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Mental Health am Arbeitsplatz: Zurück in den Berufsalltag

Eine längere Krankheit kann alles verändern – doch der Weg zurück in den Beruf muss kein Sprung ins Ungewisse sein. Mit der richtigen Unterstützung, offener Kommunikation und konkreten Strategien gelingt die Wiedereingliederung. Janett Gründer von der SVA Zürich zeigt auf, wie Betroffene ihren Neustart meistern und wie Arbeitgebende diesen Prozess erfolgreich begleiten können.
Der Wiedereinstieg nach einer längeren Krankheitsabsenz, wie beispielweise nach einer Erschöpfungsdepression, ist mehr als «nur» die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Es geht darum, gesundheitliche Stabilität mit den Anforderungen des Berufslebens zu vereinbaren. Viele Arbeitnehmende fürchten, ihren Job zu verlieren, sobald sie ihre psychische Erkrankung offenlegen. Dabei zeigen Erfahrungen, dass offene Kommunikation und eine unterstützende Unternehmenskultur entscheidend für eine erfolgreiche Wiedereingliederung sind. «Je früher Veränderungen erkannt werden und rechtzeitig gehandelt wird, desto besser sind die Chancen auf eine erfolgreiche Wiedereingliederung», betont Janett Gründer, Beraterin für Prävention und Eingliederung bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich (SVA Zürich).
Schritt für Schritt zur vollen Belastbarkeit
Eines der zentralen Erfolgsrezepte für eine gelungene Rückkehr ist der offene Austausch zwischen Arbeitnehmenden und Vorgesetzten. Betroffene, die frühzeitig das Gespräch suchen, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Lösungen gefunden werden. Wie das Beispiel des Betroffenen Andreas zeigt: «Als die Diagnose Burnout auf dem Tisch lag, war mir klar, dass ich mit meinem Arbeitgeber sprechen muss. Meine Vorgesetzten waren verständnisvoll und haben mich auf meinem Weg begleitet.» Nach einem mehrwöchigen Klinikaufenthalt konnte Andreas seinen Wiedereinstieg durch eine enge Begleitung seiner Vorgesetzten erfolgreich gestalten: «Ich wollte gleich mit 100% zurückkommen», erinnert er sich. «Aber meine Vorgesetzten haben mich dazu ermutigt, es langsamer anzugehen. Ich sollte sukzessive mein Pensum steigern – zuerst 50%, dann 70%. Das hat mir geholfen, wieder in den Arbeitsalltag zu finden.» Auch wenn Andreas heute nicht mehr für diesen Arbeitgeber tätig ist, die Treue hatte er ihm noch lange gehalten: «Ich bin noch fast zehn Jahre bei meinem damaligen Arbeitgeber geblieben und durfte jederzeit auf meinen Vorgesetzten zugehen, wenn es mir zu viel wurde.»
«Je früher Veränderungen erkannt werden und rechtzeitig gehandelt wird, desto besser sind die Chancen auf eine erfolgreiche Wiedereingliederung.»Janett Gründer, Beraterin für Prävention und Eingliederung bei der SVA Zürich
Unterstützung nutzen: Jobcoachings
Nicht alle schaffen den Wiedereinstieg allein, wie das Beispiel von Katja zeigt: Katja versuchte nach ihrem ersten Burnout-bedingten Zusammenbruch, ohne externe Hilfe wieder in den Job zurückzukehren: «Ich wollte keine externe Hilfe, weil sie mir zu viel war. Ich habe es auf eigene Faust probiert – das hat nur einen Moment lang gut funktioniert.» Nach dem zweiten Zusammenbruch innerhalb von zwei Jahren nahm sie für den Wiedereinstieg ein Jobcoaching-Angebot an. Dieses Mal war der Wiedereinstieg nachhaltig. Sie ist auch heute noch für ihren Arbeitgeber tätig.
