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Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer. Das Aushandeln eines angemessenen Gehalts erfordert viel Fingerspitzengefühl und Geschick. Eine erfahrene Fachfrau erklärt, worauf frau dabei achten muss.

«In unserem Unternehmen gibt es keine Ungerechtigkeiten bei den Löhnen. Wir haben ein klares Reglement für die Einstufung.» Diesen Satz haben wohl viele Angestellte schon gehört. Gerne möchte man es glauben. Doch Erhebungen des Bundes zeigen etwas anderes: Frauenlöhne sind im Durchschnitt 19 Prozent tiefer als jene der Männer. Nur gut die Hälfte (54,6 Prozent) dieses Unterschieds lässt sich durch Ausbildung, Erfahrung, Aufgabenbereich, Branche und anderen Faktoren erklären. Beim Rest – immerhin durchschnittlich 686 Franken pro Monat – handelt es sich schlichtweg um Diskriminierung.

Wie also vorgehen, wenn frau den Verdacht hat, unterbezahlt zu sein? Für ein Lohnverhandlungsgespräch sei zuerst einmal eine gute Vorbereitung unabdingbar, sagt Helena Trachsel von der Fachstelle Gleichstellung des Kantons Zürich. «Es ist wichtig, die Fakten zu kennen, um entsprechend argumentieren zu können.» In Erfahrung bringen sollte man vorgängig, wie hoch die branchenüblichen Löhne in der betreffenden Region sind und was für ein Gehalt aufgrund des Alters, der Ausbildung, der Stellung und der erbrachten Leistung zu erwarten wäre (Hilfestellungen s. Box). «Werden Sie sich Ihrer Stärken und Schwächen bewusst und Ihres Unique Selling Points: Was macht Sie einzigartig? Wie wichtig ist Ihre Funktion für Ihre Arbeitgeberin?», führt Trachsel aus. «Generell tendieren Frauen dazu, ihren Wert zu unterschätzen.»

Transparenz würde allen nützen

Ein Hindernis bei der Recherche ist die hierzulande grosse Verschwiegenheit, was Finanzen betrifft. Auch heute ist es immer noch äusserst unüblich, über den Lohn zu sprechen. Häufig erfahren Frauen erst nach vielen Jahren eher zufällig, dass ein Kollege in vergleichbarer Position oder sogar deutlich jüngere Mitarbeiter mehr erhalten als sie. Aktiv zu fragen, wagen sich die meisten nicht. Eine Möglichkeit ist jedoch, beim HR um einen Quervergleich zu bitten. In vielen grösseren Unternehmen gibt es zudem Personalkommissionen, die zum Offenlegen der Löhne aufrufen können. Wer mitmacht, erhält Einblick in die Zahlen.

«Es ist wichtig, die Fakten zu kennen, um entsprechend argumentieren zu können.»
Helena Trachsel

Benachteiligung erfolgt unbewusst

Ab Juni dieses Jahres sind Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden verpflichtet, eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Damit will der Bundesrat das Gleichstellungsgesetz besser durchsetzen und sogenannte «unconscious bias» (unbewusste Voreingenommenheit) aufdecken. Denn in den meisten Fällen behandeln Vorgesetzte ihre Mitarbeitenden wohl nicht absichtlich ungleich, sondern sie messen den Qualitäten von Frauen einfach weniger Wert bei oder befürchten, dass sie bald eine Familie gründen werden. Unconscious bias rühren auch daher, dass die Leistung von Teilzeit-Mitarbeitenden – häufiger Frauen als Männer – als weniger wertvoll eingeschätzt werden, obwohl kleinere Pensen erwiesenermassen auch für das Unternehmen viele Vorteile haben.

Wenn Frauen sich weiterbilden, bevorzugen sie zudem häufiger weiche Themenbereiche wie etwa die Verbesserung der Teamarbeit oder der Kommunikation, während sich Männer eher von fachlichen Inhalten angesprochen fühlen. Beide Arten von Kompetenzen sind wichtig für ein Unternehmen, doch erstere werden von Vorgesetzten häufig weniger stark gewichtet. Weiter treten Frauen tendenziell weniger selbstsicher auf, wenn es darum geht, sich selber zu verkaufen. In der Schweiz sind die Löhne bei einer guten Ausbildung generell hoch und Frauen ist Geld oft nicht das Wichtigste, wenn sie einen Job unbedingt wollen. Doch beim Verdienst gehe es eben nicht nur darum, sich viel leisten zu können, erklärt die Fachstellenleiterin, sondern vor allem auch um Wertschätzung. «Wenn Mitarbeitende erfahren, dass sie weniger verdienen als Kollegen in vergleichbarer Funktion, fühlen sie sich durch die Geringschätzung verletzt. Dies kann einen Vertrauen-und Motivationsverlust nach sich ziehen.»

