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Mental Health am Arbeitsplatz: Was jede:r selbst tun kann

Stress, ständige Erreichbarkeit, fehlende Pausen – psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ist eine Herausforderung. Was kann jede:r selbst tun, um gesund zu bleiben? Arbeitspsychologe Samuel Zäch von Gesundheitsförderung Schweiz gibt wertvolle Tipps, wie man Warnsignale erkennt und präventiv handelt.
Unsere psychische Gesundheit ist ein entscheidender Faktor für unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit im Job. Oft bemerken wir Warnsignale zu spät. «Wenn ich Mühe bekomme mit Einschlafen, dann weiss ich, da ist etwas, das mich stresst», erklärt Samuel Zäch, Arbeits- und Organisationspsychologe. Auch Rückenschmerzen oder Hautreaktionen können persönliche Frühwarnsignale sein. Wer sich aufmerksam beobachtet, kann diese Signale erkennen und frühzeitig gegensteuern. Neben körperlichen Symptomen spielen auch emotionale und kognitive Anzeichen eine Rolle, wie anhaltende Gereiztheit, Konzentrationsschwierigkeiten oder ein Gefühl der Überforderung. «Wichtig ist, dass wir uns aktiv mit unserem Wohlbefinden auseinandersetzen und auf Veränderungen achten», betont Zäch. Regelmässige Selbstreflexion, etwa durch ein Stress-Tagebuch, bewusste Achtsamkeitsübungen und der offene Austausch mit Freund:innen und Arbeitskolleginnen und -kollegen kann helfen, psychische Belastungen frühzeitig zu identifizieren und gegenzusteuern.
Regelmässige Pausen für Konzentration und Erholung
Viele Mitarbeitende unterschätzen den Wert von Pausen. «Regelmässige Pausen fördern die Konzentration», so Zäch. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass bereits nach 30 Minuten die Konzentration nachlassen kann. Eine bewährte Methode ist die Pomodoro-Technik: 25 Minuten konzentriertes Arbeiten, dann eine kurze Pause. «Ich sitze viel am Bildschirm, also mache ich in meinen Pausen etwas im Stehen und nicht am Bildschirm», sagt der Experte. Ein bewusster Kontrast zur Haupttätigkeit unterstützt die Regeneration. Ebenso wichtig ist es, Pausen bewusst in den Arbeitsalltag zu integrieren und nicht aus Zeitdruck zu überspringen. Selbst kurze Bewegungseinheiten oder ein Spaziergang an der frischen Luft können helfen, Stress abzubauen und neue Energie zu tanken. Auch soziale Pausen, in denen man sich mit Kolleginnen und Kollegen austauscht, fördern das Wohlbefinden und stärken das Teamgefühl.
«Regelmässige Pausen fördern die Konzentration.»Andreas Krause, Arbeits- und Organisationspsychologe bei Gesundheitsförderung Schweiz
Die Pomodoro-Technik
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Die Pomodoro-Technik steigert die Konzentration durch strukturierte Arbeitsphasen:
- Aufgabe festlegen – Wählen Sie eine konkrete Aufgabe, an der Sie arbeiten möchten.
- 25 Minuten konzentriert arbeiten – Stellen Sie einen Timer und fokussieren Sie sich ohne Ablenkung.
- 5 Minuten Pause einlegen – Nutzen Sie die kurze Erholung, um neue Energie zu tanken.
- Nach vier Durchgängen eine längere Pause von 15–30 Minuten machen.
- Zyklus wiederholen, bis die Aufgabe erledigt ist.