Ein Jobcoach hilft, Arbeitnehmende schrittweise an ihre Tätigkeiten heranzuführen. Die individuelle Betreuung reduziert die Gefahr eines erneuten Ausfalls und unterstützt sowohl die betroffene Person als auch das Unternehmen. «Der Jobcoach fungiert als Schnittstelle zwischen Betroffenen, Vorgesetzten und – falls nötig – auch behandelnden Fachpersonen», erklärt Janett Gründer von der SVA: «Der Jobcoach hilft, Lösungen zu finden, die für alle tragbar sind.»
Führungskräfte in der Verantwortung
Eine gesunde Unternehmenskultur ist essenziell für die erfolgreiche Wiedereingliederung. Führungskräfte sollten folgende Prinzipien beachten:
- Frühzeitig reagieren: Veränderungen wahrnehmen und das Gespräch suchen.
- Flexibilität zeigen: Individuelle Lösungen zur Anpassung des Arbeitsplatzes prüfen (z.B. Homeoffice-Optionen, Job Coaching, etc.).
- Externe Unterstützung nutzen: Beratung durch die IV, das Case Management der Taggeldversicherungen oder andere Beratungsangebote in Anspruch nehmen.
Janett Gründer betont: «Psychische Gesundheit sollte Teil der Unternehmenskultur sein. Führungskräfte müssen ein Gespür für Veränderungen entwickeln und Unterstützung frühzeitig anbieten.»
Ein lohnendes Engagement
Die Wiedereingliederung nach einer Krankheit ist ein gemeinsamer Prozess. Arbeitgebende, die unterstützend agieren, profitieren langfristig von loyalen und motivierten Mitarbeitenden. «Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels lohnt es sich, in bestehende Mitarbeitende zu investieren», so Janett Gründer. Das zeigen auch Andreas und Katjas Geschichten. Eine nachhaltige Wiedereingliederung ist möglich – mit der richtigen Strategie gelingt der erfolgreiche Weg zurück in den Beruf.
Veröffentlicht am: 17.6.2025
Autor:in: Dominic Karrer
«Psychische Gesundheit sollte Teil der Unternehmenskultur sein.»Janett Gründer
Infox
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Janett Gründer ist Sozialversicherungsfachfrau mit eidg. Fachausweis und hat zudem ein CAS im Bereich Case Management absolviert. Sie arbeitet seit 2016 bei der Durchführungsstelle für Sozialversicherung SVA des Kantons Zürich: zuerst als Kundenberaterin Eingliederung und IV-Rente und seit 2020 als Beraterin Prävention & Eingliederung.
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Die kantonalen IV-Stellen haben verschiedene Beratungs- und Unterstützungsangebote, die sich an Arbeitnehmende und Arbeitgebende richten:
- Präventionsberatung: Unternehmen können sich unverbindlich beraten lassen, wenn sie Unterstützung im Umgang mit gesundheitlich belasteten Mitarbeitenden benötigen.
- Früherfassungsmeldung: Wenn sich abzeichnet, dass eine Person aus gesundheitlichen ausfallen wird oder bereits ausgefallen ist, kann eine Meldung eingereicht werden, um gezielte Massnahmen zu prüfen.
- Jobcoaching: Fachleute unterstützen Betroffene beim Wiedereinstieg, indem sie zwischen Arbeitnehmenden, Arbeitgebenden und ärztlichen Fachpersonen vermitteln.
- Arbeitsplatzanpassungen: Falls notwendig, können technische oder organisatorische Anpassungen finanziert werden, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten/erleichtern.
Podcast-Mini-Serie «Mental Health am Arbeitsplatz» (2024)
Der Kaufmännische Verband Schweiz hat für seinen Podcast «kfmv talks» eine Staffel zum Thema «Mental Health am Arbeitsplatz» produziert. Die fünfteilige Serie bricht gesellschaftliche Tabus: Fachleute aus Forschung, Coaching, BGM und Prävention vermitteln ihr Wissen und geben wertvolle Praxistipps. Aber nicht nur Fachleute kommen zu Wort: Betroffene* erzählen authentisch, wie sie psychische Belastungen und Erkrankungen am Arbeitsplatz erlebt und bewältigt haben. Die Blogbeiträge basieren auf den jeweiligen Interviews.
*Ihre Namen wurden geändert und ihre Aussagen nachgesprochen.