Langzeitfolgen bedenken

Helena Trachsel empfiehlt auch, sich frühzeitig Gedanken um die Altersvorsorge zu machen. Sogar wenn Erwerbstätige aktuell genug verdienen, um den gewünschten Lebensunterhalt zu bestreiten, fliesst bei tieferen Löhnen und Teilzeitpensen weniger Geld in die AHV und Pensionskasse. Dies kann sich im Ruhestand schmerzlich bemerkbar machen.

«Wenn Mitarbeitende erfahren, dass sie weniger verdienen als Kollegen in vergleichbarer Funktion, fühlen sie sich durch die Geringschätzung verletzt. Dies kann einen Vertrauen-und Motivationsverlust nach sich ziehen.»
Helena Trachsel

Der langfristig entscheidende Zeitpunkt für die Festlegung des Lohnniveaus ist stets die Einstellung. Bereits für das Anstellungsgespräch ist es deshalb unabdingbar, sich professionell  auf die Frage nach den Lohnvorstellungen vorbereiten. Weitere Meilensteile bei der Lohnentwicklung sind jährliche Qualifikationsgespräche, der Abschluss von Weiterbildungen oder Veränderungen bei Aufgaben und Position innerhalb der Firma. Kommen Vorgesetzte in solchen Situationen nicht selber auf eine Lohnerhöhung zu sprechen, darf man das Thema ungeniert auf den Tisch bringen.

Nett, aber beharrlich

Am Gesprächstermin sollte man mit einem klar definierten Range an Lohnvorstellungen auftreten. Am zielführendsten ist ein freundlicher, kompromissbereiter, aber selbstsicherer Umgangston – ganz nach dem Prinzip der Harvard-Verhandlungsmethode: Soft on person, hard on facts. Gemeinsame Interessen wie etwa eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und eine gute Arbeitsmotivation sollten betont werden. Dafür bietet sich zum Beispiel folgende Aussage an: «Ich gehe davon aus, dass unser Unternehmen im Bereich Gleichstellung verantwortungsbewusst und fair handelt und regelmässig interne Lohnüberprüfungen vornimmt.»

Im Weiteren soll man beharrlich mit den recherchierten Fakten argumentieren und sich von kritischen Einwänden nicht aus der Fassung bringen lassen, empfiehlt die Gleichstellungs-Expertin, die regelmässig Gruppen- und Einzelberatungen zu diesem Thema durchführt. In diesen Settings übt sie mit ihren Klientinnen stets auch anhand von Rollenspielen und gibt ihnen ein Feedback zur Körpersprache und Gesamtwirkung. Trainieren lässt sich auch mit Kolleginnen oder vor dem Spiegel.

Natürlich ist der Erfolg auch bei Beachtung all dieser Aspekte nicht garantiert. Doch sollte man beim ersten Versuch scheitern, heisst das noch lange nicht, dass alles vergebens gewesen ist. Oft muss man sich zuerst einmal in Stellung bringen, damit man überhaupt gesehen und gehört wird.

«Generell tendieren Frauen dazu, ihren Wert zu unterschätzen.»
Helena Trachsel

Hier erhalten Frauen – und auch Männer – Hilfestellungen:

  • Fachstellen für Gleichstellung

    Diverse Kantonale Fachstellen für Gleichstellung bieten Einzelberatungen und Gruppenkurse an, in denen Frauen lernen, sich für ein Lohngespräch vorzubereiten.

  • Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann

    Auf der Webseite des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann findet sich ein Lohnrechner, mit dem man sich über übliche Löhne je nach Situation ins Bild setzen kann.

    egb.admin.ch

  • Materialien des Kaufmännischen Verbands

    Für Berufe im kaufmännischen Bereich bietet der Kaufmännische Verband Schweiz diverse Materialien an. Der Leitfaden «Das Lohngespräch» ist auf der Webseite verfügbar. Für die Berechnung eines angemessenen Gehalts ist auch der kostenpflichtige «Ratgeber Löhne» hilfreich. Im Bereich «Gleichstellung» finden sich zahlreiche weitere Informationen. Bei Fragen steht eine Hotline zur Verfügung (Tel. 044 283 45 66 oder berufspolitik@kfmv.ch) Mitglieder profitieren zudem von persönlichen Beratungen. www.kfmv.ch

    kfmv.ch/lohn

Veröffentlicht am: 11.06.2021

Weitere Informationen

Autorin

  • Andrea Söldi

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