Erreichbarkeit klären
Eine Herausforderung stellt die ständige Erreichbarkeit dar. «Wenn man sich nicht im Team darüber unterhält, wie schnell auf Mails reagiert werden soll, entsteht oft unnötiger Stress», so Zäch. Viele fühlen sich verpflichtet, sofort zu antworten, obwohl dies oft gar nicht erwartet wird. «Wenn ich abends Mails schreibe, bedeutet das nicht, dass ich erwarte, dass jemand sofort antwortet.» Teams sollten klare Regeln zur Erreichbarkeit definieren und kommunizieren. Zudem kann es hilfreich sein, Zeiten für ungestörtes Arbeiten zu vereinbaren, in denen keine Mails oder Anrufe erwartet werden. Ebenso sollten Vorgesetzte mit gutem Beispiel vorangehen und respektieren, dass Mitarbeitende ihre Erholungszeiten einhalten. Die Einführung von Richtlinien zur digitalen Balance, wie zum Beispiel Mail-Pausen oder festgelegte Feierabendzeiten, kann die psychische Entlastung fördern und Burnout-Risiken reduzieren. Empfehlenswert ist, diese Richtlinien auf Abteilungs- und Teamebene zu definieren und nicht zwingend die gesamte Organisation denselben Vorgaben zu unterwerfen.
Wer unter Dauerstress leidet, sollte nicht zögern, sich Hilfe zu suchen. «Das Wichtigste ist: Friss nicht alles in dich hinein. Sprich darüber und such dir Unterstützung», betont Zäch. Soziale Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzte ist eine der wichtigsten Ressourcen. Wer sich frühzeitig mitteilt, kann Stress reduzieren und langfristige gesundheitliche Folgen vermeiden.
Eigenverantwortung, offene Kommunikation und förderliche Arbeitsbedingungen
Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz beginnt jedoch nicht nur bei einem selbst. Pausen einhalten, Frühwarnzeichen erkennen und sich aktiv abgrenzen sind essenzielle Strategien. Ebenso wichtig ist es, mit Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten offen über Belastungen zu sprechen und förderliche Arbeitsbedingungen gemeinsam aktiv zu gestalten. «Ich kann Weltmeister sein im Pausen machen, aber wenn ich so viel zu tun habe, dass ich gar keine Pausen machen kann, bringt mir das nichts», fasst Zäch den Einfluss von Arbeitsbedingungen auf die individuelle Gesundheit zusammen. Wer seine psychische Gesundheit ernst nimmt, sorgt nicht nur für sich selbst, sondern auch für eine nachhaltige Arbeitskultur, unter anderem durch gemeinsamen Ressourcenaufbau und Belastungsreduktion.
Veröffentlicht am: 10.10.2025
Autor:in: Dominic Karrer
«Das Wichtigste ist: Friss nicht alles in dich hinein. Sprich darüber und such dir Unterstützung.»Samuel Zäch
Infobox
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Samuel Zäch ist Arbeits- und Organisationspsychologe und arbeitet als Projektleiter Betrieb und Entwicklung Betriebliches Gesundheitsmanagement BGM bei Gesundheitsförderung Schweiz – einem Partner-Unternehmen des Kaufmännischen Verbands Schweiz. In dieser Funktion unterstütz er Organisationen und Betriebe beim Aufbau eines systematischen betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM).
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In einer Zeit, in der das Wohlbefinden am Arbeitsplatz immer mehr in den Fokus rückt, stellt die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz zwei innovative und kostenlose Angebote für KMU zu Verfügung, die den Weg in gesunde Arbeitswelten ebnen: das Leadership-Kit mit Tools für den Führungsalltag und die HR-Toolbox mit Antworten auf brennende HR-Themen.
Podcast-Mini-Serie «Mental Health am Arbeitsplatz» (2024)
Der Kaufmännische Verband Schweiz hat für seinen Podcast «kfmv talks» eine Staffel zum Thema «Mental Health am Arbeitsplatz» produziert. Die fünfteilige Serie bricht gesellschaftliche Tabus: Fachleute aus Forschung, Coaching, BGM und Prävention vermitteln ihr Wissen und geben wertvolle Praxistipps. Aber nicht nur Fachleute kommen zu Wort: Betroffene* erzählen authentisch, wie sie psychische Belastungen und Erkrankungen am Arbeitsplatz erlebt und bewältigt haben. Die Blogbeiträge basieren auf den jeweiligen Interviews.
*Ihre Namen wurden geändert und ihre Aussagen nachgesprochen.