollzeitstelle zu suchen, während ich bestrebt war, ihn durch eine zweite Stelle zu ergänzen.» Ihre Hartnäckigkeit wurde letztendlich belohnt.

Last but not least: Seit dem gescheiterten Aufenthalt in England ist Désirée Lauper bereits mehrmals nach Liverpool gefahren. «Ich liebe die besondere Atmosphäre, die dort herrscht. Und wenn ein ganzes Stadion ‹You’ll never walk alone› singt, ist das einfach magisch, da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut.»

Erstmals veröffentlicht: 15.1.2021
Aktualisiert am 10.2.2022

«Die Ausbildung zur Direktionsassistentin war intensiv, hat mich aber wieder mit meinem Beruf versöhnt.»
Désirée Lauper über die Weiterbildung zur Direktionsassistentin:

Autor

  • Dominique Nussbaum

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